Black Mirror - Der dunkle Spiegel der Seele (Special Edition)

Black Mirror - Der dunkle Spiegel der Seele (Special Edition)

(dtp)

Geschrieben von Matthias Lanwehr

 

Vor langer, langer Zeit gab es Piraten, Autoren und Könige, die allesamt große Probleme hatten. Doch anstatt einen Raketenwerfer auszupacken oder tödliche Infanterie zu mobilisieren, mussten Spieler knackige Rätsel lösen und bekamen dafür mittlerweile klassische Witze und unvergessliche Charaktere präsentiert. Das war die große Zeit der Point-and-Click Adventures. Mit „Black Mirror“ von Future Games erschien unlängst ein neuer Vertreter dieses kleinen, aber nicht tot zu kriegenden Genres, und ist seit Kurzem als Special Edition auf DVD-Rom erhältlich. Wollen wir doch mal sehen, ob es der düsteren Geschichte voller Intrigen, Mord und geheimnisvoller Figuren gelingt, das Adventure-Revival einzuläuten - und was die Special Edition so special macht.

Story

Was kann, oder besser, darf man über ein Spiel, das mit der Handlung und ihren Wendungen steht und fällt, großartig verraten? Nicht besonders viel: Nachdem Opa festgestellt hat, dass ein Sprung aus dem fünften Stock spätestens bei Bodenkontakt nicht halb so cool ist, wie er dachte, trifft sich auf seiner Beerdigung der gesamte Familienclan nach Jahren wieder. Unter ihnen befindet sich Samuel Gordon, Enkel des Toten und Held des Spiels. Er hat dem Familienanwesen vor langer Zeit den Rücken gekehrt, da er recht unschöne Erinnerungen mit Black Mirror, dem Familienschloss, in Verbindung bringt. Trotzdem entschließt sich Samuel dazu, einige Zeit in den heimischen Hallen zu verbringen, um seiner Großmutter Gesellschaft zu leisten. Wie es sich für ein ordentliches Adventure gehört, kommen schon kurze Zeit später Zweifel auf, ob der Tod des Familienoberhauptes wirklich freiwillig war. Und da Samuel sowieso gerade Urlaub hat, versucht er, den Mörder auf eigene Faust zu finden. Dass das wiederum eine ganz blöde Idee ist, stellt sich recht bald heraus, denn nachdem sich der Anfang wie ein klassischer Agatha-Christie-Roman aufbaut, werden die Enthüllungen weit unheimlicher und vor allem persönlicher, als es Gordon lieb sein dürfte. Nicht umsonst wird am Anfang des Spiels erwähnt, dass Samuel Gordon auf das Schloss gehört, wie jedes andere Familienmitglied auch ...

Gameplay

Willkommen in der guten alten Zeit! Wer sich jemals mit einem Adventure beschäftigt hat, kommt mit der Bedienung auf Anhieb zurecht. Da ist er wieder, der Cursor, mit dem jedes Fitzelchen des Bildschirms nach Hinweisen abgesucht werden darf. Stößt man auf etwas Interessantes, ändert der Zeiger seine Farbe und es darf kombiniert, gefragt und geöffnet werden. Mit der rechten Maustaste unterzieht Samuel Gegenstände einer genaueren Untersuchung. Gespräche laufen wie in diesem Genre üblich über Symbole an der unteren Bildschirmkante ab. Ebenso dürfen dort sämtliche aufgenommenen Gegenstände begutachtet und benutzt werden. Bei der Befragung seiner Verwandtschaft hat Samuel ab und zu die Wahl zwischen einer ehrlichen oder verlogenen Antwort, bis auf unterschiedliche Reaktionen ändert sich der eigentliche Spielverlauf allerdings nicht. Was wirklich stören kann, sind unnötige Animationen der Figuren bei Gesprächsbeginn. Anstatt gleich loszufragen, wartet Samuel ab, bis der Hausarzt ein Buch zurück ins Regal gestellt oder der Stallknecht ein bisschen Holz gehackt hat. Einzeln fällt dieses Manko nicht sehr stark auf, doch wenn man neue Hinweise bei mehreren Personen überprüfen will, kann die Warterei sehr anstrengend werden.

Das Rätselknacken selbst ist nie ein Problem, da Samuel durch seine Kommentare jederzeit klar macht, welches Ziel gerade aktuell ist. Die Lösungen für verschlossene Türen und verschwundene Habseligkeiten decken die gesamte Palette von originell bis abstrakt ab. Hysterische Klickattacken werden allerdings nicht von schweren Kopfnüssen hervorgerufen, sondern von zwei sehr frustrierenden Designfehlern: erstens können manche Gegenstände erst mitgenommen werden, wenn Samuel im Verlauf seiner Recherchen einen konkreten Grund für ihre Benutzung gefunden hat und zweitens kann es schnell passieren, dass wichtige Dinge übersehen werden. Wer nicht konsequent zweimal mit der linken und dann zweimal mit der rechten Maustaste auf dasselbe Objekt klickt, läuft Gefahr, nur einen von zwei wichtigen Gegenständen mitzunehmen oder nur eine oberflächliche Beschreibung zu erhalten. So wird ein Linksklick auf einen Kamin nur mit einem Kommentar über Asche abgetan, bei einem Rechtsklick findet man allerdings ein zerrissenes Foto. Dieses wieder richtig zusammenzusetzen ist nur eine von mehreren Denksportaufgaben, die ein bisschen Abwechslung in die Interview- und Recherche-Arie bringen. Unterschätzen sollte man den Schwierigkeitsgrad dieser Minigames allerdings nicht. Das Fotopuzzle mag noch recht einfach sein, doch später sind Schachspieler und Fans von Sternzeichen klar im Vorteil. In besonders gefährlichen Situationen kann Samuel zwar sterben, diese kommen aber glücklicherweise selten vor und sind meistens vorhersehbar. Wer trotzdem seinen Einsatz verpennt, muss wohl oder übel vom letzten Speicherstand aus starten.

Grafik

Vergessen wir für einen Moment die neuesten Grafikengines und kehren zurück zum gerenderten 2D-Hintergrund. Davon bietet Black Mirror nämlich eine ganze Menge. Sämtliche Schauplätze werden zwar detailverliebt präsentiert, wirken allerdings oftmals steril. Gerade organische Formen wie Bäume sind zu glatt und sehen dadurch fast immer künstlich aus. Außerdem hätten kleine Animationen dem Spiel nicht geschadet. Zwar lassen sich ab und zu Schmetterlinge und flackernde Kerzen im Bild finden, diese sind jedoch spärlich gesät. Dafür passen die Handlungsorte sehr gut zur mysteriösen Geschichte: Friedhöfe, Katakomben, Leichenschauhäuser und Irrenanstalten, alle diese unangenehmen Orte wollen besucht werden. Die Figuren wurden in 3D gerendert, was in diesem Fall aber ein zweischneidiges Schwert ist. Zwar werden sehr saubere Animationen ermöglicht, doch im Vordergrund macht die Black Mirror-Crew einen sehr klobigen, verwaschenen Eindruck. In regelmäßigen Abständen werden Knobler mit Filmchen versorgt, die nicht nur qualitativ über den Hintergründen anzusiedeln sind, sondern auch schön bizarr inszeniert wurden.

Sound

Davon gibt es nicht gerade viel, aber das ist gar nicht mal so schlecht, wie es sich jetzt vielleicht anhört. Die Entwickler gehen zwar sehr sparsam mit Melodien um, treffen dabei aber immer ins Schwarze. Während sich Samuel durch das pompöse Anwesen rätselt, wird man mit exzellenten Soundeffekten wie Wind, der durch die Hallen weht oder tickenden Uhren versorgt, die dem ganzen Ambiente eine leere, düstere Stimmung verleihen. Nur bei wichtigen Hinweisen und wirklich dramatischen Szenen wird orchestrale Musik eingespielt. So lässt sich stets erahnen, wann man sich einen bestimmten Kommentar merken sollte und schön ist es obendrein, wenn man okkulte Symbole entdeckt und eine kleine Melodie den Atmosphärebooster ordentlich aufdreht. Sämtliche Gedanken Samuels und Dialoge wurden mit sehr guten und teils bekannten Sprechern vertont (Samuel spricht z. B. mit Johnny Depps deutscher Stimme).

Trotz der aufgeführten Kritikpunkte ist Black Mirror durchaus sein Geld wert. Grafisch und spielerisch nicht perfekt, treibt die lange Story inklusive Überraschungen und die fesselnde Atmosphäre den Spieler durch Samuel Gordons Familiengeschichte. Die beiden ärgerlichen Designfehler treten dank auf Spiel-DVD gepresstem Lösungsbuch etwas in den Hintergrund. Nur Spieler, die die Rätsel ohne Hilfe lösen wollen, dürfen sich auf Frustmomente einstellen. Wer selbst nach den 15 Stunden Spielzeit noch nicht genug vom unheimlichen Trip nach England hat, wird dank Special Edition mit einigen netten Extras versorgt: Neben dem kompletten Soundtrack, der wegen seiner bescheidenen Länge und Melodien nicht wirklich ohne Spiel funktioniert, werden qualitativ unterschiedliche Wallpaper und Artworks präsentiert und in kurzen, dennoch informativen Entwicklerinterviews erfährt man einiges über Arbeitsweise und Zukunftspläne im Hause Future Games. Ein wirklich gelungenes Extra ist der Trailer und die kurze, spielbare Demoversion von Nibiru, dem neuen Adventure von dtp, geworden, das Fans von Black Mirror den Mund wässrig machen dürfte. Wer die normale Version des Spiels besitzt, braucht die Special Edition nicht wirklich, da die einzigen Neuerungen aus den aufgezählten Dreingaben bestehen. Wer sich bisher allerdings noch nicht zum zickigen Verwandtentreffen gewagt hat, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.

(18.05.2005)

 

Entwickler: Future Games
Publisher: dtp
Genre: Adventure
Releasedate: 29.04.2005
Homepage: Black Mirror
Preis: 19,99€
Altersfreigabe:  Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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