Beholder

World of Spitzelcraft

Von Warm Lamp Games aus Sibirien kommt ein Spiel mit einer spannenden Ausgangssituation: Ihr seid der Hausmeister einer staatlichen Mietskaserne in einer totalitären Diktatur. Unter den Bedingungen äußerster Repression müsst ihr versuchen, Mensch zu bleiben, eure Familie zu schützen, das Beste für euch heraus zu holen und schlicht zu überleben - und ihr müsst euch immer wieder zwischen diesen Zielen entschieden.

 

Das Spiel beginnt mit der Einweisung an eurer neuen Arbeitsstelle und als kleine Motivationshilfe werdet ihr zufällig Zeuge, wie euer Vorgänger handfest seines Amtes enthoben wird. Als Hausmeister in staatlichem Dienst seid ihr dafür zuständig, die Mieter bei Laune zu halten, kleinere Reparaturen zu erledigen und den Bewohnern zu helfen, damit sie sich wohlfühlen und euer Ansehen steigt. Doch so ein Hausmeisterjob bringt auch Verpflichtungen mit sich: Ihr seid verpflichtet, die Bewohner des Hauses zu bespitzeln.

Alles ist dabei interessant: Hobbies, Literaturvorlieben, zärtliche Gefühle - was immer ihr erfahrt, schreibt ihr in sogenannten Profilen auf, denn der Staat will es so und außerdem gibt es Geld dafür. Auch Verbotenes sollt ihr dem Staat berichten, damit er die Schuldigen bestrafen kann, und es ist vieles Verboten in diesem Land - Besitz ausländischer Währungen, Lektüre bestimmter Philosophen, die Benutzung von Fremdsprachen oder auch nur der Verzehr von Äpfeln. Eure Berichte können daher ganz schnell einen eurer Mieter in den Gulag bringen. Das ganze vollzieht sich in einer voll durchreglementierten Diktatur, in der anonyme staatliche Institutionen per Dekret durchregieren und der Mangel an Dingen wie Büchern, Medizin und einfachen Luxusgüter wie Schokolade und Blumen eine Schattenwirtschaft entstehen lassen, in denen jeder jedem Gefallen schuldet und jeder den anderen in der Hand hat. 

 

Im Spielablauf führt dies zu interessanten Konstellation mit immer neuen Handlungsmöglichkeiten. Drei Ressourcen regieren das Spiel: Geld - ihr benötigt es für Kameras und Gebrauchsgüter. Ruf - er macht euch die Menschen gewogen, und wenn er auf null ist, seid Ihr euren Job los und habt verloren. Zeit ist die dritte wichtige Ressource, denn für die meisten Aufgaben werden euch Fristen gesetzt und diese solltet ihr nutzen denn sonst passieren schlimme Dinge, von denen Rufverlust noch das Geringste ist. Lediglich zwei Aktionen, die Profile, also die Berichte über allgemeine Charakteristika eurer Mieter sowie die Berichte, also Denunziation von Verstößen gegen die vielen Direktiven der Regierung, verschaffen euch Ruf und etwas Geld, ohne auf Fristen achten zu müssen.

Euer erster Auftrag ist es, einen bestimmten eurer Mieter zu beobachten. Ihr wartet also ab, bis ihr eine (natürlich selbst bezahlte) Kamera installieren könnt, denn das geht erst, wenn die Mieter die Wohnung zur Arbeit oder zur Nutzung der Gemeinschaftsküche oder des Waschkellers verlassen haben. Ergibt sich die Gelegenheit, könnt ihr vorsichtig die Tür öffnen und dann am Feuermelder die Kamera anbringen. Wollt ihr die Gelegenheit nutzen und gleich noch ein wenig schnüffeln? Vielleicht hat der Mieter ja eine Waffe oder verbotene Literatur im Schrank? Oder aber ihr geht schnell wieder und plaudert ein wenig mit einem zufällig vorbeikommenden Mieter. Freundliche Gespräche vermitteln oft Informationen, die ihr in den Spitzel-Profilen zu Geld machen könnt.

Für jede Aktion, die an einem Gegenstand möglich ist, erscheint ein Icon, das ihr anklickt. Dann startet ein Timer, der läuft, bis die Aktion abgeschlossen ist. Aber passt auf, dass ihr nicht überrascht werdet. In der 2D-Ansicht, in die ihr hinein und herauszoomen könnt, seht ihr zwar die Bewegungen in allen überwachten oder öffentlichen Räumen, aber Inventarfenster verdecken immer wieder mal die Sicht. Habt ihr was gefunden, müsst ihr an euren Arbeitsplatz um den Papierkram zu erledigen. Aber haltet die Augen offen, vielleicht kommt gerade ein Mensch vorbei, mit dem ihr unbedingt sprechen müsst, vielleicht ergibt sich ein Deal oder er hat eine Aufgabe für euch?

Daraus ergibt sich eine angenehme Mischung aus Adventure-Rätseln, um die Aufgaben der Mieter zu lösen, Quicktime-Events beim Bespitzeln, und immer wiederkehrenden grundlegenden moralischen Entscheidungen. Zum Beispiel fühlt sich einer eurer Mieter einsam und sucht nach weiblicher Gesellschaft. Was kümmerts euch? Nun der Mann ist Doktor, eure Tochter ist krank und Medizin ist schwer zu bekommen. Er kann sie euch besorgen, allerdings nur für eine heftige Summe Geldes. Wie gut, dass ein anderer Mieter gerade ein paar Kisten Dosenfleisch loswerden wollte.

Ihr riskiert also den Verrat an der Obrigkeit und vereinbart den Deal. Ihr gebt die Dosen an den lokalen Schwarzhändler weiter, doch der legt euch aufs Kreuz und zahlt euch am Ende weniger Geld, als ihr dem Lieferanten versprochen habt - also was tun? Stockt ihr die fehlende Summe auf und macht Verlust machen, verärgert ihr den Mieter und nehmt Einbußen beim Ruf in Kauf, wollt ihr drohen, ihn zu verpfeifen, in der Hoffnung, ihn damit zum Schweigen zu bringen? Spätestens mit vier, fünf parallelen Aufträgen wird es schwierig, Zeitvorgaben einzuhalten und gleichzeitig für genügend Geld und Ruf zu sorgen.

Und auch die Mieter sind nicht alle so harmlos, wie sie erscheinen. Wer weiß, wozu ein alter Bibliothekar in der Lage ist, wenn er sich in die Ecke gedrängt sieht? Hinter allem steht die Sorge nicht nur um das eigene Schicksal, denn der Job ist ganz schnell verloren, wenn der Ruf erstmal im Keller ist - und dann ist die ganze Familie mitbetroffen. Das führt aber auch dazu, dass ihr oft scheitert, und dann zumindest am Anfang oft vor den gleichen Entscheidungen steht. Doch wer dies nicht scheut und Trial-and-Error als Gelegenheit begreift, Alternativen auszutesten, wird hier auf seine Kosten kommmen.

Der Grafikstil ist markant und illustriert die düstere Thematik perfekt. Die Figuren erscheinen wie holzschnittartige Handpuppen und das Farbregime ist von schwarz und grau geprägt. Menüs und Steuerung sind praktisch gehalten; das Tutorial ist dankbar kurz, lässt dabei jedoch ein, zwei Lücken, die man aber über die Hilfefunktion "telefonisch" füllen kann. Neben der Originalsprache Russisch bietet das Spiel auch englische, deutsche und französische Texte, die jedoch nicht immer passend übersetzt sind. Es kann frei gespeichert werden, zudem merkt sich das Spiel immer die letzte absolvierte Aufgabe.  

 


Fazit

Beholder besticht durch seine dichte, beklemmende Atmosphäre. In dieser dystopischen Welt ist man ständig gezwungen, den eigenen ökonomischen oder sozialen Vorteil gegen Menschlichkeit abzuwägen. Man wird gezwungen, Dinge zu tun, die nicht nett sind: Alte Herren beklauen, junge Damen belauschen, Leute umbringen oder sterben lassen - und oft stellt sich die Mühe am Ende als vergeblich heraus und man scheitert dabei, sich und seiner Familie das Überleben zu sichern.


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