Haunted

Haunted

(dtp)

geschrieben von Knud Baier

 

     
 

Über ein Jahr nach "Black Sails", dem letzten Adventure aus dem Hause Deck 13, schaffte nun auch das vom ursprünglichen Publisher HMH einmal für Herbst 2009 angekündigte "Haunted" den langen und steinigen Weg in die Händlerregale. Nach der Insolvenz von HMH und später auch JoWooD wurde das optisch überarbeitete Spiel nun von dtp auf den Markt gebracht.

Die Geister, die mich riefen

"Haunted" spielt im 19. Jahrhundert. Sie schlüpfen in die Rolle der jungen Mary, die ihre kleine Schwester Emily bei einem Zugunglück verlor und seitdem allein auf der Straße lebt. Das Spiel beginnt ein Jahr nach jenem schicksalhaften Tag. Mary wird in der Nacht von der Stimme ihrer Schwester auf das Gelände der Londoner Universität gelockt. Dort macht sie auf unerfreuliche Weise Bekanntschaft mit Professorin Ashcroft und deren Forschungsmethoden: Mary wird bewusstlos von Ethan, dem Gehilfen der Professorin, aufgefunden und für tot erklärt. Bei der nun folgenden Autopsie stellt sich aber heraus, dass der etwas simpel gestrickte (und leicht schizophrene) Ethan die Situation nicht ganz richtig eingeschätzt hat. In der Universität treffen Sie dann auch auf Geisterpirat Oscar, der sich selbst "der Schreckliche" nennt, von allen anderen Geistern aber nur als "der Klägliche" bezeichnet wird. Gemeinsam mit Oscar machen Sie sich auf, um mehr über den Geist Ihrer Schwester zu erfahren.

Im Lauf des Spiels streifen Sie unter anderem durch die finsteren Gassen Londons, besuchen eine angeblich von Geistern heimgesuchte Kirche in Schottland und reisen ins sonnige Transsylvanien (kein Scherz, dort ist es wirklich die meiste Zeit strahlend hell). Dabei treffen Sie immer wieder auf weitere Geister, die sich Ihrer Mannschaft anschließen und Ihnen ihre ganz speziellen Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Die Geister verfügen aber nicht nur über individuelle Fähigkeiten, sondern auch eine individuelle Persönlichkeit. Nach und nach lernen Sie sowohl die Geister als auch Mary und die Motive der Professorin näher kennen und erfahren mit der Zeit auch, was damals tatsächlich mit Emily passiert ist.

Die Verpackung verspricht zwar eine "gruselig-komische Geschichte", dieses Versprechen kann "Haunted" aber nicht durchgehend einhalten. Das Intro ist der gruseligste Teil des ganzen Spiels, danach geht es mit der Gruselstimmung steil bergab und der Fokus verschiebt sich immer mehr in Richtung "komisch". Gegen Ende gruselt sich dann höchstens noch der Gehilfe der Professorin. Nach dem Abspann ist das Spiel übrigens noch lange nicht vorbei. Ab dem dritten Kapitel steht Ihnen ein kleiner Nebenauftrag zur Wahl. Wenn Sie diesen erfolgreich abschließen, erwartet Sie noch ein Bonuskapitel. Dieses Kapitel ist eine einzige Hommage an die großen Adventures längst vergangener Tage: eine ordentliche Portion LucasArts, gewürzt mit einer Prise Adventure Soft und einem Hauch von Deck 13. Das tatsächliche Ende lässt noch ein paar Fragen unbeantwortet und legt den Grundstein für eine Fortsetzung.

Gameplay

Sie steuern Mary ausschließlich mit der Maus nach dem guten alten Point-&-Click-Prinzip: Sie klicken mit der linken Maustaste auf den Boden und Mary läuft zu dieser Stelle. Wenn Sie auf einen interaktiven Punkt ("Hotspot") klicken, dann führt Mary die passende Aktion aus. Im Gegensatz zu den früheren Adventures von Deck 13 können mit der rechten Maustaste keine Aktionen ausgelöst werden. Das bedeutet, dass Sie beispielsweise einen Gegenstand im Inventar entweder nur ansehen oder ihn nur mit anderen Objekten kombinieren können. So kommen Sie nie in die Verlegenheit, eine wichtige Information oder einen Gegenstand zu übersehen, nur weil Sie nicht mit beiden Maustasten auf einen Hotspot oder einen Inventargegenstand geklickt haben.

Durch einen Doppelklick können Sie Mary auch rennen lassen. Dabei kann es allerdings wie schon in den früheren Adventures von Deck 13 passieren, dass die Kamera sich nach dem ersten Klick schon ein Stück bewegt und Sie mit dem zweiten Klick nicht mehr die Stelle erwischen, auf die Sie eigentlich klicken wollten. Da hilft nur Selbstdisziplin: Warten Sie ab, bis die Kamera sich nicht mehr bewegt, erst dann klicken Sie auf den Hotspot – und zwar nur ein einziges Mal.

Jeder Geist in Ihrer Mannschaft verfügt über eine ganz besondere Fähigkeit, auf die Sie zur Lösung der Rätsel zurückgreifen können. So kann Oscar beispielsweise problemlos extrem heiße oder unter Strom stehende Gegenstände anfassen. Eingesetzt werden die Geister und deren Fähigkeiten in der Regel wie ganz normale Inventargegenstände. Nur in einem einzigen Fall können Sie die direkte Kontrolle über den Geist übernehmen. Doch auch dann steht Ihnen "nur" die Spezialfähigkeit des Geistes zur Verfügung. Kooperative Rätsel gibt es leider nicht, dafür aber glücklicherweise auch keine nervigen Minispiele. "Haunted" beschränkt sich auf klassische Kombinationsrätsel und einige wenige Multiple-Choice-Dialogrätsel.

Wie im Genre mittlerweile Standard verfügt auch "Haunted" über eine optionale Hotspot-Anzeige. Dazu kommt noch eine Rätselhilfe in Form des Geisterpiraten Oscar. Sobald dieser sich zu Ihnen gesellt hat, können Sie ihn jederzeit um Rat fragen. Zu Spielbeginn stehen Ihnen drei Schwierigkeitsgrade zur Verfügung, die sich allerdings nur auf die zur Verfügung stehenden Spielhilfen auswirken. Sie können die Hilfefunktionen aber auch jederzeit im Optionsmenü an- oder abschalten.

Aber selbst bei deaktivierter Rätselhilfe ist "Haunted" nicht wirklich fordernd. Das Spiel winkt mit so vielen Zaunpfählen, dass es schon fast weh tut. So wissen Sie zu jeder Zeit genau, was Sie als Nächstes erledigen müssen – oft leider auch etwas zu genau. Geübte Spieler haben das Spiel dann auch an einem Nachmittag durch. Wenn Sie einmal länger nachdenken müssen, dann, weil "Haunted" mitunter einer eigenartigen Logik folgt. So lassen sich etwa Kerzen nicht mit Wasser löschen, sondern nur durch Anfassen.

Grafik

Das Spiel basiert genau wie "Black Sails" auf der Pina-3-Engine, deren Vorgänger schon in "Jack Keane" und den "Ankh"- und "Luka"-Spielen zum Einsatz kamen. Wie von Deck 13 gewohnt, sind sowohl die Charaktere als auch die Umgebungen komplett in 3D modelliert und werden in Echtzeit berechnet. Die Zwischensequenzen laufen in der Spielgrafik ab, vorgerenderte Videos gibt es nicht.

Auch "Haunted" nutzt den für Deck 13 typischen comicartigen Grafikstil. Der Detailgrad der Texturen und Modelle zieht im Vergleich zu modernen Ego-Shootern zwar den Kürzeren, kann sich für ein Adventure aber durchaus sehen lassen. Verglichen mit "Black Sails" hat sich da eine ganze Menge getan. Garniert wird das Ganze noch mit vielen hübsch anzusehenden Shader-Effekten, wie etwa Hitzeflimmern über heißen Gegenständen und strahlenden Geistern. Auch die Schatten der Figuren werden realistisch und in Abhängigkeit der Beleuchtung der Szene dargestellt. Insgesamt merkt man deutlich, dass in den letzten Monaten viel Arbeit in die Grafik gesteckt wurde.

Bei all diesen physikalisch korrekten Details muss allerdings die Frage gestattet sein, wie beispielsweise ein durchsichtiger Geist überhaupt einen Schatten werfen kann, oder warum sich etwa der Rauch einer Zigarre mit dem Raucher mit bewegt, statt frei in der Luft aufzusteigen. Dazu kommen noch sporadisch auftretende Clipping-Fehler, die aber auch nicht weiter störend sind.

In der Verkaufsversion fehlen übrigens auf der höchsten Detailstufe sämtliche Umgebungstexturen für das fünfte und das Bonuskapitel. Der bereits zum Verkaufsstart erhältliche Patch sollte das Problem jedoch beheben. Alternativ können Sie auch die Detailstufe der Texturen reduzieren. Wenn Sie die allgemeinen Details auf die niedrigste Stufe setzen, werden alle Szenen und Objekte vollkommen gleichmäßig ausgeleuchtet und die Geister büßen ihre Transparenz ein, so dass viel von der Atmosphäre verloren geht. Sie sollten daher bei Performance-Problemen zuerst das Anti-Aliasing, die Vollbild-Effekte und die Texturdetails herunterregeln und nur als allerletzte Maßnahme die niedrigste Detailstufe wählen.

Ohrenschmaus oder Ohrengraus?

Hier erwartet den Spieler gewohnt gute Kost. Wie in fast jedem Adventure von Deck 13 ist auch dieses Mal wieder Thomas Danneberg (die deutsche Stimme von John Cleese) mit von der Partie. Wer die Fernsehserie "Scrubs – Die Anfänger" kennt, wird noch weitere vertraute Stimmen vernehmen, wie etwa die von Dr. Cox (Bernd Vollbrecht) und seiner Ex-Frau Jordan (Andrea Kathrin Loewig). Die Sprecher passen zu den Charakteren und die Betonung geht auch in Ordnung.

Die musikalische Untermalung ist zwar vorhanden, hält sich aber größtenteils angenehm zurück. Dafür kommen atmosphärische Hintergrundgeräusche, wie Donnergrollen, Wolfsgeheul und Ähnliches, besser zur Geltung. An vielen Stellen im Spiel können Sie zudem Gespräche zwischen anderen Personen, wie etwa den Geistern aus Ihrer Mannschaft, belauschen. Leider gibt es aber auch beim Sound wieder Grund zum Nörgeln: In einigen Zwischensequenzen stimmen Bild und Ton nicht überein und manchmal werden Sätze zu früh abgebrochen oder gar doppelt abgespielt. Außerdem sind ein paar der oben erwähnten Hintergrundgespräche sehr kurz und wiederholen sich dann ständig, was Ihnen als Spieler mitunter ziemlich auf den (Achtung, Wortspiel) Geist gehen kann.

"Haunted" ist ein gutes und durchaus amüsantes Spiel, aber es fehlt in vielerlei Hinsicht der nötige Feinschliff zu einem echten Hit. Ich hätte mir vor allem eine ausgereiftere Bild-Ton-Synchronisierung und anspruchsvollere Rätsel gewünscht. In diesem Zusammenhang hätte man gut das Konzept der unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade aufgreifen und die oft zu eindeutigen Kommentare zumindest auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad abschalten können. Wenn Sie witzige Adventures im Stil von "Ankh", "Sam & Max" oder "Monkey Island" mögen und Sie über die kleinen Schwächen wie die durch Kameraschwenks erschwerte Steuerung, den nicht ganz zum Bild passenden Ton und die mitunter zu einfachen Rätsel hinwegsehen können, dann wird Ihnen sicher auch "Haunted" gefallen. Falls Sie noch unentschlossen sind, können Sie sich auch anhand der etwa 1 Gigabyte großen Demo selbst ein Bild vom kompletten ersten Kapitel des Spiels machen, das aber wie eingangs erwähnt vom Gruselfaktor nicht repräsentativ für den Rest des Spiels ist. Wer sich lieber gruseln möchte, sollte sich besser einen Teil aus der "Black Mirror"-Trilogie zulegen.

(08.09.2011)

- Prozessor: Pentium 2,4 GHz

- Grafikkarte: Shader-2a-kompatibel (Nvidia: GeForce 6800 oder besser; ATI: Radeon X1600 oder besser)

- Grafikspeicher: 128 MB VRAM

- Speicher: 512 MB RAM (Windows XP), 768 MB RAM (Windows Vista, Windows 7)

 

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