Fussball Manager 06

Fussball Manager 06

(Electronic Arts)

Geschrieben von Michael Jantzer

 

Kaum hat die Bundesligasaison begonnen und die ersten spannenden Spieltage sind absolviert, gibt es kaum noch etwas, das echte Fußballfans genauso begeistert wie eine Samstags-Konferenz. Was könnte spannender sein, als auf den nächsten Trainerrauswurf zu tippen? Vielleicht sich selbst in das Trainerkarussell zu begeben? Alle Fäden in Ihrem Verein in den Händen zu halten und Spieler auf die Bank zu verbannen, die Ihnen jedes Wochenende den letzten Nerv rauben? Kein Problem, denn auch diesen Herbst ist es wieder soweit: Die neueste Version der Traditionsreihe Fussball Manager, für dessen Entwicklung sich seit seinem Weggang von Ascaron der ehemalige Anstoss-Macher Gerald Köhler verantwortlich zeichnet, erscheint auf dem Markt. Durch seine Hand wurden die alljährlichen Versionen des FM kontinuierlich und unter Einbezug der Community konsequent verbessert, die gröbsten Schnitzer und Mängel der Vorgängerversion ausgemerzt und Altbewährtes weiter ausgebaut. Wir haben für Sie den neuesten Teil Fussball Manager 06 auf Herz und Nieren überprüft.

Altbekanntes in schicker neuer Hülle?

Am Beginn Ihrer Managerkarriere hat sich kaum etwas getan. Nachdem Sie grundlegende Einstellungen wie Mitspieleranzahl und Ihre persönlichen Daten (diesmal sogar mit Bild) festgelegt haben, müssen Sie lediglich noch die Länder aussuchen, in denen Sie tätig sein möchten und den Spielmodus (Vereinsauswahl, Karrieremodus oder Neuen Verein gründen) wählen. Einen eigenen Verein müssen Sie nun allerdings nicht mehr unbedingt zu Beginn Ihrer Karriere gründen, sondern können dies jederzeit ohne Probleme vollziehen. Die beim Vorgänger bereits riesige Datenbank soll dieses Mal noch weiter vergrößert worden sein, so dass wohl wirklich jeder seinem Heimatverein zum Weltruhm verhelfen kann. Einen Schwierigkeitsgrad gibt es leider nicht mehr. Zwar ist dieser durchgehend fair und auch für Einsteiger relativ schnell machbar, aber wenn Ihr Team später stark genug ist, fehlen oft größere Herausforderungen.

Während die Einstiegsfunktionen also fast gleich geblieben sind, fällt das neue Oberflächen-Design sofort auf, denn der neue Silber-Grau-Look bietet einen Kontrast zum bunten, verspielten Design des Vorgängers. Was man zunächst als etwas trist und langweilig empfinden könnte, entpuppt sich nach geringer Zeit als idealer Begleiter durch die sehr aufgeräumten Menüs des FM 2006. Anders als im Vorgänger wurde die Anzahl der Fenster und Klicks, die nötig sind, um an eine bestimme Einstellung zu gelangen, durch etliche Komfortfunktionen deutlich verringert. So sorgt zum Beispiel eine generelle Suchmaschine dafür, dass Sie blitzschnell zum gewünschten Verein, Spieler oder Trainer gelangen. Können Sie sich nicht zwischen zwei Kickern entscheiden, verschaffen Ihnen die grafischen Analysen beim Spielervergleich Klarheit. Selbst der komplizierte Finanzbereich, der bisher einige Spieler abgeschreckt hat, wirkt dieses Mal wesentlich übersichtlicher und verständlicher. So müssen Sie zu Beginn einer Saison lediglich Zuschauerschnitt, Tabellenplatz und Pokalerfolge prognostizieren und das Spiel berechnet Ihnen automatisch Ihren Finanzrahmen.

Gerald Köhlers Team hat natürlich nicht nur viel Wert auf die Optik und die Navigation gelegt, sondern auch an den Spielerwerten gebastelt. So beschreiben nun nicht mehr 30, sondern ganze 42 Attribute die Stärken und Schwächen jedes Spielers mit einem Wert von 0 bis 100. Die Zahlen sind jedoch nicht nur heiße Luft, sondern sollen sich noch stärker im Spiel auswirken. Der generelle Stärkewert hat an Bedeutung verloren und besitzt daher nur noch eine statistische Funktion. Wesentlich wichtiger ist die Unterteilung in 20 Spielertypen wie z.B. "Strafraumstürmer", "Dribbler" und "Spielmacher". Bei all diesen Spielerwerten darf natürlich ein Bild nicht fehlen. Diesmal ist es kein generiertes 3D-Bild wie beim Vorgänger, sondern ein echtes Foto. EA Sports ist es tatsächlich gelungen, die Lizenzen für über 6000 Spielerfotos zu erlangen, darunter so ziemlich alle Bundesliga-Spieler. Dieser enorme Atmosphäregewinn wird durch eventuell fehlende Spielerbilder sicher nicht lange getrübt, denn für die wenigen Ausnahmen können die Bilder problemlos per Editor nachgepflegt werden. Nach etlichen Jahren Spielzeit werden Sie jedoch an die Grenzen der Datenbank stoßen: Viele Ihrer Spieler sind dann keine Original-Stars mehr, da diese aus Altersgründen den Dienst quittiert haben, sondern generierte Kicker ohne Bild. Da diese lediglich mit einem Schatten ausgestattet sind und nicht mehr mit einem generierten 3D-Gesicht, leidet darunter etwas die Atmosphäre. Hier wäre eine Kombination wünschenswert gewesen.

Leider haben sich aber auch dieses Jahr wieder einige Fehler eingeschlichen. Zu Beginn jeder Saison werden Ihr Transferbudget und Ihr Gehaltsbudget anhand Ihres momentanen Vermögens vom Vorstand berechnet. Investieren Sie das ganze Geld nun in Neuverpflichtungen, haben Sie anschließen keinerlei finanziellen Spielraum mehr, es sei denn, sie verkaufen einen Spieler aus Ihrem Kader. Das mag soweit realistisch sein, aber kommen Sie zum Beispiel während einer Saison durch den Börsengang zu jeder Menge Geld, wird Ihr Transferbudget dadurch nicht erhöht und bleibt weiterhin fix. Erst zur neuen Saison bekommen sie dann einen größeren finanziellen Spielraum zugeteilt. Die Berechnung des Budgets ist ebenfalls nicht immer nachvollziehbar: Selbst wenn Sie in der zehnten Saison weit mehr als 300 Millionen Euro auf dem Konto haben, steht ihnen nur ein Transferbudget von gerade einmal 40 Millionen zur Verfügung. Zwar können Sie dieses bei einem Transfer überziehen, indem Sie zum Beispiel Rooney für 80 Millionen verpflichten, danach ist jedoch Ihr Vorstand sauer, schließt Ihnen den Geldhahn und verlangt Erfolg.

Auf dem Transfermarkt tun sich noch mehr eigenartige Dinge. So zeigt zum Beispiel ein Michael Ballack die nötige Vereinstreue, die er momentan vermissen lässt und weigert sich selbst nach dem Abstieg des FC Bayern München, den Verein zu verlassen, da dies Unruhe in der Mannschaft auslösen könnte. Währenddessen wechselt Kevin Kuranyi für utopische Summen alle zwei Jahre von einem Spitzenclub zum anderen und Lukas Podolski verhungert in Wolfsburg auf der Bank. Auch der beliebte Textmodus ist nach wie vor nicht völlig fehlerfrei. Die Rate der verschossenen Elfmeter ist weiterhin verblüffend hoch und Ihr Co-Trainer meckert bereits seit dem Vorgänger ständig über Ihre offensive Spielweise. Diese und andere kleine Fehler zerstören natürlich die ansonsten so realistische Atmosphäre, sollten aber durch einen Patch (hoffentlich) leicht zu beheben sein.

Kommen wir zu einer weiteren Neuheit beim FM 2006: dem MAT (Match-Analyse-Tool). Mit diesem Gimmick wird jedes 3D-Spiel aufgezeichnet und kann danach in die Einzelteile zerlegt werden. Jeder einzelne Schuss, jeder Pass, jede Vorlage und jedes Dribbling und deren Richtung und Länge wird exakt festgehalten und kann ausgewertet werden. In der schematischen Draufsicht verfolgen Sie die Ballverluste und Laufwege und ziehen daraus Ihre Schlüsse. Wenn Ballack zum Beispiel in 80% der Fälle auf Makaay passt, während Santa Cruz auf der rechten Seite verhungert, überdenken Sie die Laufwege und geben Ihrem Spielmacher neue Befehle. Im Praxistest zeigte sich dieses neue Spielzeug zwar als wirkungsvoll, aber nicht wirklich dringend nötig. Echte Freaks können darin stundenlang Statistiken wälzen, Gelegenheitsspieler werden jedoch auch ganz gut ohne auskommen.

Weg von den Printmedien und hin zu den Websites. Was sich schon seit Jahren im Mediensektor bewahrheitet, findet nun auch bei FM 2006 Einzug. Die Kicker-Zeitung aus dem letzten Jahr gehört nun der Geschichte an und wurde durch eine interaktive Fußball-Website namens "Fußballwelt" ersetzt. Dort können Sie nicht nur einige der ca. 8000 verschiedenen Berichte lesen, sondern sich auch durch etliche Statistiken, Spielergeburtstage und Gerüchte durchklicken. Letztere wurden neu hinzugefügt und sind ein spaßiges Feature, denn ob die Gerüchte der Wahrheit entsprechen, gilt es herauszufinden.

Ein Bereich, über dessen Nutzen man sicherlich streiten kann, wurde allerdings erneut nicht eingebaut: Das Privatleben des Managers entfällt komplett. Auch wenn sich nicht jeder Spieler für dieses Detail interessiert, ist es nun jedoch ärgerlich, dass damit das verdiente Geld zur bloßen Farce verkommt: Mehr als es dem Verein zurückzugeben und damit ein paar Beliebtheitspunkte beim Vorstand oder den Fans einzuheimsen ist nicht mehr drin. Schade, jedoch wurde uns von Gerald Köhler versichert, dass auch er dieses Extra vermisst, jedoch aufgrund der scharfen Kritik der englischen Presse dazu gezwungen war. Wen das Dasein als Club-Manager noch nicht auslastet, der kann natürlich, wie schon bei den Vorgängern auch eine Nationalmannschaft trainieren und diese zum Europa- oder Weltmeistertitel führen.

TV-reife Präsentation

Während Ihre Kicker im letztjährigen 3D-Modus nicht gerade sehenswerten, realistischen Fußball boten, hat sich dies beim FM06 grundlegend geändert. Obwohl Ihre Vorgaben an Ihre Spieler bereits beim Vorgänger schon gut umgesetzt wurden, litt das Spiel unter dem fehlenden Spielfluss und den teilweise identischen Toren. Hier hat EA endlich den Hebel angesetzt und bietet dieses Jahr die UEFA Champions League-Engine, die einen großen Unterschied zum Vorgänger darstellt, an. Zwar werden keine Auflösungen über 1024x768 unterstützt, aber die Grafik macht durch die klaren und detailgetreuen Spieler und Stadien einen sehr guten Eindruck. Nicht nur, dass diese wesentlich schicker daherkommt, auch die Spielerattribute scheinen gut umgesetzt zu werden. So ließ ein Podolski in unseren Testspielen die gegnerischen Abwehrspieler ein ums andere Mal aussteigen, während technisch weniger beschlagene Spieler sich auf andere Stärken besannen. Dadurch wirkt das Spiel wesentlich lebendiger und abwechslungsreicher: Verteidiger spielen aggressives Pressing, Außerstürmer flitzen die Linie entlang und sorgen für gefährliche Flanken und Spielmacher wie Ballack ziehen einfach mal aus 25 Meter ab.

Sogar die Vorteilsregel ist kein Fremdwort mehr und wird korrekt von den Schiedsrichtern ausgelegt. Den Realitätsgrad schraubt EA vor allem aber auch durch die realistischen Taktiken Ihrer Gegner in die Höhe. Anstatt dem häufigen und simplen 4-3-3, laufen Ihre Gegner nun mit unterschiedlichen Formationen auf, stellen sich sogar auf Ihre Taktik ein und reagieren entsprechend. Dies klappt zwar meist, aber hin und wieder kommt es leider zu einer Partie, in der sich Ihr Gegner immer wieder durch den gleichen Trick überwinden lässt. Betrachtet man jedoch die eine oder andere Hintermannschaft der Bundesliga, erscheint dies nicht völlig realitätsfremd zu sein. Die Spielerwerte und Taktiken werden größtenteils sehr treffend umgesetzt, der ein oder andere Bug führt zwar öfters dazu, dass Ihre Spieler nicht 100%ig Ihren Anweisungen befolgen, aber auch dies kennen echte Fußball-Trainer aus ihrem Alltag nur zu gut. Football Fusion, die Kopplung des FM mit FIFA, wird dieses Jahr nicht mehr möglich sein. Der Aufwand durch das CD-Wechseln war vielen Spielern zu hoch und der Sinn eines Fußballmanagers wurde ebenfalls infrage gestellt, denn wozu am Trainingsprogramm feilen, wenn der Erfolg nur von Ihrem Können am Gamepad abhängt? Am Sound hat sich auch dieses Jahr nicht viel getan. EA bietet die übliche Hintergrundmusik, die zwar nett klingt, aber aufgrund der bekannten MP3-Funktion wohl nur bei den Wenigsten zum Einsatz kommen wird. Dafür sind die Stadion-Fangesänge und die sonstige Geräuschkulisse sehr stimmungsvoll, Surround-Sound wird allerdings nicht unterstützt.

Entwickler: Electronic Arts / EA Sports
Publisher: Electronic Arts / EA Sports
Genre: Fußballmanager
Releasedate: Bereits erschienen
Homepage: FM2006
Preis: 44,95 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

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Fazit

   Gerald Köhler und sein Team haben es auch dieses Jahr wieder geschafft. Fussball Manager 06 ist mit Abstand die beste Managersimulation auf dem Markt. Die unzähligen lizenzierten Spieler, Ligen, Stadien und Vereine schaffen einen unglaublichen Realitätsgrad, die Original-Spielerbilder bilden dabei den I-Punkt. Die Spieler gehorchen Ihren Kommandos und Taktiken und Sie merken hautnah auf dem Platz, ob Sie Ihre Mannschaft richtig eingestellt haben. Durch den fehlenden Schwierigkeitsgrad ist die Balance nicht immer ganz gegeben. Wo sie sich zu Beginn den Erfolg noch hart erkämpfen müssen, wird es mit Ihrer späteren Top-Mannschaft fast zu leicht. Trotz dieser und anderer Probleme, die hoffentlich bald mit einem Patch behoben werden, sorgt der FM 2006 für fast unendlichen Spielspaß und etliche durchzockte Nächte. Ein absoluter Pflichtkauf für jeden Fußball-Fan. (18.11.2005)


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