Hoffnung aus der Höhle
Zu Beginn des Spiels kommen die beiden Hauptcharaktere Bram und Alrik nach langer Abwesenheit in ihre Heimat zurück und werden sofort mit eklatanten Veränderungen konfrontiert. Ihr Heimatdorf Vinborg ist nämlich in der Zeit ihrer Abwesenheit Ziel von feindlichen Attacken geworden, unter denen die heimische Bevölkerung sichtlich leidet. Wie praktisch, dass unsere beiden Protagonisten gerade erst ein magisches Ritual in einer Höhle absolviert und damit wahren Heldenmut bewiesen haben. Und so machen sich die frischgebackenen Helden gemeinsam auf, um gegen die dunklen Machenschaften des Feindes zu Felde zu ziehen.
Nach dieser kurzen Einführung übernehmen wir das Kommando über Bram und Alrik. Die Steuerung geht dank gängiger Spielmechaniken locker von der Hand. Aus der isometrischen Perspektive steuern wir unsere Helden via Maustaste durch das Spielgebiet. Indem wir das Mausrad drehen, ändern wir die Höhe der Kameraperspektive. Eine kleine Karte am rechten Bildschirmrand gibt uns einen Überblick über die nähere Umgebung. Wollen wir das gesamte Gebiet sehen, können wir auch eine große Karte aufrufen. Um an Informationen zu kommen, führen wir Gespräche mit den ansässigen NSCs (Nicht-Spieler-Charakteren), die uns unter Einsatz von Texttafeln präsentiert werden; Sprachausgabe gibt es keine. Durch diese Dialoge lassen sich nicht nur Haupt-, sondern auch Neben-Quests aktivieren.
Die Missionen wissen durchaus zu unterhalten und bieten ein gutes Maß an Abwechslung. So geht es zu Beginn beispielsweise darum, verschleppte Krieger aus den Gefängniskäfigen unserer Feinde zu befreien. An anderer Stelle kommt es darauf an, mit unseren Helden ein Katapult zu schützen, das sicher durch eine Armada von Gegnern bis zu einer Brücke eskortiert werden soll. Auch das eine oder andere Schalterrätsel muss auf unserer Reise gelöst werden. Nebenbei lohnt es sich, die zugänglichen Gebiete genau zu erforschen, da hinter jeder Ecke eine Schatztruhe auf uns warten könnte, die nicht selten von zahlreichen Monstern bewacht wird.
Viele Helden sollen wir sein
Glücklicherweise bleiben Bram und Alrik nicht lange allein, sondern rekrutieren im Laufe ihres Abenteuers insgesamt vier weitere Helden. Typisch für ein Rollenspiel, bringt jeder Charakter bestimmte Fähigkeiten ins Spiel, die wir für den Kampfeinsatz selbst auswählen können. Unter den Oberbegriffen "Verstand", "Körper" und "Beherrschung" sind verschiedene Spezialkräfte aufgelistet, die all die magischen Attacken bieten, die wir von einem RPG erwarten – darunter Heilungen, magische Angriffe und Wiederbelebungen. Aus dem Pott an Spezialkräften können wir allerdings nur zwei auswählen, während eine dritte passive Fähigkeit an den Fund bestimmter Machtsteine, die wir im Laufe unserer Reise einsammeln, gebunden ist.
Durch das Töten von Feinden und die Erfüllung von Auftragen sammeln wir Erfahrungspunkte für unsere Helden, mit denen wir ihre Fähigkeiten verbessern. Weil es davon jedoch nur drei gibt, die wir aufwerten können – Schaden, Rüstung und Angriff –, bleiben unsere Variationsmöglichkeiten eingeschränkt. Erfreulicher ist es hingegen, dass wir jederzeit die gesamten Punktwerte zurücksetzen, komplett neu verteilen und damit andere Prioritäten im Kampf setzen können. Je nach Erfahrungswert unserer Helden lassen sich auch deren Spezialkräfte verbessern. Während ein Charakter mit wenig Erfahrung beispielsweise nur Pfeile abfeuern kann, die den Gegner verlangsamen, können auf den höheren Stufen eben jene Geschosse mit Feuer, Explosivmunition und Gift bestückt werden und richten deutlich mehr Schaden an.
Neben den Spezialfertigkeiten sind unsere Ausrüstungsgegenstände von elementarer Bedeutung für unseren Fortschritt. Diese erhalten wir durch erfüllte Aufträge, durch Plünderung von verstorbenen Feinden und als Belohnung für die gelegentlichen Rätseleinlagen. Auch die Schatztruhen, die wir häufig etwas abseits am Wegesrand finden, bergen ab und zu neues Equipment. Das Inventar bietet viel Platz und teilt sich in unterschiedliche Abschnitte, in denen Waffen, Rüstungsteile, gefundene Gegenstände, Auftragsgegenstände und die magischen Steine übersichtlich geordnet sind. Fahren wir im Inventar mit der Maus über ein neues Item, sehen wir dank Wertevergleich sofort, ob es besser ist als das, mit dem wir aktuell ausgerüstet sind.
Mit der Zeitlupe gegen das Chaos
Treffen wir auf einen oder mehrere Gegner, prügeln wir mit unseren Recken in der Regel ohne besondere Taktik munter drauflos. Um zwischen den einzelnen Helden zu wechseln, verwenden wir die Tastenkürzel 1-6. Ein häufiger Wechsel ist besonders bei größeren Auseinandersetzungen dringend nötig, da wir so die individuellen Spezialfähigkeiten gezielter einsetzen können, um am Ende siegreich aus der Schlacht zu gehen. Auch ist es wichtig, immer ein Auge auf die Gesundheit der Heldenriege zu werfen. Zwar gibt es eine regenerative Energieleiste, diese ist jedoch während eines Kampfes ausgesetzt. Stirbt also einer unserer Krieger, bleibt dieser bis zum Ende des Gefechts reglos auf dem Boden liegen; es sei denn, er wird durch Wiederbelebungsmagie erweckt.
Wenn die vielen Helden mit einer Heerschar an Feinden zusammentreffen, leidet im Kampfgeschehen oftmals die Übersicht, etwa wenn sich einzelne Charaktere von der Gruppe lösen und feindlichen Bogenschützen hinterherrennen. Um dem entgegenzuwirken, können wir mit der Leertaste eine besondere Funktion aktivieren, die für eine kurze Dauer die Spielzeit verlangsamt und die hektischen Kämpfe deutlich reduziert. Somit können wir uns besser auf unsere magischen Attacken und eventuelle Wiederbelebungsmaßnahmen der Mitstreiter konzentrieren.
Um im Fall einer Niederlage nicht mit dem letzten, automatisch abgespeicherten Spielstand neu anzufangen, sollten wir regelmäßig schnellspeichern. Das ist nicht zuletzt dem knackigen Schwierigkeitsgrad geschuldet, der uns schon auf der mittleren Stufe einiges abverlangt. Anders als beispielsweise in "Gauntlet", wo es nur zwei bis drei gezielte Treffer braucht, um Gegnern das Licht auszublasen, kann in "Kyn" ein Aufeinandertreffen mit einer Gruppe von Gegnern überaus gefährlich werden; insbesondere in der Anfangsphase des Spiels. Erfreulicherweise können wir den Schwierigkeitsgrad jederzeit im Bildschirmmenü ändern.
Leichte Kost für Rollenspieler
Die technische Präsentation bewegt sich im oberen Durchschnitt. Von der visuellen Qualität her kann der Titel von Tangrin Entertainment mit den Spitzenvertretern des Genres nicht mithalten. Sowohl die Lichteffekte als auch die Schatten- und Texturqualität erfüllen vielmehr den Standard, als dass sie neue Maßstäbe setzen. Das Gleiche gilt für die Animationen und das Charakterdesign. Trotzdem sieht "Kyn" nicht schlecht aus. Die Optik ist in einem leichten Comicstil gehalten und zeigt ein abwechslungsreiches Terrain. So führen uns die einzelnen Aufträge durch Küstenlandschaften, zerstörte Hafenanlagen, malerische Wälder und schneebedecktes Gebirge; mitsamt unterschiedlichen Wetterlagen und Tageszeiten. Da ist es schade, dass sich uns trotz der vielfältigen Schauplätze meist die immer gleichen Gegnergruppen in den Weg stellen. Auch ist die Anzahl der Menschen und Dialogpartner in den einzelnen Gegenden recht überschaubar. Sollten wir doch einmal in Gespräche verwickelt werden, bleiben die Hintergrundgeschichten der NSCs zumeist farblos und uninteressant, sodass abseits unserer Missionen wenig Tiefgang entsteht.
Mit der KI kommt es ab und an zu Problemen. So gibt es Situationen, in denen sich ein oder mehrere Helden während eines Kampfes nicht zur Wehr setzen, während sie von den Gegnern ohne Weiteres attackiert werden. Ebenso bleiben Goldplünderungen von anderen NSCs und weitere fragwürdige Handlungen unsererseits ohne Konsequenzen. Darüber hinaus sorgt hin und wieder die starre Kameraperspektive dafür, dass Objekte wie Bäume oder Felsen ins Bild hineinragen und uns die Sicht versperren. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn sich unsere Krieger währenddessen im Gefecht befinden. Eine frei rotierende Kamera wäre hier wünschenswert gewesen.
Apropos Wünschen: Bei insgesamt sechs Protagonisten hätte sich ein Mehrspielermodus förmlich aufgedrängt, doch wurde auf diesen unverständlicherweise komplett verzichtet. "Kyn" ist also, ähnlich wie die „Dragon-Age“-Teile, als ein reines Einzelspieler-Abenteuer konzipiert, bei dem wir mehrere Charaktere gleichzeitig durch die Landschaften dirigieren und ihre Ausrüstungsgegenstände verwalten. Das heißt, dass wir viel Zeit damit verbringen müssen, unsere Heldengarde jederzeit optimal in den Kampf zu führen.
Im Soundbereich gibt es wenig zu beanstanden. "Kyn" zeichnet sich durch eine authentische Klangkulisse aus, die gut zur rohen nordischen Kultur passt. Dazu gesellen sich in musikalischer Hinsicht eingängige und malerische Stücke, die ein Pendant zu den vielfältigen Schauplätzen bieten. Zu bemängeln wäre an dieser Stelle einzig der Verzicht auf eine Sprachausgabe, sodass wir uns damit begnügen müssen, uns durch Texttafeln zu klicken. Diese sind, passend zum Comicstil, mit einem humorvollen Unterton gestaltet; während eines Gefechts leidet die eine oder andere Pointe jedoch oft unter der hohen Scrollgeschwindigkeit des Textes.
hi
asd