Cops 2170 - The Power of Law

Cops 2170 - The Power of Law

Geschrieben von Jan-Tobias „Erdendonner“ Kitzel

 

Die Welt hat sich gewandelt, die Großkonzerne haben hinter den Kulissen die Macht übernommen, ein Arbeiter wird scherzhaft „Lohnsklave“ genannt und die Schere zwischen Arm und Reich ist weit aufgerissen. Eine wohlhabende Oberschicht thront über den Massen der armen Arbeiter, die heute noch existente Mittelschicht ist nur noch eine dünne Parodie ihrer selbst. Der Mensch hat gelernt, seinen Körper durch technische Einbauten zu verbessern (beispielsweise infrarotfähige Cyberaugen) und die Waffentechnologie hat gigantische Fortschritte gemacht. Die Städte sind zu gigantischen Molochen zusammengewachsen, Neonreklamen werfen ihr flackerndes Ablicht auf regenüberzogene Asphaltstraßen und über allem schweben Kameradrohnen, die unwissende Bevölkerung bei jedem ihrer Schritte überwachend. Klassischer Cyberpunk eben!

Story oder „Die Polizei, mein Feind und Helfer“

In diesem Setting übernehmt ihr in Cops 2170: The Power of Law (ab hier: C2170) die Rolle von Kati, einer jungen Polizistin frisch von der Akademie. Sie trägt noch die ganzen Ideale von „Schütze die Bevölkerung, sei gerecht und fair“ mit sich herum. Aber bereits in der ersten Mission lernt sie, dass auch die Polizei – wie stets in klassischen Cyberpunk-Settings – nur noch eine glitzernde Front mit einem verfaulten Inneren ist. Die Story von C2170 ist im Spiel in zwei Haupthandlungsstränge gespalten: einerseits bricht, gerade als ihr frisch in den Dienst kommt, ein ausgewachsener Bürgerkrieg in eurer Stadt aus. Andererseits deckt ihr eine Verschwörung gegen die und innerhalb der Polizei und gegen die Grundfesten der Anscheinsdemokratie auf. Zu betonen ist dabei, dass ihr in jeder Mission unterschiedliche Entscheidungen treffen müsst, die den weiteren Verlauf des Spiels maßgeblich mit beeinflussen.

Beispiel gefällig? In der ersten Mission bekommt ihr es unter anderem damit zu tun, dass eine Gruppe Mutanten die Tochter eines reichen und einflussreichen Bürgers entführt haben. Die Andersartigen wollen damit gegen ihre Unterdrückung demonstrieren, also eine an sich ehrenwerte Sache, wenn auch mit den falschen Mitteln. Die den Unterschicht-Bezirk beherrschende Gang ist mit den Mutanten allerdings verfeindet und somit steht ihr vor der Wahl: befreit ihr die reiche Tochter und helft ihr damit gleichzeitig der Gang oder helft ihr den Mutanten? Solltet ihr euch für die erste Alternative entscheiden, wird der nächste Level, der euch mitten ins Mutantenterritorium in der Unterwelt führt, eine verdammt harte Nuss. Dafür sind euch allerdings eine Beförderung durch die Kontakte des Geisel-Vaters und in einer späteren Mission die Unterstützung der Gang sicher. Solltet ihr euch für die zweite Alternative entscheiden, winken andere Folgen, die ebenfalls die nächsten Level verändern.

Ich möchte an dieser Stelle keine weiteren Details der Story verraten, denn sie schafft es mit ihren überraschenden Wendungen und der Einräumung von Handlungsalternativen so schön in ihren Bann zu ziehen, dass ihr sie selbst erleben solltet.

Gameplay oder „Klick me, Baby!“

Ihr steuert Kati und ihr Team, maximal sieben Mitstreiter habt ihr am Ende an eurer Seite, in der Schräg-von-oben-Perspektive durch die riesigen Level. Wer bereits Jagged Alliance oder ein Spiel der UFO-Reihe kennt, wird sich hier schnell zurechtfinden. Mit wenigen Mausklicks oder den nach kurzer Zeit flüssig von der Hand gehenden Tastatur-Shortcuts befehligt ihr eure Mannen durch die urbane Cyberpunk-Landschaft. Die Steuerung geht zügig von statten und stellt schon nach wenigen Minuten aufgrund der sauberen Umsetzung kein Hindernis für ein flottes Spiel dar.

Für jeden eure Züge habt ihr eine bestimmte Anzahl von Aktionspunkten (AP) pro Figur zur Verfügung, die ihr dann durch Aktionen wie Laufen, Schießen oder Ducken verbraucht. Je nachdem, wie viel Gepäck ihr eurem Charakter aufbürdet, desto weniger Aktionspunkte stehen dabei zur Verfügung. Auch die Wahl der Waffen stellt dabei einen zu bedenkenden Aspekt dar: eine winzige Polizeipistole lässt sich nun einmal wesentlich schneller abschießen (weniger AP-Verbrauch), als ein schweres MG, ein Raketenwerfer oder eine der futuristischen Energiewaffen. Mit jedem getötetem Gegner und für Erreichen bestimmter Missionsziele erhaltet ihr Erfahrungspunkte, für die ihr bei Erreichen bestimmter Schwellen die Fähigkeiten der Charaktere steigern könnt. Dadurch werden die Figuren zielgenauer, erhalten mehr AP, haben einen größeren Sichtradius oder halten mehr Schaden aus.

Der Kampf läuft rundenbasiert ab, so dass ihr selbst bei den – regelmäßig vorkommenden – Großschlachten (30 oder mehr Gegner und verbündete Einheiten sind keine Seltenheit) den Überblick behalten könnt. Durch den Ablauf in Runden könnt ihr auch eure Taktik sorgfältig planen. Und glaubt mir: eine gute Taktik ist in C2170 überlebenswichtig. Nur wer sein Team ausgewogen ausstattet, die Eigenheiten jedes Charakters in seine Planungen mit einbezieht und mit Ausnutzung von Deckung, überlappenden Schussfeldern und Scharfschützen vorgeht, hat eine Chance, die Level zu schaffen. Jede Karte setzt dabei andere Vorgehensweisen voraus, die funktioniert-immer-Taktik werdet ihr vergeblich suchen; so ist für stetige Abwechslung und die Notwendigkeit häufigen Umdenkens gesorgt.

Leider haben die Designer von C2170 hohe Anforderungen an eure Geduld vorausgesetzt: den Schwierigkeitsgrad knackig zu nennen, wäre die Untertreibung schlechthin. Zwar habt ihr die Wahl zwischen vier verschiedenen Schwierigkeitsgraden (die Einstellung ist übrigens sehr merkwürdig in einem Untermenü versteckt), aber selbst auf einer mittleren Einstellung werdet ihr ordentlich schwitzen. Gehen die ersten Level noch zügig von der Maus, ist minutenlanges Planen eines einzigen Zugs in den späteren Levels keine Seltenheit. Wie in den meisten Spielen dieser Art gilt auch hier: save early, save often! Ihr könnt jederzeit eine Schnellabspeicherung vornehmen, so dass ihr freundlicherweise unterschiedliche Taktiken, ohne großen Zeitverlust bei Misslingen, ausprobieren könnt.

Für einige Stirnrunzler sorgen in C2170 allerdings die künstliche Intelligenz (KI) und eine gewisse Ungleichbehandlung der Parteien. Die KI ist während des Spiels starken Schwankungen unterworfen: hat gerade der Computer seine Mannen noch vortrefflich gezogen, Deckung in seine Überlegungen mit einbezogen und mit seinen Kanonen zuerst euren Scharfschützen und erst dann euer Fußvolk beharkt (richtige Taktik), ist sein nächster Zug eine taktische Katastrophe. Dann lässt er wichtige Figuren mitten in offenes Gelände ohne jede Deckung ziehen und ein Fest für eure Scharfschützen werden oder stellt mehrere seiner Kamproboter in einer Linie nebeneinander auf. Ein Fest für euren Kampfschwein-Charakter mit dem Granatwerfer! Wie man sieht, schwankt die KI zwischen den Extremen, was im Test zum ein oder anderen herzlichen Lacher geführt hat.

Das Lachen im Hals stecken geblieben ist mir allerdings jedesmal, wenn C2170 mal wieder jegliche Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung ignoriert hat. Bei jedem Schuss wird euch vorher angegeben (in Prozent), wie wahrscheinlich ein Treffer ist. Stimmen diese Angaben für eure Charaktere auch meist, so gilt dies leider nicht immer für den Gegner. Mit wunderschöner Regelmäßigkeit platzieren gegnerische Mannen Schüsse, für den sie mit einer Goldmedaille bei den olympischen Spielen belohnt worden wären. Und irgendwie bleibt nach einiger Zeit der unangenehme Eindruck haften, dass die Gegnerschergen einen gewissen Bonus auf ihre Treffer-Wahrscheinlichkeit bekommen, wenn sie mal wieder Schüsse versenken, bei denen ihr euch sicher sein könnt, dass sie, hättet ihr geschossen, meilenweit daneben gegangen wären.

Trotz dieser beiden Kritikpunkte fesseln die professionell designten Cyberpunk-Level an den Monitor. Zu schön ist die Story und zu spannend sind die Gefechte (auch trotz der KI-Aussetzer oder der ab und an auftretenden Schuss-Mogelei); der allen Spielern altbekannte Ritus „Ein Level schaff ich noch, bevor ich ins Bett geh!“ tritt auch bei C2170 schnell ein.

Grafik oder „Dr. Kant übernehmen Sie!“

Die Grafik von C2170 ist nicht mehr wirklich zeitgemäß, moderne Lichteffekte oder Kantenglättungen werdet ihr vergeblich suchen. Die einzelnen Figuren sind dennoch mit Liebe fürs Detail designed worden und auch die Farbverwendung und Modellierung in den einzelnen Levels schaffen es, das Cyberpunk-Feeling herüber zu bringen. Kurz: angemessen, aber etwas einfach. Die gerenderten Zwischensequenzen sind stimmungsvoll und erzählen die Story hübsch weiter. Auch wenn sie keinen Meilenstein darstellen, sind die Render-Künste der russischen Entwickler von C2170 gesundes Mittelmaß.

Sound oder „War da was?“

Das Spiel ist durchgängig in Englisch gehalten, deutsche Untertitel sichern allerdings für jeden das Verständnis. Während die Musik uninspiriert im Hintergrund dudelt und manche Level auch ganz ohne auskommen, wissen die Kommentare der Charaktere mit ihren zynischen Sprüchen zu überzeugen. Die gewählten englischen Stimmen passen gut zu den einzelnen Figuren, auch wenn etwas mehr Ausdruck in der Stimme manchem Sprecher gut zu Gesicht gestanden hätte. C2170 wird sicherlich nicht unter Sound-Gesichtspunkten für einen Kauf empfohlen, aber „solide“ kann man die Arbeit durchaus nennen. Das menschliche Gehirn blendet die unaufdringliche, recht simple Hintergrundmusik nach wenigen Minuten automatisch aus (sonst hilft ein kurzer Klick im Optionsmenü).

Cops 2170 ist solide, rundenbasierte Taktikkost, die sich durch ihre Ansiedlung im Cyberpunk-Genre von der Masse abhebt. Auch wenn man sich an einigen Punkten durchaus stoßen kann (Aussetzer der KI, mittelmäßige Grafik und Sound, knackiger, manchmal zu hoher Schwierigkeitsgrad), C2170 weiß zu überzeugen: die Story zieht in ihren Bann, die Steuerung geht flott von der Hand und die Anforderungen an euer taktisches Geschick sind immens. Die durchgängig in Atem haltende Action weiß insbesondere dann zu überzeugen, wenn wir uns mal dem Preislichen zuwenden: für knapp unter 30 Euro wandert das Spiel über den Ladentisch, ein für ein derart spannendes Spiel unschlagbarer Preis, der die leichten Schwächen vergessen macht.

Liebhaber rundenbasierter Taktikspiele, die gegen einen Ausflug in das Science-Fiction- bzw. Cyberpunk-Genre nichts einzuwenden haben, können bedenkenlos zugreifen. Auch Gamer, die sich für das Genre interessieren und einen kostengünstigen Einstieg suchen, sind gut versorgt. Mit C2170 habt ihr einen soliden Vertreter des Genres zur Verfügung, der in Punkto Anspruch und Action zu überzeugen weiß und seine unstreitbar vorhandenen Schwächen mit einem unschlagbaren Preis mehr als wiedergutmacht.

(31.01.2005)

Technische Daten:
 
Entwickler: MIST Land
Publisher: DreamCatcher Games (in Deutschland über Flashpoint AG)
Genre: Rundenbasierte Taktik
Releasedate: 31.01.2005
Homepage: Cops 2170 - The Power of Law
Altersfreigabe:  Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

Kommentare zu diesem Artikel


Fazit

oder „Liebhaber: zugreifen!“


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