The Bard's Tale

The Bard's Tale

(Ubisoft)

geschrieben von Sebastian Hör

 

Ist das nicht der Traum eines jeden Mannes? Völlig unabhängig von anderen durch die Welt streifen, dabei ein paar Bösewichte umnieten, die holde Maid vor widerlichem Rattengezücht erretten und mit einem Schäferstündchen belohnt werden? Bereits 1987 konnten sich PC-Spieler dank Interplay diesen Traum erfüllen. Es folgten 1988 und 1990 noch die Teile zwei und drei, dann wurde es still um die Geschichte des Barden. Fünfzehn Jahre später können Sie sich dank "The Bard's Tale" erneut den Traum aller Männer erfüllen.

Spiel's noch einmal, Barde

Eine grobkörnig gerenderte Einleitungssequenz zeigt den Barden zusammen mit seinen beschworenen Mitstreitern, konfrontiert mit finsteren Gestalten - ein wilder Kampf bricht aus. Da ertönt die Stimme des Erzählers, der von den Abenteuern des Helden wider Willen berichtet und setzt zu einer langatmigen Erklärung an, wie der Barde und seine Gefährten in diese vertrackte Situation geraten sind. Alles beginnt ganz harmlos im verträumten Städtchen Houton, in das er gekommen ist, um in der Schänke "Zur besoffenen Ratte" seine Lieder zu spielen und Karriere zu machen. Rein zufällig ist die Besitzerin der Taverne eine vollbusige, attraktive Witwe, die unser Held natürlich für sich einnehmen will, um neben einer warmen Mahlzeit auch ein angenehmes Quartier für die Nacht zu finden. Also nutzt er die Magie seiner Laute schamlos aus und beschwört eine Ratte, die unter dem Eingang der "Besoffenen Ratte" hindurchflitzt und die Wirtin in Angst und Schrecken versetzt. Nun erscheint der Barde als Held in schimmernder Rüstung auf der Bildfläche und "rettet" die Schöne vor dem garstigen Biest. Beeindruckt von so viel Manneskraft und Mut, bittet die Wirtin ihn, sich auch des Rattenproblems im Keller anzunehmen. Eine leichte Aufgabe witternd, willigt der Barde ein.

An dieser Stelle steigen Sie ins Spiel ein. "The Bard's Tale" präsentiert sich aus einer Ansicht, wie man sie schon aus einschlägigen Hack'n'Slay-Spielen à la "Diablo II" kennt - einer isometrischen Draufsicht auf den Spielcharakter. Leider ist die Wahl des Kamerawinkels einer der großen Schwachpunkte des Spiels, denn man sieht fast senkrecht auf die Spielfigur. Zwar lässt sich der Bildausschnitt bis zu einem gewissen Grad heran- und herauszoomen, allerdings bleibt das Sichtfeld dennoch sehr eingeschränkt. Des Weiteren kann man die Kamera um 360 Grad drehen, aber besonders hilfreich ist diese Funktion allenfalls dann, wenn man bestimmte Türen oder Objekte sucht, die aus der aktuellen Perspektive nicht zu sehen sind. Das Interface selbst ist sehr aufgeräumt: Im rechten oberen Eck befindet sich eine Minikarte, die man mit Druck auf "x" auch auf den ganzen Bildschirm legen oder ganz ausschalten kann, links oben befindet sich die Anzeige für Leben, Mana und Erfahrung. Darunter werden in kleinen Kreisen die beschworenen Kreaturen und deren Lebensanzeige angezeigt. Etwas verwirrend gestaltet sich anfangs die Steuerung, denn im Gegensatz zu "Diablo II" bewegt man den Barden per Rechtsklick, während man mit der linken Maustaste zuhaut. Gott sei Dank kann man NPCs nicht verletzen, denn ansonsten würde man wahrscheinlich beim Versuch, sich an die Steuerung und Kameraperspektive zu gewöhnen, ein Blutbad in der "Besoffenen Ratte" anrichten. Hat man sich an die Steuerung gewöhnt, macht man sich daran, die von der Witwe erteilte Quest, die Beseitigung der Rattenplage im Keller, zu lösen.

Heroisch wagt man sich in den Keller der Schänke, der Dinge harrend, die da kommen mögen. Und ist umso überraschter, als sich die Rattenplage als eine winzige, harmlose Ratte entpuppt. Mit einem kraftvollen Hieb schickt man das garstige Biest über den Jordan und freut sich: die erste erfolgreich absolvierte Quest in "The Bard's Tale". Immer dann, wenn Quests erfüllt oder handlungsrelevante Spielfortschritte gemacht wurden, zoomt das Spiel an den Barden heran und der Erzähler schildert die aktuellen Ereignisse. Hierbei entwickeln sich wirklich herrliche Streitgespräche zwischen Barde und Erzähler, die die Motivation deutlich erhöhen. Die herrlich ironischen Kommentare des Barden sind einfach an jeder Stelle ein Genuss, selbst wenn man an manchen Stellen nicht weiterkommt und das Spiel am liebsten in die Ecke donnern würde, machen die genialen Sprüche und Konversationen die Frustmomente mehr als wett. Der Erzähler schildert nach der erfolgreichen Mission in blumiger Sprache den großen Heldenmut des Barden, der ganz allein geschafft hat, woran viele seiner Vorgänger gescheitert sind: eine Ratte zu töten. Doch während er noch über die Taten des Barden schwadroniert, naht von hinten die wirkliche Bedrohung in Gestalt einer überlebensgroßen, scheinbar mutierten, Feuer speienden Ratte heran. Sie setzt den Barden in Brand, der sich daraufhin in die Taverne retten muss, um nicht zu verbrennen. Unter dem schallenden Gelächter der Anwesenden wird er von der Witwe mit Wasser übergossen und zurückgeschickt, um sich erneut der Megaratte zu stellen, die sich offenkundig für einen Drachen hält. Unten trifft er auf eine verkrüppelte Gestalt, die Ihnen im Laufe des Spiels noch öfter begegnen wird: den Tutor. Der alte Mann lehrt Sie nämlich den ersten vieler nützlicher Zaubersprüche, die der Barde mittels seiner Laute wirken kann und die ihn im Kampf unterstützen. Des Weiteren erklärt er Ihnen die Funktionsweise des Interfaces für die Zauber- und Waffenauswahl. Dies wurde von den Entwicklern sehr geschickt gelöst, denn statt auf einem vollgepflasterten Bildschirm das gewünschte Icon zu suchen, genügt ein Druck auf die Tasten 1 bis 4, um die vier Menüs aufzurufen, in denen man Artefakte, Beschwörungszauber, Nah- und Fernkampfwaffen auswählen kann. Hat man ein Menü ausgewählt, kann man mit den Tasten "w", "a", "s" und "d" die verschiedenen Gegenstände bzw. Zauber des Menüs aktivieren. So ruft beispielsweise der Druck auf Menü "2" das Zaubermenü auf, das Drücken der Taste "a" beschwört die Blitzspinne, die dem Barden im Kampf gegen die Riesenratte beisteht. Seinen Gefährten kann man außerdem vier Basisbefehle zurufen, um deren Kampfverhalten zu bestimmen: Mittels der Pfeiltasten kann man ihnen den Angriff befehlen, sie dazu auffordern, die Position zu halten oder dem Barden zu folgen oder ihn zu verteidigen, wenn Sie sich mit einer Übermacht von Feinden konfrontiert sehen. Außerdem wird Ihnen noch erklärt, wie man blockt. Dies ist gerade im späteren Spielverlauf immens wichtig, da viele Gegner über die Fähigkeit verfügen, Sie zurückzuschleudern, sodass Sie ohne Blocken niemals dazu kommen werden, selbst einen Treffer zu landen.

Hat man irgendwann genügend Monster getötet oder Quests erfüllt, steigt man, ganz rollenspieltypisch, eine Stufe auf. Nun kann man pro Stufe zwei Punkte auf die sechs Hauptfertigkeiten "Stärke", "Vitalität", "Glück", "Geschicklichkeit", "Charisma" und "Rhythmusgefühl" verteilen sowie alle zwei Stufen ein Talent erlernen, beispielsweise, eine neue Waffengattung führen zu können oder besser zu parieren. Bei den exzellent ins Deutsche übersetzen Dialogen mit NPCs hat der Barde zwei Gesprächsoptionen: freundlich oder ironisch. Die Wahl einer dieser Möglichkeiten wirkt sich auf den weiteren Verlauf der Konversation aus und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass man eine zusätzliche, unnötige Quest aufgebrummt bekommt oder in einen Kampf verwickelt wird. Jeder Gesprächspartner reagiert anders, es gibt daher kein Patentrezept, welche Wahl bei welchem Charakter die richtige ist. Etwas ärgerlich ist, dass der Untertitel (den man wahlweise einschalten kann) sich teilweise nicht mit dem deckt, was die Sprecher gerade von sich geben. Witzig wiederum sind die ab und an vorkommenden Lieder: Wenn der Barde sich gerade auf einer Mission befindet, trifft er manchmal Gestalten, die sich vor ihn hinstellen und ein Liedchen zum Besten geben. Die Lieder sind allesamt auf Englisch, klingen aber fantastisch und sind mit einem Untertitel versehen, der an Karaoke-Titel erinnert.

Eine Untugend, die sich bereits in vielen Egoshootern Bahn bricht und gerade bei Konsolenumsetzungen so manchen Spieler zur schieren Verzweiflung treibt, hat nun auch in Rollenspielen Einzug gehalten: die Speicherpunkte. Auch in "The Bard's Tale" finden sich an bestimmten Stellen weiß glänzende Bücher, die einen solchen Punkt symbolisieren. Mit Druck auf die Benutzen-Taste (Standard: "f") gelangt man ins Speichermenü. In den Schwierigkeitsstufen "leicht" und "normal" sind diese Punkte noch relativ großzügig verteilt, auf "schwer" dagegen recht rar. Ein weiteres Ärgernis sind die gelegentlichen Verzögerungen bei den Zwischensequenzen, wenn teilweise eine halbe Minute lang gar nichts passiert und sich die Charaktere lediglich gegenseitig anstarren. Wenn man Glück hat, lassen sich die Sequenzen mit der Escape-Taste abkürzen, hat man Pech, muss man warten. Außerdem haben die Entwickler die Nebenquests scheinbar ziemlich halbherzig eingebaut, denn Positionsangaben der Quest-Geber tauchen im Abenteuer-Log nicht auf; so gestaltet sich die Suche nach einem zu rettenden NPC zu einem aussichtslosen Unterfangen.

Ein Augenschmaus, fürwahr!

Die Grafik von "The Bard's Tale" ist oberes Mittelmaß. Bei den Zwischensequenzen und Dialogen sehen die Charaktere sehr detailliert aus, die einzelnen Haarsträhnen des Barden sind ebenso gut zu erkennen wie die Falten unter den Augen mancher Gesprächspartner. In der normalen Spielperspektive sieht die Welt um den Barden herum allerdings ein wenig blass aus; die Farben wirken stumpf, die Bäume irgendwie alle gleich und die Details der Gegner lassen auch zu wünschen übrig. Was die Effekte betrifft, so sind sie alles in allem gelungen, ohne wirklich zu überzeugen. Die Blitzspinne sieht niedlich aus, aber brennende Objekte wirken wiederum verhältnismäßig unecht. Dennoch, die Grafik ist vorzeigbar.

Redegewandt

Der definitiv größte Pluspunkt des Spiels ist zweifelsohne der Sound. Die Charaktere sind allesamt genial synchronisiert, die Stimmen sind wunderbar ausdrucksvoll - allen voran die des Barden, gesprochen von Comedian Oliver Kalkofe, der schon dem Mentor in "Siedler V: Das Erbe der Könige" seine Stimme lieh - und die bösartigen Kommentare kommen absolut glaubwürdig aus dem Mund des Barden. Die Streitgespräche und Kommentare im Laufe des Spiels erzeugen eine gefährlich süchtig machende Atmosphäre - man harrt förmlich der nächsten sich bietenden Gelegenheit, um wieder ein knackiges Bonmot zu hören. Absolute Spitzenklasse - daran müssen sich zukünftige Genrevertreter messen lassen! Auch die Effekte klingen hervorragend, die Laute des Barden klimpert melodisch, wenn er eine Kreatur herbeiruft oder sie wieder verschwinden lässt, das Knarzen der Türen ist ebenso stimmig wie das Fauchen der Wölfe. Einzig die Menümusik ist unterdurchschnittlich. Ein einziges Musikstück dudelt im Hauptmenü vor sich hin - gut, dass man sich dort nicht allzu lange aufhält.

Entwickler: inXile Entertainment
Publisher: Ubisoft
Genre: Hack'n'Slay-Rollenspiel
Releasedate: 16.Juni 2005
Homepage: The Bard's Tale
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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Fazit

   Spielerisch reißt mich "The Bard's Tale" nicht vom Hocker. Einige Bugs trüben den Spielspaß ein wenig, viel störender ist jedoch der viel zu kleine Bildausschnitt und das simple Hack'n'Slay im Stile von "Diablo II". Die Nebenquests zu erfüllen gestaltet sich teilweise als sehr schwierig, weil die Positionsangaben des Quest-Gebers nicht im Abenteuer-Log erscheinen und so manche NPCs fast unauffindbar sind. Schade eigentlich, dass inXile aus der großartigen Lizenz des Spiels so wenig gemacht hat, dass "The Bard's Tale" nicht viel mehr als den Namen mit seinen altehrwürdigen Vorgängern für den C64 gemein hat. Allerdings muss man den Entwicklern zugute halten, dass sowohl die Sprachausgabe also auch die Sounds allererster Güteklasse sind. Allein die Dialoge motivieren zum Weiterspielen, denn im Gegensatz zur relativ simplen "Rette-die-Prinzessin"-Story sind die ironischen Kommentare des Barden originell und atmosphärisch. Für Hardcore-Rollenspieler und Handlungs-Fetischisten ist "The Bard's Tale" nur bedingt zu empfehlen, aber Liebhaber von Hack'n'Slay und erstklassigen Sprüchen in Harald-Schmidt-Manier können bedenkenlos zugreifen. (04.07.2005)


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