Tabloid Tycoon

Tabloid Tycoon

(Frogster Interactive)

geschrieben von Jan-Tobias "Erdendonner" Kitzel

 

Ein Tycoon-Spiel? Chef, was hab ich bloß verbrochen? Hab ich dir nicht Adventsplätzchen geschickt, dein Auto gewaschen und die Hosen gebügelt? Trotzdem muss ich ein Tycoon-Spiel testen? Die soeben geschilderte Reaktion ist verbreitet unter Spieletestern, da leider Spiele mit dem Beititeln "Tycoon" den Ruf haben, die absoluten Gurken unter den Wirtschaftssimulationen zu sein. Aber trifft das auch auf Tabloid Tycoon zu, das Spiel, das sich anschickt, die Welt der Boulevardblätter am heimischen PC erlebbar zu machen? Wir werden sehen.

Gameplay oder "Mach mal richtig Druck!"

Tabloid Tycoon macht sich in den ersten Minuten alle Mühe, die bösen Vorahnungen zu bestätigen. Gedrucktes Handbuch? Fehlanzeige! Vernünftiges Handbuch auf der CD? Nada! Nur ein paar einsame Zeilen finden sich in einer pdf-Datei auf dem Silberling, die allerdings ungefähr soviel zur Spielerklärung beitragen wie die Werbeaussagen eines Publishers. Also einen Sprung ins kalte Wasser, bitte sehr. Doch nach einer kurzen Installation bemüht sich Tabloid Tycoon sichtlich, den Ersteindruck schnell vergessen zu machen. Aufgeräumte Menüs tragen dazu ebenso bei wie das Tutorial, das - leider nur fast - alle Funktionen des Spiels erklärt und daher die Nichtexistenz eines vernünftigen Handbuchs in den Hintergrund treten lässt.

Aber wovon handelt denn nun Tabloid Tycoon? Die Story ist schnell erzählt: Sie wurden zum Manager eines mickrigen Boulevard-Blättchens berufen, dessen Hand voll Mitarbeiter sich in winzigen Büros die Nasen platt drücken. Aber Sie wären nicht das Ass, das Sie sind, wenn Sie aus dieser Bruchbude nicht ein Multimillionendollar-Verleumdungsunternehmen ... ähemm, sorry ... erfolgreiches Boulevardnachrichtenblatt machen würden, mit einer Residenz gleich einem Luxushotel. Doch aller Anfang ist schwierig und so sind vor den Olymp der Schnulz- und Schmachtnachrichten erst einmal kleinere Brötchen gestellt, die gebacken werden wollen. Daher klicken Sie sich durch die nett animierten und übersichtlichen Menüs, stellen die ersten Reporter und Fotografen ein und weisen diesen Rohstorys (sogenannte "Leads") zu. Nachdem Sie dann Ihre ersten Exemplare auf den Markt geworfen haben - eine Ausgabe wird pro Woche veröffentlicht und innerhalb der Woche können Sie an jedem Tag jede Art von Handlung (wie Storys an Reporter vergeben) durchführen, machen Sie sich daran, Ihre ersten Kröten gleich wieder zu investieren. Schließlich gibt es so manches, was teuer erkauft werden kann: Ausrüstungsgegenstände zur Verbesserung Ihrer Mitarbeiter, besondere Rohstorys, die gute Verkaufszahlen bringen und schlussendlich können Sie auch einen Saboteur anheuern, damit dieser bei der Konkurrenz mal seine Fingerchen spielen lässt.

Doch den Hauptteil der Spielzeit werden Sie im Lead-Vergabemenü zubringen. Dort sind Dutzende Rohstorys ("Leads") aufgelistet, die alle über fünf Werte verfügen: Amusement, Truth, Drama, Believability und Creditibility. Ihre Reporter und Fotografen verfügen ebenfalls über diese Fähigkeiten (mit Ausnahme von "Truth"), so dass Sie optimale Zweierteams aus Schreibhansel und Knipsheini zusammenstellen können, damit diese die Storys in Angriff nehmen. Doch Achtung: Jeder Lead verfügt über einen Schwierigkeitsgrad, von grün bis schwarz, und an letztere Leads sollten Sie nur Mitarbeiter mit hohem "Skill"-Wert heransetzen, dem fünften Wert jedes Schreib- oder Knipssklaven. Klingt kompliziert? Keine Sorge, nach dem dritten oder vierten Durchgang haben Sie die Zuordnungsmechanik verinnerlicht und erledigen das im Schnelldurchgang. Von der ebenfalls existierenden "Auto"-Funktion, die Ihnen das Zuordnen abnimmt, rate ich allerdings ab, da manches so erzielte Ergebnis ... nun sagen wir mal ... "suboptimal" ist. Wenn Sie nach der Zuordnung Ihre Mannen fünf Tage (Montag - Freitag) werkeln lassen, haben Sie am Freitagabend die Aufgabe, die fertige Zeitung aus den recherchierten Geschichten zusammenzustellen, den Preis festzulegen und dann per Klick auf den Markt zu werfen. Anschließend liefert Ihnen das Programm die Verkaufs- und Abonnentenzahlen, ebenso wie die Ihrer vier Konkurrenten, so dass Sie direkt sehen, wie Sie im Vergleich dastehen.

Tabloid Tycoon greift bei den so veröffentlichten Storys tief in die Abgründe des Boulevards und liefert Ihnen Geschichten, die einfach nur zum Schmunzeln sind: Von der Behauptung, der Eiffelturm sei als UFO enttarnt worden, bis hin zur angeblichen Aufdeckung eines bekannten Popstars als außerirdischen Spion ist alles dabei, was die Klatschpresse an Untiefen zu bieten hat. Da Sie über ein kleines Menü die Storys sogar Ihren Wünschen anpassen und ganze Wortbausteine austauschen können (was allerdings keinen Einfluss auf die Storywerte oder Verkaufszahlen hat), ist der Schmunzelfaktor garantiert. Tabloid Tycoon liefert solide und teilweise sogar richtig lustige Arbeit ab, so dass Kurzweil garantiert ist. So werden Sie ab und an von Zufallsereignissen überrascht, beispielsweise der Erpressungsmöglichkeit eines Promis, die Ihnen gewaltige Vorteile oder Nachteile bringen können, man muss nur wissen, wann man mutig sein muss und wann nicht, also eine kleine Prise Glücksspiel. Auch die ständige Gefahr, für Storys verklagt zu werden (dafür ist der Wert "Truth" zuständig), sorgt für Abwechslung.

Aber im eben erwähnten "Kurzweil" steckt der Bestandteil "Kurz" drin und diese Eigenschaft muss man leider auch bei Tabloid Tycoon feststellen: Der Spaß währt nicht ewig. Denn leider gleichen sich die Tagesabläufe wie ein Ei dem anderen und spätestens nach zehn Zeitungsausgaben haben Sie alle Menüs und Möglichkeiten gesehen und ausprobiert. Daher ist die Langzeitmotivation bei Tabloid Tycoon nicht wirklich gegeben. Zwei weitere Gameplay-Kritikpunkte sollten nicht unerwähnt bleiben: Zum einen ist das Spiel durchgehend auf Englisch und benutzt dabei manchmal Wörter, die nicht gerade zum Umfang des deutschen Englisch-Schulunterrichts gehören. Die Konsultation eines Wörterbuchs bleibt somit ab und an nicht erspart, wobei fairerweise gesagt werden muss, dass - hat man die Wörter einmal übersetzt - sie durch die gleichbleibenden Menüs nie wieder nachgeschaut werden müssen und dies daher mehr eine Anfangsschwierigkeit darstellt. Zum anderen Kritikpunkt: Die statistische Auswertung Ihres Erfolgs ist leider nur sehr oberflächlich implementiert worden. So erfahren Sie auf gerade mal einer Seite und ein paar Graphen, warum dies oder jenes gut oder schlecht funktioniert hat und oft kommt das Gefühl auf, dass zu viele Resultate dem Zufall geschuldet sind. So gehen die Verkäufe manchmal ohne jede Begründung runter, obwohl man an Zusammensetzung und Preis der Zeitung nichts geändert hat. Doch insgesamt ist der Schwierigkeitsgrad fair, den Sie sogar noch in drei Stufen einstellen können.

Grafik oder "Sitzt die gezeichnete Frisur noch, Baby?"

In Tabloid Tycoon erwartet Sie die Comic-Version eines Büroalltags. Der Büroraum, der den einzigen Raum im ganzen Spiel darstellt, den Sie besuchen werden, ist mit allerlei Comicfiguren bevölkert. Jede der Personen stellt ein Menü dar und ist bei Anwahl hübsch animiert. So schreckt der auf dem Tisch schlafende Reporter auf, wenn sie ihn mit der Maus berühren und der Storyverkäufer wendet sich Ihnen interessiert zu und damit vom Fenster ab. Nett, nett. Die einzelnen Menüs sind - wie erwähnt - sauber gestaltet und ebenfalls im Comicstil gehalten, was der Übersichtlichkeit keinen Abbruch tut. Tabloid Tycoon reißt keine Grafikbäume aus, ist aber für eine Humor-Wirtschaftssimulation passend gewandet.

Sound oder "Eine weitere Überraschung"

Was für eine musikalische Untermalung erwartet man bei einem Spiel mit dem Beititel "Tycoon"? Eine, die den Spieler den Lautstärkeregler sofort gen Bodenniveau schicken lässt. Doch überraschenderweise haben die Mannen von Black Lantern Studios dem Spiel einen - natürlich nur vergleichsweise - guten Sound spendiert. Die Musik hört sich angenehm an und was am wichtigsten ist: Sie passt zum Spielgeschehen und verbreitet wirklich die Atmosphäre einer Boulevard-Redaktion. Auch die Soundschnipsel in den Menüs sind zum Schmunzeln gut oder in welcher Wirtschaftssimulation werden Sie sonst schon beim Entlassen von Mitarbeitern ausgebuht?

Tycoon, dein Ruf ist bei mir fürs Erste gerettet. Tabloid Tycoon ist eine nette und humorvolle Wirtschaftssimulation für zwischendurch. Langfristig wird sie sich sicherlich nicht auf dem Spielerrechner halten können, dafür ist die Abwechslung im Spiel einfach zu gering, aber für ein halbes Stündchen hier und da ist Tabloid Tycoon genau richtig, wenn ein Schmunzeln aufs Gesicht und Dollars in virtuelle Taschen gebracht werden sollen. Bei dem konkurrenzlos guten Preis übersehen wir dann auch die kleinen Macken, wie die zu oberflächlichen Statistiken oder die Notwendigkeit eines Englisch-Wörterbuchs neben der Tastatur in den ersten Spielminuten, und freuen uns lieber über den netten Sound und die ansprechende, witzige Grafik. Tabloid Tycoon ist somit die kleine Zwischenmahlzeit für Fans von Wirtschaftssimulationen, die sich schmunzelnderweise etwas abseits der ausgetretenen Genrewege bewegen wollen.

(02.01.2006)

Mindestvoraussetzungen

- Pentium III 800 MHz

- 256 MB RAM

- 250 MB freier Festplattenspeicher

- DirectX 9.0c kompatible 32 MB Grafikkarte und Soundkarte

Entwickler: Black Lantern Studios
Publisher: Frogster Interactive Pictures
Genre: Wirtschaftssimulation mit einem Schuss Humor
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Tabloid Tycoon
Preis der Vollversion: 19,90 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

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Fazit

oder "Kurzweilige Entspannung"


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