Driver: San Francisco

Driver: San Francisco (PS3)

(Ubisoft)

geschrieben von Oliver Salten

 

     
 

Die "Driver"-Reihe ist wieder zurück. Zwölf Jahre nach Erscheinen des ersten Teils ist jetzt der mittlerweile fünfte Ableger herausgekommen. Nachdem man sich zuletzt bei "Driv3r" und "Driver: Parallel Lines" relativ erfolglos daran versucht hatte, eine "GTA"-Alternative zu schaffen, kehrt man jetzt mit neuem Publisher zu alten Tugenden zurück. Kompromisslose Arcade-Rennaction soll ab sofort wieder im Vordergrund stehen.

Die Straßen von San Francisco

Atmosphärisch lehnt sich "Driver: San Francisco" wie in den ersten Teilen wieder an klassische Kriminalfilme und -serien wie "Bullit", "French Connection" oder "Die Straßen von San Francisco" an. Obwohl in der Gegenwart angesiedelt, bemerkt man deutlich den Vorbildcharakter der genannten Produktionen, die gerade durch die Autoverfolgungsjagden zu Meilensteinen der Film- und Fernsehgeschichte geworden sind. Das spiegelt sich auch in der Wagenauswahl der Hauptperson, des Polizisten John Tanner, der eingefleischten "Driver"-Fans schon aus den ersten drei Teilen bekannt sein dürfte. Er fährt nämlich einen 1970er Dodge Challenger R/T, das 70er Jahre Flair dürfte also gewiss sein.

Die Story selbst setzt zeitlich sechs Monate nach dem Ende von "Driv3r" an. Der damals festgenommene Gangsterboss Chris Jericho soll vom Gefängnis zu seinem letzten Gerichtstermin gebracht werden. Dabei gelingt ihm jedoch eine spektakuläre Flucht, die Tanner und sein Partner Tobias Jones versuchen zu verhindern. Dabei wird Tanner so schwer verletzt, dass er ins Koma fällt. Während Jericho in der Realität nun in der Lage ist, einen teuflischen Plan vorzubereiten, durchlebt Tanner diese Ereignisse genauso in seinem Kopf als eine Art Traum, in dem er die Absichten Jerichos mithilfe besonderer Fähigkeiten verhindern muss. Das klingt sicherlich auf den ersten Blick ziemlich skurril, aber gerade diese Traumwelt macht erst das wichtigste Feature des Spiels möglich, das sogenannte "Shiften". Gerade weil sich das Spielgeschehen nicht in einer auf physikalischen Gesetzen basierenden Umgebung abspielt, war es erst möglich, neue Elemente ins Spielgeschehen einzubauen und so eine sehr große Vielseitigkeit zu erzielen. Dass die Story dafür dem einen oder anderen etwas zu abgedreht vorkommen könnte, muss daher einkalkuliert werden.

Tanner besitzt durch das Shiften die Fähigkeit, seinen Körper zu verlassen und seinen Geist in einen anderen Körper zu transferieren. So ist es ihm jederzeit möglich, seinen Wagen zu verlassen und einen anderen Wagen auszuwählen, er muss nur in den Körper des jeweiligen Fahrers springen. Die einfache und unproblematische Navigation erfolgt dabei über verschiedene Höhenstufen, die von der Straße bis zum Gesamtüberblick über ganz San Francisco reicht. Durch den schnellen Wagenwechsel während des Spiels ergeben sich für den Spieler völlig neue Möglichkeiten. Fährt er etwa ein Rennen, ist es jetzt nicht mehr notwendig, die ganze Zeit nur zu versuchen, seine Konkurrenten zu überholen oder sich vom Leib zu halten. Er kann ebenso gut in einen anderen Wagen shiften und versuchen, seine Gegner zu rammen und so aus dem Rennen zu werfen. Möchte er eine möglichst hohe Geschwindigkeit erreichen, kein Problem, dann sucht er sich im Straßenverkehr einfach den schnellsten Rennwagen aus! So lassen sich eigentlich klassische Herausforderungen mit ganz neuen Herangehensweisen bestreiten. Hinzu kommen weitere neue Ideen – so muss der Spieler beispielsweise einen Geldtransporter beschützen, indem er die Wagen der Gegner zu Schrott fährt oder mit einem passenden Wagen Bomben unter Trucks entschärfen. An Kreativität hat es den Entwicklern wirklich nicht gemangelt. So sind die unterschiedlichen Missionen, seien sie nun Teil der Story, Herausforderungen, worunter man Rennen oder Verfolgungsjagden versteht, die sich auch an filmische Vorbilder anlehnen können, oder Mutproben in der Form von Stunts nie langweilig, wenn auch die Aufgaben in anderer Ausgestaltung wiederkehren können.

Weiterkommen mit Willenskraft

Für jede fahrerische Aktion, ob im freien Spiel oder in einer Mission, erhält der Spieler "Willenskraft". Damit ist es nicht nur möglich, sich funktionelle Erweiterungen, wie beispielsweise eine bessere Nitroeinspritzung, zuzulegen, sondern auch selbst Autos zu erwerben und so seinen Fuhrpark zu erweitern. Die Wagen können nach und nach freigeschaltet werden, sei es, dass man eine bestimmte Herausforderung erfolgreich bestanden hat, sei es, dass man eine Werkstatt erworben hat, wo die Transaktionen und der Wagentausch abgewickelt werden können. Der Sinn des Wagenkaufs ist allerdings nicht ganz klar geworden, da man ja durch das Shiften ohnehin jedes Auto benutzen kann, das man gerne hätte. Zudem ist es nicht möglich, sein Auto zu tunen oder ein eigenes Design anzufertigen.

Die Wagenauswahl ist hingegen sehr zufriedenstellend. Über 130 Fahrzeuge sind enthalten und können nach und nach freigeschaltet und erworben werden. Vom klassischen Straßenwagen über Sportwagen, SUVs, Familienkutschen und Muscle Cars bis hin zu Bussen, Trucks oder Taxis ist alles vertreten. Fahrerisch liegen die Wagen auf den Straßen sehr gut in der Hand und auch die Stunts sind problemlos durchführbar. Allein das "Rammen", eine Aktion, mit der man Gegnern größeren Schaden zufügen kann, ist von der Handhabung her etwas umständlich geraten. Etwas schlechter sieht es da schon auf den Offroad-Strecken aus. Selbst mit Buggys, die ja eigentlich für diese Parcours gedacht sind, rutscht man ziemlich herum, mit normalen Wagen fährt man gar wie auf Eis. Hier fehlt es offenbar ein wenig an der Feinabstimmung.

Gleiches gilt auch für die KI. Diese schwankt sehr stark zwischen Extremen wie "äußerst aggressiv" und "ziemlich lahm". Bei einigen Missionen, in denen der Spieler Gegnern entkommen musste, geht die KI schon ziemlich heftig zu Werke, während bei Rennen, in denen er hoffnungslos zurückliegt, plötzlich wieder aufholen kann. Die Unausgewogenheit in diesem Bereich ist häufig spürbar und hätte noch ein wenig mehr Bearbeitung bedurft.

Wenn vorhin von Innovation gesprochen wurde, dann gilt das auch für eine neue Kameraperspektive, die sogenannte "Thrill-Kamera". Hier kann man seinen Wagen in wechselnden Perspektiven steuern, die sehr an Filmaufnahmen erinnern. Leider ist das für den regulären Betrieb aufgrund seiner Unhandlichkeit kaum zu gebrauchen und sollte daher auch wirklich nur in den Herausforderungen eingesetzt werden, für die diese Perspektive vorgesehen ist. Anders sieht es mit der Möglichkeit aus, seine besten Rennen oder Verfolgungsjagden komplett zu bearbeiten und als eigene kleine Filme bei Facebook online zu stellen. Hier kann jeder Hobby-Regisseur sich nach Lust und Laune austoben und kleine Kunstwerke erschaffen.

Erstmals dabei: Multiplayer

Bislang mussten "Driver"-Fans darauf verzichten, gegeneinander anzutreten, doch damit ist jetzt Schluss. Nicht nur, dass zwei Spieler im Split-Screen-Modus gegeneinander antreten können, jetzt funktioniert das auch online mit bis zu acht Teilnehmern. Die Auswahl ist dabei vielfältig und reicht von klassischem Renngeschehen mit und ohne Shiften bis hin zur Trophäenjagd und dem Verfolgerrennen, bei dem man möglichst lange im Windschatten eines vorausfahrenden Fahrzeugs bleiben muss. Je höher der Online-Rang steigt, desto mehr Spielmöglichkeiten sind verfügbar. Zusätzlich sind weitere Funktionen, wie etwa der Impuls, freischaltbar, mit dem man Gegner ins Schleudern bringen kann. Action ist mit diesem vielseitigen Mehrspielermodus in jedem Fall garantiert. Dieser ist leider, ebenso wie der Regisseur-Modus, nur mit einem mitgelieferten U-Play-Pass von Ubisoft spielbar, so dass Käufer von gebrauchten Spielen wohl nochmals in die Tasche greifen müssen.

Sound und Grafik

Kein Arcade-Rennspiel ohne Musik – das gilt natürlich auch hier. Die Musikauswahl, die der Spieler selbst einfach mit dem Steuerkreuz regulieren kann, beinhaltet unter anderem Stücke der Interpreten Aretha Franklin, Beastie Boys, Queens of the Stone Age, The Prodigy und The Stooges, um nur einige wenige der 77 zu nennen. Auch die Synchronisation ist gelungen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in vielen Wagen, in die Tanner shiftet, Dialoge hörbar sind, die sich nur sehr selten wiederholen. Die Hereinnahme weiterer kleiner Szenarien außerhalb der eigentlichen Story wirkt auflockernd und zeugt von der Mühe, die sich die Entwickler gegeben haben. Die übrigen Sound-Effekte haben sich ebenfalls ein Lob verdient, sie wirken authentisch und tragen dazu bei, "Driver: San Francisco" zu einem echten Erlebnis zu machen.

Etwas kritischer sieht es jedoch mit der Grafik aus. Während die Videosequenzen von hervorragender Qualität und die Wagen ihren realen Vorbildern recht ordentlich und mit einem akzeptablen Schadensmodell nachgebildet sind, muss man bei der Umgebung einige Abstriche machen. Zwar wurden mehr als 300 km Straßennetz von San Francisco nachgebildet, was zumindest mich dazu verleitet, schon von einem Open-World-Szenario zu sprechen, diese Größe ging jedoch zulasten der Fassadendarstellung. Sehr oft wirken die Häuser flächig und wenig durchstrukturiert, fast wie eine Art Pappaufsteller. Dafür wurden die Sehenswürdigkeiten, wie etwa die Golden Gate Bridge, die Transamerica Pyramid oder die Lombard Street mit ihren vielen Kurven sehr gut dargestellt. Wer allerdings auf die klassischen Straßenbahnen, die sogenannten Cable Cars, hofft, wird enttäuscht sein, auf die wurde nämlich verzichtet. Ebenso schade ist es, dass ein Tag-Nacht-Wechsel nicht stattfindet und veränderte Witterungsbedingungen ebenfalls nicht eingeplant wurden.

Fazit

Die Rückkehr zu ihren Wurzeln tut der "Driver"-Reihe mehr als gut. Mit interessanter Story und Wagenauswahl, sehr vielseitigem Mehrspielermodus und einem tollen Soundtrack dürften man viele alte und neue Fans überzeugen. Hinzu kommen innovative Features, wo vor allem das Shiften und der Regisseur-Modus zu nennen wären. Leider sind auch einige Abstriche zu machen, beispielsweise beim Handling auf Offroad-Strecken, der KI und bei der Umgebungsgrafik. Dennoch muss das Spiel insgesamt als gelungen bezeichnet werden. Mit seinem 70er-Jahre-Charme weiß es trotz seiner kleinen Schwächen zu gefallen und der Franchise neues Leben einzuhauchen.

(27.09.2011)

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