Scarface

Scarface (Wii)

(Sierra)

geschrieben von Roland Kindermann

 

 
Entwickler: Radical Entertainment
Publisher: Sierra
Genre: Actionspiel
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Scarface
Preis: 44,95 €
Altersfreigabe: Keine Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG

Bereits 1932 erschien der Film "Scarface", dessen Geschichte von dem Leben Al Capones inspiriert war. 1982 wurde dann ein gleichnamiges Remake mit Al Pacino gedreht, in dem die Handlung kurzerhand ins Miami der Achtzigerjahre verlegt wurde. Es erzählte vom Aufstieg und dem Fall des kubanischen Einwanderers Tony Montana in einer Welt aus Drogen und Gewalt. Trotz der teils extremen Gewaltdarstellung des in der Originalfassung indizierten Films hat dieser bis heute eine treue Fangemeinde. Grund genug für Sierra, 2006 ein Lizenz-Spiel zu veröffentlichen. Zusätzlich zu den damals erschienenen Versionen für PC, Playstation 2 und Xbox erscheint nun auch eine Wii-Fassung.

"Scarface" erzählt nicht die Geschichte des Films, sondern beginnt mit einer leicht abgewandelten Version von dessen Endsequenz. Tony Montana ist reich und mächtig, hat sich jedoch mit den Menschen, die ihm wichtig waren, überworfen. Sein ehemaliger Geschäftspartner, der Drogenbaron Sosa, schickt seine Handlanger in Tonys Luxusvilla, um ihn zu töten. Er greift sich ein großkalibriges Gewehr und schießt sich - gesteuert von Ihnen - durch Horden angreifender Feinde.

Wenn Sie die furiose Einleitung des Spiels hinter sich gebracht haben, hat Tony Montana außer seinem Leben nicht viel gerettet. Seine Villa wurde von der Polizei beschlagnahmt und der Drogenhandel ist in die Hände anderer Gangster übergegangen. Ihre Aufgabe besteht also darin, die alte Macht und den Reichtum zurückzuerlangen. War "Scarface" bis zu diesem Punkt ein reiner Third-Person-Shooter, so gesellt sich nun mit dem Steuern von Autos und Booten ein weiteres Spielelement hinzu. "Scarface" orientiert sich grob an den Spielen der "GTA"-Reihe. Dementsprechend können Sie Miami auch vollkommen frei erforschen.

Egoshooter-Steuerung

Wenn Sie zu Fuß unterwegs sind, sehen Sie Tony Montana zwar aus der dritten Person, steuern ihn jedoch ähnlich wie die Helden in den Wii-Egoshootern, wie beispielsweise "Red Steel". Mit dem Analogstick des Nunchucks bewegen Sie sich vor-, rück- und seitwärts. Mit der Wiimote zielen Sie, indem Sie auf den Bildschirm zeigen. Bewegen Sie das Fadenkreuz an den Rand des Bildes, dreht sich die Ansicht in die entsprechende Richtung. Wie groß dieser Bereich ist, können Sie durch die Auswahl von drei verschiedenen Konfigurationen festlegen. Intelligenterweise werden Sie zu Beginn des Spiels gezwungen, die verschiedenen Optionen auszuprobieren, sodass Sie von Anfang an mit einer auf Sie angepassten Steuerung spielen.

Automatische Zielhilfe

"Scarface" übernimmt die Steuerung anderer Shooter jedoch nicht nur, sondern verbessert sie mit vielen guten Ideen. So drehen Sie die Kamera beispielsweise um 180 Grad, indem Sie das Steuerkreuz nach unten drücken. Wesentlich wichtiger noch ist die Möglichkeit, Gegner durch Drücken und Halten des "Z"-Triggers anzuvisieren, was insbesondere über größere Entfernungen sinnvoll ist. Im Nahkampf hingegen ist es oft vorteilhaft, manuell zu zielen. Nur so wird es beispielsweise ermöglicht, mit der Shotgun mehrere Feinde auf einmal zu erledigen, oder mit dem Sturmgewehr eine ganze Gruppe von nebeneinanderstehenden Gegnern in kurzer Zeit niederzustrecken. Wenn Sie Ihre Waffe aus der Hand legen und eine Zeit lang die Remote nicht bewegen, schaltet "Scarface" in einen anderen Steuerungsmodus, in dem Sie mit dem Nunchuck nicht mehr seitwärts gehen, dafür aber die Kamera nach links und rechts drehen können. Diese Funktion ermöglicht es Ihnen, zwischendurch immer mal wieder die Fernbedienung sinken zu lassen und Ihren Arm zu entspannen. Insbesondere bei längeren Spielsitzungen bleibt Ihnen so ein lahmer "Red Steel-Arm" erspart.

Keine Experimente

Abgesehen von dem gut funktionierenden und präzisen Zielsystem hat Radical Entertainment auf Experimente mit dem Wii-Controller verzichtet. Nur beim Fluchen und Hupen, die durch ein Schütteln des Nunchucks ausgelöst werden, und dem Faustkampf, bei dem Sie mit der Remote Hiebe austeilen, werden die Bewegungssensoren verwendet. Insbesondere im Auto spielt sich "Scarface" für die Wii deshalb mehr oder weniger gleich wie auf den anderen Plattformen. Mit "A" können Sie Gas geben, mit "C" bremsen. Mit dem Analogstick lenken Sie, was aufgrund der ebenso simplen wie gutmütigen Fahrphysik nicht besonders schwer ist. Wenn Sie mit "Links" oder "Rechts" im Fahrzeug eine Waffe auswählen, können Sie, ebenso wie zu Fuß, entweder mit der Remote zielen, oder den Feind mit "Z" aufschalten. Dies funktioniert ausgezeichnet und macht motorisierte Gefechte wesentlich unterhaltsamer und weniger frustrierend als beim großen Konkurrenten "GTA".

Legale Investitionen

Vier Stadtviertel, die nacheinander freigeschaltet werden, sind zu übernehmen, um Miami zurückzuerobern. Dazu müssen Sie zunächst ansässige Betriebe wie einen Plattenladen oder ein Autokino aufkaufen. Allerdings funktioniert das erst, nachdem Sie in einer Mission dem Vorbesitzer einen Gefallen erweisen. Dabei fallen die Aufgaben recht abwechslungsreich aus und reichen vom Ausliefern von Waren unter Zeitdruck über wilde Verfolgungsjagden bis hin zur Verteidigung des Ladens gegen anstürmende Feindeshorden.

Drogenhandel per Minispiel

Wenn Sie einen Ladenbesitzer vom Verkauf seines Besitzes überzeugt haben, müssen Sie noch immer das nötige Geld aufbringen. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig. Wenig effizient, aber dennoch eine willkommene Abwechslung, ist, an Straßenrennen teilzunehmen. Das meiste Geld in kurzer Zeit lässt sich mit dem Drogenhandel verdienen. Dazu müssen Sie zunächst einmal eine Zufallsmission einer Kontaktperson erfüllen. Dabei fällt Ihre Aufgabe zwar nicht immer gleich aus, nach relativ kurzer Zeit werden Sie jedoch die wenigen verschiedenen Einsatztypen kennen. Danach wird ein Drogendealer freigeschaltet, zu dem Sie fahren müssen. Wenn Sie ihn ansprechen, müssen Sie in einem Minispiel zweimal zum richtigen Zeitpunkt den "A"-Button drücken. Je besser Ihnen dies gelingt, desto mehr Drogen bekommen Sie für einen festen Geldbetrag. Zu guter Letzt müssen Sie das Rauschgift in kleineren Portionen an andere Dealer weitergeben. Dazu suchen Sie auf der Minimap nach einem Handelspartner. Dort angekommen bestimmen Sie - wieder in dem bereits bekannten Minispiel - den Verkaufspreis. Falls Ihnen das zu langwierig ist, können Sie auch die gesamten Drogen in einem Ihrer Geschäfte abliefern. Dann fallen Ihre Einnahmen allerdings niedriger als der maximal erzielbare Betrag aus. Später schlagen Sie die Drogen dann nur noch kiloweise um, was nicht nur einträglicher, sondern auch spannender ist.

Versandhandel für Gangster

Ein echter Gangsterboss investiert sein Geld nicht nur in Unternehmen, sondern auch in teure Luxusobjekte. Und da Tony Montana ein echter Gangsterboss ist, können Sie Ihre sauer verdiente Kohle auch beispielsweise in den Ausbau und die Möblierung Ihrer Villa stecken. Wesentlich praktischer sind Autos und Boote, mit denen ein netter Fahrer Sie auf Wunsch blitzschnell an jeden Ort in Miami bringt. Dabei überzeugen die von Ihnen gekauften Fahrzeuge nicht nur mit besonders guten Geschwindigkeits- und Panzerungswerten, sondern ersparen Ihnen auch das Stehlen fremder Vehikel und somit unnötigen Ärger mit der Polizei. Einziger Wermutstropfen sind die Reparaturkosten nach wilden Verfolgungsjagden, die Sie bei eigenen Autos selbst tragen müssen. Wenn Sie genügend Prestigeobjekte gekauft haben, steigt Ihr Ruf und neue Gegenstände werden freigeschaltet.

Ärger mit der Polizei

Standesgemäß gerät Tony Montana regelmäßig in Konflikt mit dem Gesetz. Wie stark Sie die Ordnungshüter mit Ihren Taten verärgert haben, zeigt ein "Sichtbarkeitsanzeige" genannter Balken, der um die Minimap verläuft, an. Bei kleineren Vergehen füllt er sich langsam, bleibt aber weiß. Dann werden Sie zwar gesucht, die Polizei ist aber noch zu Gesprächen bereit. Falls Sie in dieser Phase erwischt werden, können Sie sich immer noch - in dem bereits bekannten Minispiel - herausreden. Um die Sichtbarkeit wieder auf null zu senken, müssen Sie sich einfach nur eine Weile unauffällig verhalten. Wenn Sie schwerere Verbrechen begehen, beispielsweise auf die Polizei schießen, sich dauerhaft Ihrer Verhaftung widersetzen oder sich auch nur die kleinen Fehltritte genügend häufen, wird der Balken rot und die Polizei geht kompromisslos gegen Sie vor und versucht, Sie zu erschießen. Nun ist es Zeit, sich davonzumachen. Dazu müssen Sie zunächst aus einer Zone um den Ort Ihres Verbrechens entkommen und dann noch alle Verfolger abschütteln - oder gar erschießen. Gelingt Ihnen dies nicht, bevor der stetig hochlaufende rote Balken das Ende der Skala erreicht hat, verschwindet das HUD und Sie werden von der Polizei erschossen, ohne dass Sie noch eine Möglichkeit hätten, dies zu verhindern.

Dauerhafte Konsequenzen

Ein Polizistenmord vereinfacht zwar die Flucht enorm, sollte aber dennoch der letzte Ausweg sein, da er den Polizeidruck stark erhöht. Er bestimmt, wie entschlossen die Gesetzeshüter gegen Sie vorgehen, wenn Sie gesucht werden. Ist der Druck sehr niedrig, brauchen Sie bei weißer Sichtbarkeitsanzeige nicht besonders aufzupassen. Bei hohem Druck hingegen schickt man sofort Streifen, die aktiv nach Ihnen suchen. Die einzige Möglichkeit, den Druck wieder zu verringern, ist Bestechung. Dabei müssen Sie nicht selten den Gegenwert eines Autos ausgeben.

Ähnlich wie der Polizeidruck funktioniert der Gang-Druck. Er steigt, wenn Sie feindliche Ganoven erschießen. Dies bewirkt zunächst, dass auf der Karte verteilte Banden Sie angreifen, wenn Sie in die Nähe kommen. Lassen Sie sich auf ein Gefecht ein, können Sie eine Gang vertreiben, indem Sie alle angreifenden Gegner erledigen. Gelingt dies, so können Sie den entsprechenden Ort in Zukunft unbesorgt betreten, da die Feinde nie wieder auftauchen. Steigt der Gang-Druck noch höher, werden sogar Ihre Geschäfte attackiert. Dann müssen Sie schnell zur Verteidigung herbeieilen und hinterher die nötigen Reparaturen bezahlen.

Schmutziges und sauberes Geld

Wesentlich durchdachter als beim großen Konkurrenten "GTA" ist das Speichersystem von "Scarface". Sichern können Sie Ihren Spielstand in den, in ausreichender Anzahl vorhandenen, Banken. Praktischerweise wird nebenbei auch noch Ihr Geld auf Ihr Konto eingezahlt. So wird per Geldwäsche aus gefährdetem Bargeld sicher verwahrtes, sauberes Geld. Dabei müssen Sie einen gewissen Prozentsatz an Gebühren zahlen. Wie viel dies ist, hängt - Sie ahnen es schon - davon ab, wie Sie in dem allgegenwärtigen Minispiel abschneiden. Wenn Sie einmal sterben oder verhaftet werden, verlieren Sie dabei nur das "schmutzige" Bargeld und Ihre Drogen. Alle Waffen und der Inhalt Ihres Kontos bleiben erhalten. So sind Sie fast nie gezwungen, einen Spielstand zu laden.

Waffenschrank im Kofferraum

Beim Waffenarsenal setzt "Scarface" auf Altbewährtes. Neben der obligatorischen Kalaschnikow gibt es beispielsweise ein Scharfschützengewehr, eine Maschinenpistole, ein Schrotgewehr und einen Granatwerfer. Sie können maximal drei verschiedene Typen auf einmal bei sich tragen. Nicht benötigte Exemplare können Sie in Ihrem Waffenschrank - auf den Sie auch über die Kofferräume Ihrer Autos zugreifen können - ablegen und später wieder abholen. Sobald Sie einen Waffenhändler beschäftigen, können Sie jederzeit Ihr Arsenal auffüllen und gegen größere Beträge auch Verbesserungen wie Schalldämpfer oder eine Aufwertung der Zielgenauigkeit kaufen.

Groß, aber teils farblos

Die Engine von "Scarface" ist durchaus beeindruckend, da Sie erstmals auf der Wii eine große, frei befahrbare Stadt darstellt. Sowohl der Detailgrad als auch die Sichtweite können sich dabei sehen lassen. Lediglich wenn Sie mit dem Boot unterwegs sind, ist die Umgebung farblos, trist und teils arg leer. Negativ fällt auch auf, dass außer den ansehnlichen, aber nicht besonders beeindruckenden Echtzeitschatten, keine Grafikeffekte verwendet wurden. Insbesondere die matten Autolacke wirken recht unansehnlich. Miami wirkt aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Fußgängern und Autofahrern recht belebt. Ein weiteres Highlight der Engine sind die ohne Ladepause betretbaren Gebäude.

Hervorragende Sprecher

Ein großes Highlight in "Scarface" ist die Synchronisation. Sie erreicht durchweg Kino-Niveau und wirkt stets glaubwürdig. Allerdings sprechen alle Akteure ausschließlich Englisch. Um alles zu verstehen, sind aufgrund der großen Anzahl von Slangwörtern und Flüchen fortgeschrittene Sprachkenntnisse notwendig. Falls Sie über diese nicht verfügen, können Sie ordentlich übersetzte Untertitel aktivieren, die trotz der schwierigen Texte nur gelegentlich kleinere Fehler enthalten. Die Soundeffekte entsprechen dem Genre-Durchschnitt, hinterlassen jedoch keinen bleibenden Eindruck. Bei der Hintergrundmusik bestimmen Sie dank eines komfortablen Menüs, in dem alle Titel einzeln angewählt und sogar Playlists erstellt werden können, selbst, was Sie hören. Dabei steht eine große Anzahl bekannter Songs von berühmten Interpreten wie Cypress Hill oder Johnny Cash zur Verfügung.

Fazit

"Scarface" punktet vor allem mit einem durchdachten Kampfsystem und einer gelungenen Wii-Steuerung, die gerade deshalb so gut funktioniert, weil sie die Möglichkeiten der Wii nur dezent einsetzt. Abgesehen davon ist "Scarface" dasselbe motivierende Spiel wie auf den anderen Plattformen. Lediglich die an sich gelungenen Zufallsmissionen nerven auf Dauer ein wenig. Wer ein komplexeres Wii-Actionspiel abseits der ausgetretenen Minispiel-Pfade sucht - und die teils heftige Gewaltdarstellung verträgt - kann bei "Scarface" bedenkenlos zugreifen.

(26.07.2007)

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