Armed Assault

Armed Assault

(Morphicon)

geschrieben von Roland Kindermann

 

 
Entwickler: Bohemia Interactive
Publisher: Morphicon
Genre: Taktik-Shooter
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Armed Assault
Preis: 41,95 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

Moderne Shooter setzen meist auf schnelle Action, eine aufwendige Präsentation und eine immer kürzere Spielezeit. Bohemia Interactive ignorieren bei ihrem neusten Werk "Armed Assault" mutig diese Trends und schaffen so ein geradezu einzigartiges Spiel. Ein wenig konventioneller ist da schon die Story: Die Insel Sahrani ist zweigeteilt. Im Norden herrschen die "bösen" Kommunisten, die zu Spielbeginn den demokratischen Süden überfallen. Sie greifen auf Seiten der USA, die natürlich Süd-Sahrani unterstützt, in den Konflikt ein. Erzählt wird die Geschichte von zwischen den Missionen eingestreuten Videosequenzen im Stil einer Nachrichtensendung.

Krieg mit allem Drum und Dran

"Armed Assault" ist der inoffizielle Nachfolger des 2001 erschienenen "Operation Flashpoint", das ebenfalls von Bohemia Interactive stammt und dessen Namensrechte beim Publisher Codemasters liegen. Grundsätzlich spielt sich "Armed Assault" ähnlich wie der Vorgänger: Sie übernehmen abwechselnd beinahe alle Aufgaben, die es in einer Armee im Krieg gibt. Mal müssen Sie sich als einsamer Scharfschütze in die Nähe einer gegnerischen Basis schleichen und einen der Offiziere liquidieren, mal als einfacher Soldat in einem größeren Verband helfen, einen Angriff abzuwehren und wieder ein anderes Mal haben Sie als Gruppenführer die Befehlsgewalt über ein ganzes Dutzend Soldaten. Teilweise dürfen Sie sogar innerhalb einer Mission in die Rolle mehrerer Soldaten schlüpfen und unterschiedliche Aufträge ausführen. Dabei können Sie auf eine große Anzahl Waffen zurückgreifen, die allesamt ihren real existierenden Vorbildern entsprechen. Neben den amerikanischen Gewehren, Pistolen und Raketenwerfern gibt es auch russische, die Sie allerdings zunächst vom Feind erbeuten müssen. Da Sahrani sehr groß ist - laut Herstellerangaben stolze 400 Quadratkilometer - sollten Sie auch den umfangreichen Fuhrpark nutzen, der Pkws, Lastwagen, Panzer, Truppentransporter, Boote und sogar Helikopter umfasst.

Simulation statt Action

Bohemia Interactive entwickelt neben Spielen auch militärische Lehrprogramme. Dementsprechend ist "Armed Assault" auch eher eine Kriegssimulation als ein Shooter und spielt sich daher deutlich geruhsamer und taktischer als andere Genrevertreter, in denen Sie schießen und Befehle erteilen. So sollten Sie sich beispielsweise beim Schießen immer hinlegen oder zumindest knien und über Kimme und Korn zielen. Außerdem müssen Sie die realistisch simulierte Flugbahn Ihrer Geschosse einkalkulieren, denn Gefechte finden meist über mindestens 150 Meter Entfernung statt. Wie in der Realität müssen die gut getarnten Feinde über diese Distanzen erst einmal erspäht werden, wobei das Fernglas gute Dienste leistet. Sofern Sie mit Kameraden unterwegs sind, teilen sie Ihnen praktischerweise die Richtung mit, in der sie Gegner entdeckt haben. Etwas weniger realistisch sind die relativ simple Fahrphysik der Landvehikel und die teils etwas ungenaue Kollisionsabfrage.

Missionsdesign mit (teils bösen) Überraschungen

Zu Beginn einer jeden Mission entscheiden Sie, ob Sie zunächst einen von zwei Nebenaufträgen erfüllen und sich so einen Vorteil für die Hauptaufgabe verschaffen. Wenn Sie beispielsweise in ein feindliches Lager schleichen, um dort Panzer zu zerstören, werden Sie mit denen später keine Probleme mehr haben. Nachdem Sie gewählt haben, wechselt das Spiel zu einer detaillierten Kartenansicht, die Sie auch während des Spiels jederzeit aufrufen dürfen. Dort können Sie sich einen Überblick über das Einsatzgebiet verschaffen, Ihre Bewaffnung auswählen und die Missionsziele durchlesen. Hier liegt auch bereits eines der größten Probleme in "Armed Assault": Die Missionsziele werden als Dokument in einem Ordner angezeigt. Zunächst werden in einem Text die allgemeine Lage und die grundlegende Aufgabe erläutert; danach folgt eine Listendarstellung der exakten Aufgaben, die Sie erfüllen müssen. Leider ist der einleitende Text (zumindest in der deutschen Version) häufig so umfangreich, dass er nicht auf eine Seite passt. Dann gibt Ihnen das Spiel nicht etwa die Möglichkeit, umzublättern oder zu scrollen, sondern schneidet einfach die letzten Missionsziele ab, so dass Sie raten müssen, wie Sie den Einsatz erfolgreich abschließen können. In weniger gravierenden Fällen zeigt zwar immer noch ein Wegpunkt an, wo Sie als nächstes hin müssen, doch spätestens dann, wenn dort nichts passiert, sind Sie wiederum aufgeschmissen.

Hinzu kommt, dass bisweilen Scriptsequenzen nicht ausgelöst werden und Sie - ohne zu wissen, warum - den Einsatz überhaupt nicht erfolgreich abschließen können. Ein besonders negatives Beispiel für die gravierenden Mängel des Spiels ist die Nebenmission "Konvoi Angriff". Bereits die Aufgabenstellung verbreitet Verwirrung: Sie sollen mit einem Transporthelikopter Soldaten abholen; von einem Konvoi oder einem Angriff ist nicht die Rede. Gleich zu Beginn des Einsatzes wartet die nächste Überraschung: Die befohlene Abholung fällt aus, stattdessen sollen Sie nun doch mit einem Kampfhubschrauber einen feindlichen Konvoi angreifen. Während Sie an dieser Stelle in den meisten anderen Spielen schießen und fliegen müssten, übernehmen Sie in "Armed Assault" realistischerweise nur die Aufgabe des Piloten. Also steigen Sie zu ihrem Schützen ins Cockpit und fliegen los. Falls Sie zuvor nicht geübt haben, dürften Sie mit dem Hubschrauber nicht weit kommen, da er dazu neigt, ohne ersichtlichen Grund zur Seite auszubrechen, was zwar realistisch sein mag, anfangs aber ungemein frustriert. Immerhin können Sie jederzeit in den automatischen Schwebeflug schalten und seelenruhig zuschauen, wie der Computer ihren Helikopter zurück in eine stabile Fluglage bringt.

Nachdem Sie einige Male abgestürzt sind und sich ein wenig an die Steuerung gewöhnt haben, werden Sie ihren Helikopter vermutlich erfolgreich in die Nähe des feindlichen Konvois bringen können. Dann müssen Sie ihn nur noch in einer Position halten, in der der Schütze das Feuer eröffnen kann, und darauf hoffen, dass er auch tatsächlich schießt. Manchmal verweigert er nämlich trotz des Befehls "Feuer frei" die Ausführung. Dann hilft nicht einmal der manuelle Feuermodus weiter, in dem Sie den Schützen mit der linken Maustaste zum Schießen zwingen können, da er sich weigert, auf die gegnerischen Fahrzeuge zu zielen. Nachdem Sie einige Zeit mit der Steuerung und ihrem Schützen gekämpft haben, meldet das Spiel, dass eine Scriptdatei fehlt, läuft aber anschließend anstandslos weiter. Kurz darauf wird Ihnen allerdings ohne weitere Erklärung mitgeteilt, dass die Mission gescheitert ist. Die Mission "Konvoi Angriff" mag ein besonders krasses Beispiel der Bugflut sein, mit der "Armed Assault"-Spieler leben müssen - der einzige Einsatz, der aufgrund gravierender Fehler nicht erfolgreich absolvieren werden kann, ist es aber nicht. Immerhin gibt es in den Hauptmissionen weitaus weniger Fehler als in den Nebenaufgaben, so dass man die Kampagne trotz allem erfolgreich abschließen kann. Leider machen Ihnen neben den Bugs auch Designfehler das Leben schwer. So lassen sich einige Aufgaben durch Nichtstun erfüllen, weil Ihre Kameraden alles für Sie erledigen; andere wiederum arten in Arbeit aus, wie etwa eine Patrouillenmission, bei der Sie nachts minutenlang in einer Basis im Kreis rennen und von Zeit zu Zeit, von einer Sirene angekündigt, einen feindlichen Eindringling erschießen müssen.

Komfortabel Befehle erteilen

Eine große Stärke von "Armed Assault" ist die spielerische Freiheit. Insbesondere dann, wenn Sie allein oder mit Untergebenen unterwegs sind, dürfen Sie selbst entscheiden, von welcher Seite Sie angreifen wollen und wie Sie vorgehen. Taktische Fehlentscheidungen enden dabei nicht selten mit einer vernichtenden Niederlage. Wer beispielsweise ein zu befreiendes Dorf ohne Überlegung stürmt, findet sich und seine Kameraden bald auf einer unübersichtlichen Straße wieder, während er von allen Seiten angegriffen wird. Auch ein schneller Finger am Abzug rettet Sie dann nicht mehr. So zwingt "Armed Assault" Sie - anders als viele Konkurrenten - zu taktisch klugem Vorgehen. Damit Sie dabei tatkräftig von Ihren Kameraden unterstützt werden, dürfen Sie ihnen - sofern Sie die Rolle des Vorgesetzten spielen - detaillierte Befehle geben. Unter anderem dürfen Sie Ihren Untergebenen befehlen, an einen bestimmten Punkt zu gehen, eigenständig anzugreifen, sich hinzulegen, eine bestimmte Formation einzunehmen, in Deckung zu gehen oder in einer bestimmten Richtung nach Feinden Ausschau zu halten. Obwohl die Möglichkeiten umfangreich sind, ist die Befehlssteuerung sehr komfortabel. Mit den F-Tasten wählen Sie die Befehlsempfänger aus. Dann suchen Sie mit den Zahlentasten noch einen Befehl aus oder zeigen mit dem Fadenkreuz auf den Punkt, zu dem Ihre Untergebenen gehen sollen beziehungsweise den Soldaten, den sie angreifen sollen. Alternativ schalten Sie mit einem doppelten Druck auf die Leertaste in den Befehlsmodus. Dann wechselt die Szenerie in eine übersichtlichere Perspektive und Sie können, ähnlich wie in einem Strategiespiel, Befehle mit der Maus erteilen.

Im offenen Feld ist Ihr Team - richtig eingesetzt - eine wirkungsvolle Unterstützung. Ein wenig anders sieht es da schon in Städten aus. Hier geht die KI häufig unlogisch vor und meidet beispielsweise gefährliche, offene Flächen nicht oder bleibt an Zäunen hängen. Noch wesentlich dümmer verhalten sich die KI-Soldaten, denen Sie keine Befehle geben dürfen. Nehmen Sie etwa eine feindliche Gruppe unter Beschuss, legen sich einige Soldaten hin und erwidern das Feuer, während andere fliehen oder Ihnen entgegen laufen. Offensichtlich fehlt "Armed Assault" eine Gruppen-KI, so dass Ansammlungen feindlicher Soldaten in der Regel schnell zerstreut werden, weil sie nicht gemeinsam vorgehen. Dadurch wird das Spiel nicht nur einfacher, sondern verliert auch stark an Atmosphäre. Auch mit den Fahrzeugen kommt die KI teilweise nicht klar. Häufig müssen Sie im Laufe einer Mission in ein Vehikel steigen und sich zum nächsten Einsatzort fahren lassen. Gelegentlich müssen Sie dabei minutenlange Wartezeiten hinnehmen, weil Ihr Fahrer gerne mal eine Pause am Straßenrand einlegt.

Geruhsamer Multiplayer

Wer genug von der Kampagne hat, darf sich in zwölf Einzelmissionen austoben oder im Leveleditor gleich selbst neue Einsätze erstellen. Sie finden zwar zwangsweise alle in Sahrani statt, dank der enormen Größe der Region dürfte jedoch jeder eine passende Ecke finden. Außerdem gibt es noch vier Multiplayermodi (Kooperativ, Capture the Flag, Deathmatch und Team-Deatchmatch), die Sie mit bis zu 100 Teilnehmern spielen können. In der Praxis sollte man allerdings nur Server mit maximal 20 Slots erstellen, da es sonst zu Performanceproblemen kommt. Für Anfänger werden zumindest die drei Spielmodi, in denen man gegen andere Menschen antritt, zu Beginn ausgesprochen frustrierend ausfallen, denn man muss noch vorsichtiger und bedächtiger als im Einzelspielermodus vorgehen, wenn man nicht öfter sterben will, als man einen Gegner sieht. Geduldige Profis und Clans dürften mit den taktisch anspruchsvollen, zum Teil aber auch ein wenig langatmigen Schlachten dennoch ihren Spaß haben.

Hübsche Texturen, klobige Objekte

Die Grafik von "Armed Assault" hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Landschaft, Gebäude und Fahrzeuge sehen auf weniger als 200 Meter Entfernung klobig und detailarm aus. Über größere Distanzen fällt die Polygonarmut aber nicht mehr ins Gewicht. Stattdessen punktet das Spiel dann vor allem mit einer enormen Weitsicht, realistischen Texturen und hübschen Raucheffekten. Ebenfalls sehr gelungen sind die lebensechten Animationen der Soldaten. Ein Thema für sich sind die Städte. Sie fallen teils deutlich größer aus als die Siedlungen im Vorgänger und sind vor allem aus der Entfernung oder aus der Luft spektakulär anzusehen. Aus der Nähe sind die Häuser natürlich ähnlich klobig wie die meisten anderen Objekte. In manchen Missionen sind in den Straßen vereinzelte Zivilisten unterwegs, die teils fliehen, wenn es ernst wird, teils jedoch apathisch in ihren Fahrzeugen sitzen, ohne wegzufahren. Problematisch ist, dass in größeren Städten die Performance deutlich einbricht. Deshalb müssen Sie entweder jedes Mal, wenn Sie eine Siedlung betreten oder verlassen, die Grafikdetails neu justieren oder auf freiem Feld mit deutlich niedrigeren Einstellungen spielen, als Ihre Grafikkarte eigentlich verträgt. Alles in allem leidet "Armed Assault" stark unter mangelnder Optimierung und sieht trotz seiner geringen Framerate deutlich schlechter aus als das beinahe drei Jahre alte "Far Cry", das eine ähnliche Weitsicht bot.

Vogelzwitschern und Explosionen

Der Sound in "Armed Assault" ist - bis auf die viel zu früh und abrupt hörbaren Fahrzeuge - sehr gelungen. Gleichgültig, ob Sie kriechen, laufen, schießen oder Auto fahren - stets haben die Entwickler das passende Geräusch eingebaut. Die realistischen Hintergrundgeräusche wie Grillenzirpen oder Vogelzwitschern tragen ebenso zur Atmosphäre bei wie das überzeugende Plätschern des Regens bei schlechtem Wetter. Auch die Synchronisation der Zwischensequenzen ist gelungen, wenngleich es bisweilen stört, dass der Moderator der Nachrichtensendung seine Lippen bewegt, als würde er nur "bla bla bla" sagen. Auch die Sprecher der Funksprüche haben ganze Arbeit geleistet. Manchmal kann man sie allerdings plötzlich nicht mehr hören und muss dann die Kommunikation mitlesen.

"Armed Assault" ist ein einzigartiges Spiel. Die Mischung aus einer riesigen, zusammenhängenden Welt, einem großen Fuhrpark, abwechslungsreichen Missionen und hoher, spielerischer Freiheit funktionierte bereits in "Operation Flashpoint" und hat in den letzten fünf Jahren nicht an Reiz verloren, zumal bis heute kein anderer Entwickler etwas Vergleichbares geschaffen hat. Auch aufgrund der fehlenden Alternativen lässt sich deshalb die technisch unausgereifte und teilweise auch detailarme Grafik problemlos verschmerzen. Dennoch ist "Armed Assault" kein großartiges Spiel. Das liegt vor allem daran, dass es aufgrund nicht abschließbarer Missionen und permanent auftretender kleinerer bis mittelgroßer Macken einen unfertigen Eindruck macht. Vor dem Kauf sollten Sie also erwägen, ob das einmalige Spielprinzip es Ihnen wert ist, praktisch eine Betaversion zu erwerben. Ist das nicht der Fall, sollten Sie abwarten, ob Bohemia Interactive "Armed Assault" in den nächsten Monaten noch in einen gut spielbaren Zustand patcht und gegebenenfalls erst dann zugreifen.

(19.12.2006)

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