Need for Speed: The Run

Need for Speed: The Run (PS3)

(Electronic Arts)

geschrieben von Oliver Salten

 

 
Entwickler: EA Black Box
Publisher: Electronic Arts
Genre: Rennspiel
Erscheinungsdatum: Bereits erhältlich
Homepage: Need for Speed: The Run
Preis: 49,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

Mit "The Run" bringt Electronic Arts in diesem Jahr bereits den zweiten Titel der altbekannten "Need for Speed"-Reihe heraus. Nach "Shift 2 Unleashed", das sich vor allem an Fans von Rennsimulationen richtete, liegt der Fokus jetzt wieder auf den Arcadespielern. "The Run" wurde, unter anderem mit einem Trailer von Hollywood-Regisseur Michael Bay, groß angekündigt. Ob dieser Aufwand auch in einem echten Verhältnis zum Ergebnis steht, soll im Folgenden dargelegt werden.

Mal eben von Küste zu Küste

Jack Rourke, die Hauptperson des Spiels, hat ein Problem. Er schuldet bösen Jungs eine ganze Menge Geld und so beginnt die Handlung damit, dass Jack mit knapper Not aus einer Schrottpresse entkommt, in die ihn seine Gläubiger gesteckt hatten. Einen Ausweg bietet ihm eine Frau namens Samantha Harper an, für die Jack schon früher als Fahrer gearbeitet hat. Sie engagiert ihn, um an einem Rennen quer durch die USA, genauer gesagt von San Francisco nach New York teilzunehmen, bei dem es für den Sieger 25 Millionen Dollar zu gewinnen gibt. Ja, und das war es auch schon. Leider erfährt man weder etwas über diejenigen, die Jack ans Leder wollen, noch darüber, was Jack mit Sam verbindet. Die Geschichte hat kaum weitergehende Bedeutung für den Spielverlauf, was angesichts ihres erzählerischen Potentials sehr bedauerlich ist.

Im Spiel selbst muss man die Strecke über 4000 Kilometer in zehn Etappen absolvieren, die jeweils in mehrere Rennabschnitte aufgeteilt sind. Dabei wird ein breiter Querschnitt unterschiedlicher Streckenprofile geboten. Stadtrouten in San Francisco, Las Vegas, Chicago oder New York, die Wüste von Nevada, die schnee- und eisbedeckten Rocky Mountains, die weiten Kornfelder des Mittleren Westens oder die Wälder Neu-Englands, jede Art von Streckencharakteristik und Umgebung ist im Spiel vorhanden. Leider ist das Spielvergnügen nicht von großer Dauer. Maximal drei Stunden Nettospielzeit, also ohne Resets oder Neustarts einzelner Abschnitte, benötigt man, um im Storymodus von Küste zu Küste zu rasen. Das ist leider sehr kurz für ein Spiel, das relativ groß angekündigt war und von dem die Community sich einiges versprochen hat.

Hinzu kommt eine gewisse Eintönigkeit in den Aufgaben: Andere Rennteilnehmer überholen, Zeitfahren, Wagen in einer bestimmten Zeit überholen, im Wesentlichen beschreibt das den gesamten Spielinhalt. Zu selten wird Abwechslung geboten, etwa dadurch, dass man in den Bergen einer Lawine entkommen oder vor einem wild um sich schießenden Hubschrauber fliehen muss. Spannung kommt auch dadurch nicht auf, dass die Entwickler bei den Zwischensequenzen interaktive Inhalte eingefügt haben, bei denen man Jack selbst steuern kann. Um sich aus misslichen Lagen zu befreien oder schnell zu laufen, ist der Spieler gezwungen reines Knöpfedrücken zu betreiben. Besonders kreativ ist das nicht und es stellt sich wirklich die Frage, warum dieses Element überhaupt eingefügt wurde, wobei Spielhandlungen außerhalb des Autos auch nur sehr selten vorkommen. Wenn Electronic Arts damit an das Vorbild "GTA" anknüpfen wollte, ist dieser Versuch leider grandios gescheitert.

Freude am Fahren?

Der Fuhrpark, der dem Spieler für das große Rennen zur Verfügung steht, ist zwar nicht übermäßig groß, aber für einen Arcade-Racer absolut ausreichend, zumal vom Kleinwagen über Muscle Cars bis hin zu gängigen und historischen europäischen Sportwagen alle wesentlichen Kategorien vertreten sind. Verschiedene Wagen müssen aber erst nach und nach freigeschaltet werden. Die Wagen sind vom Äußerlichen her farblich variierbar und können auch mit sportlicheren Frontschürzen oder Heckspoilern, die jedoch keinen Einfluss auf das Fahrverhalten haben, ausgerüstet werden. Dementsprechend ist auch ein weitergehendes Tuning nicht möglich. Der Fahrzeugwechsel ist leider misslungen. Normalerweise wäre es angebracht, dass man sich zu Beginn einer Herausforderung oder zumindest einer Etappe, den dafür passenden Boliden heraussucht. Bei "The Run" ist das nur während des Spiels an Tankstellen möglich, die man dafür extra anfahren muss. Dadurch wird natürlich der Spielfluss unterbrochen, zumal die Positionen der Tankstellen nicht immer am Anfang des Rennens liegen, sondern zum Teil mittendrin. Die gewählte Lösung des Wagentauschs mag zwar innovativ wirken, ist allerdings nicht sonderlich praktisch.

Fahrerisch bekommt man das geboten, was man von einem Arcade-Rennspiel erwarten darf, wenn man einmal davon absieht, dass keine Cockpitansicht ins Spiel implementiert wurde, was mittlerweise eigentlich zum Standard gehören sollte. Die Wagen lassen sich insgesamt unkompliziert steuern, manchmal sogar etwas zu leicht, denn herausfordernd sind die Strecken nicht unbedingt. Das liegt insbesondere daran, dass man selbst auf eisbedeckten Bergstraßen nicht wesentlich anders fährt, als auf den Wüstenhighways. Frust kommt dennoch auf. Kommt man wirklich mal von der Strecke ab und macht einen Ausflug in die Botanik, kann es schnell vorkommen, dass der Bildschirm dunkel wird und man an einen Kontrollpunkt zurückgesetzt wird. An solchen Stellen wäre es klüger gewesen, entweder die Strecke mit Leitplanken zu begrenzen oder etwas mehr Spielraum zu gewähren. Die Anzahl dieser Resetpunkte bestimmt sich nach dem gewählten Schwierigkeitsgrad. Leider ist keine individuelle Rückspulfunktion enthalten, aber glücklicherweise liegen die erwähnten Kontrollpunkte nicht allzu weit auseinander.

Auch die Gestaltung der KI ist als kritikwürdig zu bezeichnen. Größtenteils ist sie in den jeweiligen Rennabschnitten wenig herausfordernd. Gegner lassen sich ohne größere Probleme überholen, sie "warten" sogar manchmal, bis man nahe genug herangekommen ist. Gegen Ende bekommen sie allerdings die zweite Luft, rasen von hinten heran und überholen den eigenen Wagen kurz vor der Ziellinie. Gleichzeitig wird man von der Polizei zum Teil gerade zu überaggressiv bedrängt, von ausgewogenem Spielvergnügen kann also bedauerlicherweise keinesfalls die Rede sein.

Mehr Rennvergnügen

Zusätzlich zum Storymodus steht für den Einzelspieler die freischaltbare Challenge-Serie zur Verfügung, in der man auf bereits absolvierten Strecken mit einer begrenzten Auswahl vorgegebener Fahrzeuge nochmals Rennen fahren und Medaillen gewinnen kann. Leider wird hier im Wesentlichen nur das neu aufgekocht, was bereits in der Story durchgekaut wurde, die Spannung hält sich also in Grenzen. Immerhin bietet der bekannte Autolog, der auch in die Story eingefügt wurde, eine unkomplizierte Möglichkeit, Zeiten unter Freunden zu vergleichen und sich gegenseitig zu unterbieten.

Beim Multiplayermodus sind verschiedene Strecken in sechs unterschiedlichen Listen zusammengefasst worden, die Namen tragen wie "Exotic Sprint Racing" oder "Muscle Car Battles". Die Namen sind natürlich Programm, da auch die Wagenauswahl, wie bei der Challenge, vorgegeben ist. Die teilnehmenden Spieler können zwischen zwei Events auswählen und darüber abstimmen. Jedes Event besteht aus mehreren Rennen, und nicht nur als Sieger kann man Punkte für das Rangsystem gewinnen. Auch bestimmte Aktionen, wie Überholmanöver oder geschicktes Fahren, werden belohnt. Der eigentlich recht gute Multiplayermodus krankt aber ein wenig daran, dass die Spieler nicht nach ihrer Erfahrung zusammengestellt werden, sondern per Zufall, so dass Fahrer, die bereits sehr viel schnellere Fahrzeuge freigeschaltet haben, natürlich im Vorteil sind. Ein Splitscreenmodus ist leider nicht vorhanden.

Sound und Grafik

Die Geräuschkulisse der Wagen klingt authentisch und ist auf den jeweiligen fahrbaren Untersatz gut abgestimmt. Hinzu kommt ein auf die einzelnen Abschnitte abgestimmter Soundtrack, der viele verschiedene Stilrichtungen vereinigt und für jeden Geschmack etwas bietet. Es ist nur schade, dass kein Radiomodus zur individuellen Liedauswahl eingerichtet wurde. Die deutsche Synchronisation der Hauptpersonen ist leider nicht gut gelungen, sie ist nicht immer lippensynchron und Jacks deutsche Stimme ist zum Teil nur sehr schlecht zu verstehen.

Grafisch scheint "The Run" auf den ersten Blick einiges zu bieten, was nicht zuletzt daran liegt, dass die "Frostbite 2"-Engine, die bereits bei "Battlefield 3" Verwendung gefunden hat, zum Einsatz gekommen ist. Insbesondere die weiten Panoramen und die Wetterphänomene, wie beispielsweise Blitze, sehen sehr real aus, ebenso wie die Gebäude am Straßenrand. Auch die Videosequenzen sind sehr ansprechend gestaltet. Leider liegen die Probleme im Detail. Offensichtliche Grafikfehler, aufpoppende Elemente am Straßenrand und plötzlich erscheinende Polizeisperren trüben das Bild gewaltig. Hinzu kommt, dass die Wagen relativ matt erscheinen und die Lichteffekte auf dem Lack zum Teil gar nicht vorhanden sind. In Tunneln etwa, wo man einen stetigen Wechsel von Licht und Schatten erwarten würde, bleiben diese völlig aus.

Fazit

"Need for Speed: The Run" ist ein Rennspiel, das über einige gute Ansätze nicht hinaus kommt und leider völlig im Bereich der Mittelmäßigkeit versackt. Die Story, aus der man mehr hätte machen können, ist kaum entwickelt und die Herausforderungen wiederholen sich bis auf wenige Ausnahmen. Vom Spielerischen her steht das Spiel zwar in bester Arcade-Tradition, die KI lässt jedoch viel zu wünschen übrig. Die Grafik bietet zwar gute Ansätze, weist jedoch bei näherem Hinsehen zum Teil gravierende Fehler auf. Zumindest der Multiplayermodus ist alles in allem recht ordentlich gelungen, wobei allerdings das Fehlen des Splitscreen-Modus auffällt. Gemessen an der im Vorfeld aufgebauten Erwartungshaltung bleibt das Spiel gewaltig hinter den eigenen Maßstäben zurück.

(20.12.2011)

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