Rush for Berlin

Rush for Berlin

(Deep Silver)

geschrieben von Carsten Werner

 

Wer hat sich nicht schon einmal die berühmte Frage "Was wäre, wenn …?" gestellt? Was hätte man in seinem Leben besser oder anders machen können, welche Ereignisse wären vermieden worden oder wie würde die Zukunft heute aussehen? Ein Thema, das nicht nur Gelehrte, sondern uns alle seit Jahren beschäftigt, ist natürlich der Verlauf des Zweiten Weltkrieges. Wie würde die Erde heute aussehen, wenn Hitler die Sowjetunion besiegt hätte; wie wäre die Nachkriegsgeschichte verlaufen, hätten die Amerikaner Berlin erobert und nicht die Russen? Was wäre geschehen, hätten Deutsche und Alliierte einen Waffenstillstand geschlossen, so wie es Nazi-Größen wie auch namhafte Deutsche wiederholt vorschlugen? In Stormregions "Rush for Berlin" hat man die Möglichkeit, Geschichte neu zu schreiben und den Krieg zu einem anderen Ende zu führen.

Die Panzer rollen wieder

Als inoffizieller Nachfolger der Erfolgsserie "Codename: Panzers" erfindet "Rush for Berlin" das Strategie-Rad nicht neu, sondern besinnt sich auf die Stärken der Vorgänger, versucht aber, sie in allen Belangen zu übertreffen. Als Kommandeur hat man die Aufgabe, die üblichen Genreverdächtigen, die Deutschen, Sowjets oder Amerikaner zum Sieg zu führen und in heißen Schlachten den Gegner zu schlagen. Als willkommene Abwechslung dürfen in der vierten Kampagne auch die Franzosen ihren Part zur Befreiung leisten und gegen die deutschen Besatzer kämpfen.

Während man sich während der Kampagne der Russen noch an den geschichtlichen Gegebenheiten orientiert und den langen Weg nach Berlin nachspielt, die "Seelower Höhen" überwindet, ein Bergwerk erobert und schließlich Berlin überrennt, entfernt sich das Spiel in den anderen Feldzügen getreu dem Motto "Rush for Berlin" bereits ein gutes Stück von der Realität und so steht am Ende der Angriff der Amerikaner auf Berlin selbst. Die Missionen der Deutschen waren bisher immer etwas langweilig und obwohl sie in keinem Spiel fehlen durften, waren ihre Aktionsmöglichkeiten doch arg begrenzt. In "Rush for Berlin" haben die Entwickler jedoch ein erstaunliches Maß an Kreativität an den Tag gelegt und ein Szenario ersonnen, damit sich auch dass Spielen der deutschen Seite endlich einmal spannend gestaltet. Hier führt der Weg nicht auf die Schlachtfelder der Jahre 1939 bis 1941, sondern man beginnt im Jahr 1944 und versucht zu retten, was noch zu retten ist.

Willkommen zu Hause

Wer "Codename: Panzers" oder "Afrika Korps vs. Desert Rats" gespielt hat, wird sich bei "Rush for Berlin" sofort heimisch fühlen. Nach der Installation (inklusive "StarForce", der "Allzweckwaffe" gegen Raubkopierer) findet man sich im Hauptmenü wieder, wo man die Kampagne startet. Ein Skirmish-Modus steht nicht zur Verfügung, genauso wenig ein Karteneditor. Während der ersten Minuten macht man sich in einem Trainingslager in England fit für den Kampfeinsatz und lernt, die tadellos funktionierende Kamerafunktion zu bedienen. Mit ihr ist nicht nur ein Drehen und Kippen des Schlachtfeldes möglich, sondern man kann auch ausreichend weit aus dem Geschehen herauszoomen, um den Überblick über die teils riesigen Gefechte zu behalten.

Gleichzeitig lernt man eine wichtige spielerische Neuerung kennen, die es während der Kampagnen ermöglicht, neue Einheiten auszuheben und Verluste auszugleichen. Zu diesem Zweck sind auf vielen Karten Fabriken, Kasernen oder Hauptquartiere platziert, die, vorausgesetzt man schafft es, diese zu erobern, die Produktion von Fußsoldaten oder Panzern erlauben. Dies stellt im Vergleich zu den Vorgängern eine erhebliche Erleichterung dar, da nun Verluste teilweise ausgleichbar sind. Anders als in Konkurrenztiteln werden keine Ressourcen benötigt, kein Öl oder Metall, einzig die Zeit zum Ausbilden muss aufgebracht werden. Anhänger der Holzhammer-Methode sollten jedoch nicht zu früh jubeln. Zum einen werden einige der Einheiten in die Kernarmee, jene Streitkräfte, die von Mission zu Mission den Spieler begleiten, übernommen und gewinnen so Erfahrung und werden schlagkräftiger. Deren Zerstörung wirkt sich auch negativ auf Ihr Zeitkonto aus, genauso wie die übermäßige Produktion von Fahrzeugen.

Das Zeitkonto ist eine weitere Neuerung in "Rush for Berlin". Diese allgegenwärtige Leiste am oberen Bildschirmrand gibt den Erfolg während einer Mission an. Durch die Erfüllung diverser Neben- und Geheimaufträge oder das Eliminieren von Gegnern füllt man das Punktekonto auf, zu langes Zögern, hohe Verluste oder übermäßige Truppenproduktion lässt das Punktekonto hingegen rapide sinken. Was auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad noch zu verkraften ist, wird im höchsten Schwierigkeitsgrad zum ernsten Problem und ein gnadenloser Wettkampf gegen die Uhr beginnt, so dass man versteht, warum der Titel "Rush for Berlin" heißt, denn wer hier Zweiter ist, hat schon verloren. So hangelt man sich durch die Einsätze, erobert Stützpunkte, verteidigt Stellungen, erobert Uran-Minen, findet in einem unterirdischen Komplex die Bundeslade oder tötet Feinde, die einem Bauern den Knoblauch stehlen. Stormregion hat nicht mit Humor gespart, was den Schlachtalltag deutlich auflockert. Leider werden diese Meldungen und Geschichten nur in Textform präsentiert.

Infanterie vor!

Waren in den Vorgängern und Konkurrenztiteln noch Panzer die wichtigsten Kampfmittel, so hat sich dies in "Rush for Berlin" deutlich geändert. Fast alle Infanteristen haben nun effektive Waffen gegen gepanzerte Einheiten spendiert bekommen: Fallschirmjäger benutzen Dynamit, Infanteristen operieren mit Haftladungen und Pioniere machen Kettenfahrzeuge durch Minen bewegungsunfähig. Um nicht von den Panzern niedergewalzt zu werden, können sich die Einheiten auch kriechend fortbewegen und so ist es selbst mit wenigen Truppen möglich, Stahlmonster wie den "Tiger" oder den "IS-2" auszuschalten. Die Infanteristen sind darüber hinaus wahre Autodiebe und können jedes beliebige Fahrzeug übernehmen und selbst steuern - ein Vorteil, der vor allem in den zahlreichen Missionen ohne eigenen Nachschub wichtig wird. Jedoch kommt es im Endeffekt immer auf eine gesunde Mischung von Infanterie, Panzern und Artillerie an, um erfolgreich zu sein und die zahlreichen Medaillen einzuheimsen.

Schweres Kriegsgerät

Trotz der massiven Aufwertung der Infanterie, die vor allem in den zahlreichen Kämpfen in Städten nicht zu schlagen ist, spielen Panzer und die Luftwaffe weiterhin eine enorm wichtige Rolle. Aufklärer markieren Ziele, taktische Bomber greifen gepanzerte Einheiten im Sturzflug mit Bordwaffen an und strategische Bomber zerpflügen das Schlachtfeld und richten bei der Infanterie ein Blutbad an. Auch dem Fan von Fahrzeugen werden jede Menge Spielzeuge geboten. Neben Hilfsfahrzeugen wie dem Versorgungs-LKW oder Truppentransportern sind es vor allem die zahlreichen Panzer und Artillerieverbände, die für gute Stimmung sorgen. Hier sind wirklich alle namhaften Kettenfahrzeuge der Epoche vertreten - sei es der deutsche Panzer IV, der amerikanische Sherman oder der T-34 der Sowjets. Aber auch experimentelle Fahrzeuge wie der nie gebaute Superpanzer Maus stehen zur Verfügung und richten mächtigen Schaden an.

Jedoch sind Panzer nicht überall effektiv. In Städten werden sie in wenigen Sekunden zerstört und in Wäldern mähen sie zwar jeden Baum um, brauchen jedoch enorm lange, um sich den Weg zu bahnen. Gelangen die gepanzerten Einheiten jedoch auf offenes Gelände, das zuvor von einem Scharfschützen oder Aufklärungsflugzeug erkundet wurde, können sie ihre Stärke voll ausspielen: Sie zerlegen Panzer, Infanteristen sowie Gebäude physikalisch korrekt in ihre Einzelteile.

Der Offizier - ein Helfer in allen Notlagen

Spätestens seit "Warcraft 3" ist eine Personengruppe nicht mehr aus Echtzeitstrategietiteln wegzudenken - die Helden. Diese mutigen Männer und Frauen nehmen es mit ganzen Armeen auf, zerstören Gebäude im Handumdrehen und erlangen im Laufe der Gefechte enorme Fähigkeiten. So verwundert es nicht, dass diese Supermänner und -frauen ihren Weg auch in "Rush for Berlin" gefunden haben. Jedoch sind sie bei weitem nicht so stark und spielentscheidend wie ihre Vorbilder in "Earth 2160" oder "Warcraft 3". Vielmehr sind die Offiziere zwar eine nette Ergänzung, in größeren Schlachten haben sie jedoch nur geringen Einfluss. Jede Partei verfügt über drei verschiedene Offiziere, die unterschiedliche Vorteile mit sich bringen und deren Effizienz durch Erfahrung schnell wächst. Dass ein Leveln der Offiziere von Nutzen sein kann, zeigt das Panzerass der Deutschen, welches nach Erreichen der höchsten Ebene ein Kampffahrzeug mit einem einzigen Schuss zerlegen kann oder der Ranger der Amerikaner, der ein feindliches Fahrzeug übernimmt, nachdem er die Besatzung ausgeschaltet hat. Da auch die Offiziere ein Teil der Kernarmee sind, sollte das Überleben dieser Spezialisten für Sie höchste Priorität besitzen.

Wo bitte geht es nach Berlin?

Seit jeher war Wegfindung und die künstliche Intelligenz ein Problem in Computerspielen. Schnell sind auch bei den besten Gegnern die Routen und Truppenzusammensetzungen herausgefunden und Gegenmaßnahmen stellen kein Problem mehr dar. Lässt sich damit noch einigermaßen leben, so ist die unzulängliche Wegfindung der eigenen Einheiten in "Rush for Berlin" ein echtes Ärgernis. Nicht selten kommt es vor, dass Einheiten sich verheddern und stecken bleiben oder dass Panzer ohne jede Gegenwehr zerstört werden, weil sie den Gegner nicht sehen können. Auch reagieren Truppen mitunter recht störrisch auf Ihre Befehle, wodurch ein Mikromanagement sehr schwierig wird. Hier wäre deutlich mehr machbar gewesen, wie auch andere Spiele beweisen.

Wer kommt mit nach Berlin?

Viel Wert hat Stormregion auf die Weiterentwicklung des Mehrspielermodus gelegt, der bereits in den Vorgängern für vergnügliche Stunden und wilde Panzerschlachten gesorgt hat. Doch auch die größte Panzerschlacht wird schnell langweilig weswegen mit den Modi "R.U.S.H." und "R.I.S.K." neue taktische Möglichkeiten für Spielspaß mit menschlichen Gegnern geschaffen worden sind. Im R.I.S.K.-Modus hat man die Aufgabe, bestimmte geheime Ziele auf der Karte zu erfüllen, während der menschliche Gegner seinerseits ebenfalls Aufgaben zu erledigen hat, die es zu verhindern gilt. Der Name R.U.S.H. hingegen hat nichts mit dem berühmten Angriffsmanöver anderer Onlinetitel zu tun, vielmehr ist es hier die Aufgabe, bestimmte Punkte zu erobern, die der Computer verteidigt. Die anderen Mitspieler haben die gleiche Aufgabe und so bleibt es jedem selbst überlassen, ob er sich zunächst mit dem Mitspieler verbündet und ihm später in den Rücken fällt oder ob er ihn lieber sofort angreift. Hier passt der Titel "Rush for Berlin" perfekt, denn nur derjenige kann gewinnen, der als Erster im Ziel ist. Ob diese Modi Erfolg haben werden, muss man abwarten. Eine Einschätzung ist zur Zeit noch nicht möglich, es bleibt aber zu hoffen, dass genügend Spieler diese unterhaltsamen Möglichkeiten nutzen werden.

Besser als im Kino

Ein Hochgenuss von "Rush for Berlin" ist die Grafik, wovon man sich anhand der Screenshots sicher überzeugen kann. Das Spiel verwendet die gleiche Engine, die bei den Vorgängern zum Einsatz kam und schon damals für sehr gute Ergebnisse sorgte. Für "Rush for Berlin" wurde sie jedoch rundum erneuert, um mit aktuellen Toptiteln mithalten zu können - und dies ist in jeder Hinsicht gelungen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Panzer Bäume aus dem Boden reißen, Artilleriefeuer Löcher in die Erde sprengt, Häuser in sich zusammenfallen oder Bomber gewaltige Explosionen auslösen. Die Welt scheint lebendig zu sein - Soldaten kratzen sich am Rücken und mittels der Zoomfunktion kann man sich bis an die Schweißnähte der Panzer nähern. Dieses Fest für die Augen setzt jedoch ein Top-System voraus und selbst mit aktueller Hardware ruckelt das Spiel bei den zahlreichen Massenschlachten wie bei den "Seelower Höhen" oder beim Angriff auf Ostpreußen. Dann hilft nur, die Grafikdetails etwas zu reduzieren, was der Optik jedoch nicht wesentlich schadet. Selbst auf älteren Rechnern sieht das Spiel immer noch hervorragend aus.

Ein weiteres Highlight sind die zahlreichen Zwischensequenzen, die die Missionen einleiten oder über wichtige Ereignisse informieren, denn die kleinen Video-Schnipsel haben fast schon Filmcharakter. Unschärfeeffekte, schnelle Schnitte und markante Explosionen vermitteln den Eindruck, als ob ein Kriegsfilm aus Hollywood über den Bildschirm läuft.

Ohne Tadel ist ebenfalls die Musik. In ereignislosen Zeiten herrschen ruhige Klänge vor, kommt es jedoch zum Kampf, werden die Stücke düsterer und schneller und sind eine perfekte Untermalung des Geschehens auf dem Schlachtfeld. Die Stimmen, der Waffenlärm und die Fahrzeuggeräusche sind realistisch und imponieren durch satten Klang und authentische Sprecher. Einzig die Stimme Adolf Hitlers ist gewöhnungsbedürftig, was man wohl eher dem Humor der Entwickler zuschreiben sollte. Aber Hitler hat ohnehin nicht viel zu sagen.

Als Nachfolger von "Codename: Panzers" musste "Rush for Berlin" schon einiges aufbieten, um der Konkurrenz aus dem eigenen Haus zu entgegen zu treten. Dieses Kunststück ist Stormregion auf der ganzen Linie gelungen. Das Spiel ist spannend, die Missionen sind unterhaltsam und fordernd und die Grafik ist einfach umwerfend. Es ist kaum zu beschreiben, wenn eine Panzerarmee auf breiter Front gegen den Feind vorgeht oder sich Scharfschützen durch die Straßenschluchten Berlins arbeiten - immer auf der Hut vor dem Gegner oder vor Heckenschützen. Die Videosequenzen sorgen für Dramatik und Action und der Mehrspielermodus bietet viele bislang unbekannte Möglichkeiten.

Einen dicken Minuspunkt verdient jedoch die Wegfindung, die für heutige Verhältnisse doch allzu schlicht umgesetzt wurde. Darüber hinaus ist die Story zwar unterhaltsam, wird jedoch ohne einen nachvollziehbaren inneren Zusammenhang erzählt und dargestellt. Dennoch hat Stormregion alles in allem mit "Rush for Berlin" ein erstklassiges Spiel geschaffen, das seine Vorgänger in nahezu jeder Hinsicht übertrifft und fast alle anderen Vertreter des Genres alt aussehen lässt.

(27.06.2006)

Minimale Anforderungen:

- Windows 2000/WinXP mit SP1

- Pentium 4 1,7 GHz oder vergleichbarer AMD Athlon

- 512 MB Arbeitsspeicher

- DirectX 9.0c kompatible Grafikkarte mit min. 32 MB RAM (ab Radeon 8000 oder GeForce 3)

- Soundkarte

- DVD-Laufwerk

- 4 GB freier Festplattenspeicher

Entwickler: Stormregion
Publisher: Deep Silver
Genre: Echtzeitstrategie
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Rush for Berlin
Preis: 49,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

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