The Suffering - Ties That Bind

The Suffering - Ties That Bind (PS2)

(Midway)

geschrieben von Florian Piesche

 

Nicht nur, dass Halloween inzwischen in Deutschland häufig ähnlich gefeiert wird wie auf der anderen Seite des großen Teichs, offenbar wirkt es sich auch auf die Spielebranche aus: Es werden Horrorspiele am laufenden Band veröffentlicht. Um bei der Konkurrenz von F.E.A.R., Call of Cthulhu und Stubbs The Zombie mithalten zu können, haben Midway letzten Monat den Nachfolger ihres eigenen Horrorspiels The Suffering veröffentlicht.

Sie haben ihre Monstersteuer nicht bezahlt!

The Suffering: Ties That Bind dreht sich um Torque, zu Beginn des Spiels von Beruf Gefängnisinsasse wegen Mordes. Es bricht eine Gefangenenrevolte aus, doch sehr bald stellt man fest, dass hier noch mehr im Gange ist. Torque hat auf seinem Weg durch das Chaos immer wieder Visionen, und diverse unangenehme Monster schlachten fröhlich die Insassen dahin. Torque entkommt in all der Verwirrung von der Gefängnisinsel; die weitere Geschichte des Spiels wird erzählt, als Torque durch diverse Orte wandert, die auf die eine oder andere Art Bedeutung für das haben, was ihn ins Gefängnis gebracht hat. Während er die Stätten seiner Vergangenheit erforscht, bekommt Torque weiterhin immer wieder Visionen, die Bruchstück um Bruchstück erzählen, was geschehen ist. Immer tiefer stößt Torque in seine verschwommene Vergangenheit vor und immer seltsamere Dinge passieren auf seinem Weg. Monströse Kreaturen tauchen auf, laufen kurz durch Torques Blickfeld und verschwinden spurlos wieder, nichts als eine Spur der Verwüstung zurücklassend. Die Visionen werden stärker, bis irgendwann die Grenze zwischen Realität und Halluzination verwischt und man sich nicht mehr wirklich sicher ist, was nun wirklich geschieht und was nur in Torques Kopf passiert.

Sehr bald wird Torque von einem seltsamen Wissenschaftler kontaktiert, der viel über Torques Vergangenheit und bizarrerweise auch seine Zukunft und darüber, was geschieht, zu wissen scheint. Er führt Torque weiter von Ort zu Ort, gibt ihm Hinweise darauf, wo er mehr über die Geschehnisse herausfinden kann - aber mit welchen Hintergedanken? Was ist mit der namenlosen Frau, die offenbar so großes Interesse an Torque hat, dass sie ihn gefangen zu nehmen versucht? Und welche Rolle spielt Torques ehemaliger Mitgefangener Blackmore in der ganzen Angelegenheit, wenn er immer wieder auftaucht und versucht, Torque bis aufs Blut zu reizen?

Vom Gameplay her ist Ties that Bind ein ganz normales Actionspiel, bei dem man zwischen First- und Third-Person-Ansicht umschalten kann. Diverse Waffen findet man auf dem Weg; allerdings kann man immer nur zwei davon mit sich tragen. Dies macht die Kämpfe etwas taktischer als in vielen anderen Actionspielen, zusammen mit der allgemeinen Munitionsknappheit sorgt es obendrein für eine angenehme Anspannung beim Spieler und verleiht dem Ganzen Einschläge in Richtung Survival Horror. Gelegentlich kann man dem Mangel an Geschossen auch mit geschicktem Warten und Verstecken beikommen - die Monster bekämpfen sich unter Umständen auch gegenseitig, was Torque einige Arbeit ersparen kann.

Zusätzlich zur Lebensenergie gibt es einen weiteren Faktor, der von der Spielmechanik her relevant ist: Torques geistige Gesundheit. Jedes Mal, wenn Torque ein Monster erlegt oder mit anderen unangenehmen Dingen konfrontiert wird, leidet seine geistige Gesundheit darunter und eine Leiste füllt sich Stück um Stück. Wenn die Leiste voll ist, kann Torque sich selbst in ein Monster verwandeln, das nicht nur deutlich kampfstärker ist als er selbst, sondern auch mit diversen Spezialangriffen relativ mühelos durch die Gegner pflügen kann. Unklar bleibt hierbei, ob Torque sich tatsächlich in ein Monster verwandelt oder ob er nur symbolisch seinen inneren Dämonen freien Lauf lässt und so im übertragenen Sinne zur Bestie wird.

Immer wieder begegnet man Situationen, in denen man eine moralische Entscheidung treffen muss - die Wahl, ob man nun einem Menschen, der von Straßengangstern überfallen wird, hilft oder nicht, die Wahl, ob man seinen Mitgefangenen durch den Mord an einem Gefängniswächter beweist, dass man noch auf ihrer Seite steht, und so weiter. Welche Wahl man in diesen diversen Situationen trifft, beeinflusst direkt, wie "moralisch" Torque ist und damit, welche Form sein innerer Dämon annimmt, wenn er "austickt" und wie die Spezialangriffe in Monsterform aussehen. Obendrein ist das Spiel mit mehreren Enden ausgestattet; welches davon man sieht, wird ebenfalls von den Entscheidungen beeinflusst, die man im Verlauf des Spiels trifft. Welche Auswirkung eine Entscheidung hatte, wird über kurze Visionen vermittelt, die direkt auf die Tat folgen. Entschließt Torque sich für den moralischen Weg, so könnte ihm kurz darauf seine Frau erscheinen, die ihm sagt, wie stolz sie auf ihn ist oder dass sie ihm verzeihen könnte; wählt man die "böse" Alternative, so hört Torque Stimmen, die sich über das Opfer der Tat amüsieren oder seine Verbrechen rechtfertigen. Auch wenn keine direkte Entscheidung ansteht, kann man in Richtung des Bösen abdriften, indem man zum Beispiel Unschuldige tötet. Dies führt zu dem Problem, dass es sehr leicht ist, die Moralität von Torque zum Bösen kippen zu lassen, aber nicht leicht, sie auf der guten Seite zu halten.

Das Problem hierbei ist, dass die Wahl sich meist darauf beschränkt, welche von zwei Parteien man tötet, was dem ganzen einerseits zwar einen angenehm bitteren Beigeschmack verleiht, andererseits aber die allgemeine Linearität des Spiels weiter unterstreicht. Damit wären wir auch beim einzigen wirklichen Problem von Ties That Bind angekommen: Das Spiel ist sehr, sehr linear. Das Gefühl, sich auf Schienen zu befinden, ist ähnlich massiv, wie es in Jedi Knight 2 war - breite Straßen sind recht unsubtil mit brennenden Hochbahnwaggons oder Trümmern von eingestürzten Gebäuden versperrt, sämtliche Türen in einer Wohnsiedlung bis auf die, durch die man gehen muss, sind verschlossen oder schlicht und einfach nicht benutzbar. Kurz, das Spiel gibt sich nicht unbedingt viel Mühe, zu verbergen, dass man keine Wahl hat, wo man hingeht oder nicht.

Das obligatorische Bonusmaterial gibt es in Ties That Bind ebenfalls in ausreichender Menge. Den größten Teil davon findet man im Spielmenü unter dem Punkt "Archive", wo drei Bücher präsentiert werden: Jordans Notizbuch, Consuelas Album und Carmens Tagebuch. Jordans Notizbuch enthält Beschreibungen und Bilder, darunter auch diverse Konzeptzeichnungen, der Monster; Consuela sammelt Fotos und kurze Beschreibungen über die Örtlichkeiten, an denen sich die Handlung abspielt; und Carmen, Torques Frau, hat Fotos und Texte zu Torques Vergangenheit mit ihr in ihrem Tagebuch. Die Monsterbeschreibungen werden freigeschaltet, wenn man den jeweiligen Monstern im Spiel begegnet; Consuelas Album wird erweitert, wenn man bestimmte Ereignisse oder Stellen in den Levels entdeckt, und Carmens Tagebuch füllt sich einfach im Lauf des Spiels Stück um Stück. Einzige Ausnahme hiervon sind die letzten drei Einträge bei Carmen, die verfügbar werden, sobald man je eins der drei Enden erreicht.

Stahl, Fleisch und unscharfe Straßenschilder

Wie bei vielen Titeln in letzter Zeit zeigt die PS2 auch bei Ties That Bind langsam ihr Alter und ihre leichte technische Unterlegenheit gegenüber der Konkurrenz: Immer wieder "ploppen" Objekte aus dem Nichts auf, gelegentlich ruckelt das Spiel ein klein wenig und allgemein sieht die PS2-Portierung einfach weniger gut aus als die XBox- und PC-Versionen. Die Polygonmodelle von Monstern und Menschen wie auch die Levelgeometrie wirken durchgehend etwas klotzig, die Animationen sind teils abgehackt und die Texturen auf den Figuren wie auch der Landschaft oft unscharf; dies tut der Atmosphäre, die das Spiel auf recht eindrucksvolle Art schafft, aber keinen nennenswerten Abbruch. Die Spezialeffekte sind hübsch, bringen das Spiel gelegentlich aber noch mehr ins Ruckeln - vertreten sind Unschärfen, Farbstiche und der "Staub", der in Zwischensequenzen gelegentlich im Bild aufblitzt, ähnlich dem auf einem alten Film.

Die Charakterdesigns sind ansprechend; insbesondere die diversen Monster sind stimmungsvoll abstoßend gestaltet. Fleisch und Metall treffen aufeinander und wachsen zusammen, die Körper haben Auswüchse oder Löcher an Stellen, an die sie nicht hingehören, die Gesichter sind verzerrt und die Anatomie wirkt eigentlich immer irgendwie widernatürlich. Eine weitere schöne Idee im Charakterdesign: Die Monster stehen meist symbolisch für die bösen Seiten der Menschheit, was man ihrer Gestaltung ansieht. Kreaturen, deren Rücken mit größeren Mengen an Spritzen verziert sind als dämonische Inkarnation des Drogenmissbrauchs, Bestien mit Klingen statt Händen und Füßen für die Gewalt in den Straßen oder große, Leichen fressende Monster für die Gier - die Ideen sind meist offensichtlich, manchmal etwas weniger leicht zu erkennen, aber durchgehend mit dem Konzept der Symbolik hinter der Gestaltung der Gegner.

Sound

Obwohl die Übersetzung bis auf vereinzelte Stolperer (Highlight: Der "Insanity Mode" wurde als "Ausraster-Modus" übersetzt) gut gelungen und die Sprachausgabe qualitativ hochwertig ist, passen die Stimmen der Schauspieler gelegentlich nicht ganz zu den Charakteren. Die schauspielerische Leistung ist meist gut, aber gerade der Sprecher der Hauptfigur Torque zeigt häufig einen bedauernswerten Mangel an Ausdruckskraft. Leider befindet sich auf der DVD nur die deutsche Sprachversion - wer Ties That Bind im Originalton spielen will, wird wohl auf einen UK-Import oder ähnliche Maßnahmen zurückgreifen müssen. Stellenweise ist die Sprachausgabe auch dadurch etwas verwirrend, dass Figuren, die sich hinter Türen oder Wänden befinden, nicht gedämpft klingen, sondern als stünden sie ohne derartige Hindernisse direkt neben Torque. Obendrein scheint die Sprachausgabe häufig nicht an den Charakteren zu hängen, sondern wird immer gleich laut aus beiden Stereolautsprechern abgespielt, als stünde der Sprecher direkt vor Torque - auch dann, wenn Torque dem Sprecher den Rücken oder eben sein linkes Ohr zuwendet.

Die Musik beschränkt sich größtenteils auf atmosphärische Geräusche, entwickelt sich aber in actionreichen Sequenzen in Richtung Industrial - "unauffällig" ist im Großen und Ganzen das Wort, das wohl am Besten passt. Meist merkt man nicht einmal richtig, ob es sich bei einem bestimmten Geräusch nun um einen Soundeffekt der Umgebung oder um einen Teil der Hintergrundmusik handelt. Die Soundeffekte sind gut gelungen, wenn auch etwas variationsarm. Leises Flüstern, das in Torques Kopf erklingt (oder ist da tatsächlich irgendetwas?), das Klappern von monströsen metallischen Beinen auf Asphalt, die Schreie von verängstigten Unbeteiligten und das Zischeln und Gurgeln von noch nicht zu sehenden Dingen, denen man eigentlich lieber aus dem Weg gehen würde - ähnlich wie die Grafik auch erzeugt der Sound von Ties That Bind mit simplen Mitteln eine dichte, beunruhigende Atmosphäre.

Fazit

Ties That Bind legt weniger Wert auf den Aspekt Horror und mehr auf den der Action. Wer ein Spiel sucht, das Gänsehaut verursacht, ist mit Call of Cthulhu oder F.E.A.R. wahrscheinlich besser bedient; als atmosphärisches Actionspiel, in dem man reichlich Monster über den Haufen ballert, ist der Suffering-Nachfolger aber durchaus gut geeignet. Grafisch ist der Titel zumindest auf der PS2 nicht wirklich auf dem aktuellen Stand der Technik, erzeugt aber mit den beschränkten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, eine erstaunlich dichte Atmosphäre.

(22.11.2005)

Plattform: PS2, PC (Windows), XBox
Entwickler: Surreal Software
Publisher: Midway Games
Genre: Action
Release: bereits erhältlich
Preis: 43 €
Homepage: The Suffering - Ties That Bind
Altersfreigabe: keine Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG

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