Splinter Cell - Chaos Theory

Splinter Cell - Chaos Theory

(Ubisoft)

Geschrieben von Hans Thiel mit Unterstützung durch Johannes Posch

 

Raus aus den muffigen Kampfstiefeln, rein in die Ballettschuhe, es wird wieder angeschlichen. Splinter Cell - Chaos Theory ist der nunmehr dritte Teil der erfolgreichen Reihe um den Mann fürs Grobe - Sam Fisher. Und, soviel darf vorweggenommen werden, es ist ein würdiger Nachfolger geworden, mit packender Atmosphäre, stimmigen Schauplätzen und einem glaubhaften Handlungsstrang.

Die Geschichte

Nicht umsonst lautet der eigentliche Name des Spiels "Tom Clancy’s Splinter Cell" - der Name ist Programm. Als Meister der packenden Unterhaltung zieht Tom Clancy auch in "Chaos Theory" wieder alle Register, um die Handlung glaubhaft und vor allem spannend zu machen. Nicht, dass der Plot unerhört neu und revolutionär wäre - das ist er keineswegs - doch die Story wird mit viel Liebe zum Detail und allerlei dramaturgischen Kniffen für den Spieler interessant gestaltet und es braucht nicht viel, um sich in den brummeligen Geheimagenten Fisher hineinzuversetzen. Natürlich muss man die Welt retten, die sich, aufgrund finsterer Machenschaften, am Rande des dritten Weltkriegs befindet. Aber seien wir ehrlich, für weniger hätten wir uns doch auch gar nicht hergegeben, oder?

Auf leisen Sohlen

Das Spielprinzip ist schnell erklärt, im Regelfall gilt es bestimmte Aufgaben zu erfüllen, etwa Personen zu beschatten, Gebäude zu infiltrieren und Dokumente zu stehlen. Dabei stehen meist eine größere Menge feindlicher Soldaten sowie Sicherheitskameras, Lasersperren, Retina-Scanner und verschlossene Türen im Weg. Obwohl ebenso klar sein dürfte, dass dies einen Sam Fisher nicht lange aufhalten wird. Anders als im durchschnittlichen Ego-Shooter kommt man mit brachialer Gewalt jedoch nicht weit - mehr als eins, zwei gegnerische Salven und es wird wieder Zeit, den letzten Spielstand zu laden. Durch geschicktes Ausnutzen der Umgebung, vor allem der schlechter beleuchteten Ecken, lässt sich das Agentenleben ganz erheblich verlängern. Der Gegner wird dann möglichst einzeln und lautlos aus dem Weg geräumt, wobei man immer die Wahl hat, diesen entweder nur kurz oder für immer schlafen zu legen. Einen Einfluss auf das Spiel hat das nicht, es sei denn, man erwischt einen Zivilisten oder gar einen verbündeten Soldaten, dann kann der Chef schon recht ungemütlich werden und im Zweifelsfall auch die Mission beenden.

Spielzeug

Natürlich verlässt sich der Geheimagent von Welt nicht auf seine bloßen Hände, sondern vertraut vor allem auf diverse technische Spielzeuge, die es ihm erleichtern, am Leben zu bleiben. Zuerst zu nennen ist da natürlich die legendäre dreiäugige Sehhilfe, die aber mehr kann als bloßen Dioptrienausgleich. Das Nachtsichtgerät ermöglicht problemlose Sicht da, wo der Gegner verzweifelt in die Schatten starrt. Alternativ dazu bietet die Wärmekamera einen schnellen und guten Überblick, wo sich Personen befinden und die EMF-Sicht (Electro Magnetic Field) lässt Lichtschalter, Lampen, Stromleitungen und natürlich auch versteckte Mikrofone und Sicherheitskameras deutlich zutage treten. Dies lässt sich gut in Verbindung mit der schallgedämpften Pistole nutzen, die neben der ersten, bleihaltigen Option auch noch einen zweiten Feuermodus besitzt, mit dem sich Lampen, Kameras und andere technische Geräte vorübergehend beeinflussen lassen. Praktisch, um schnell unter einer Sicherheitskamera hindurchzuhuschen oder einen gegnerischen Soldaten mit flackernden Lichtern oder verrücktspielenden Maschinen abzulenken. Wie es sich für einen guten Geheimagenten gehört, sind auch diverse Codeschlösser und Sicherungssysteme zu hacken; dank seiner Ausrüstung ist dies Fisher oft sogar aus gewisser Entfernung möglich. Hier darf der Spieler selbst entscheiden, ob er lieber komplett im Schatten agiert oder den Nervenkitzel sucht und dem Gegner etwas näher kommen möchte.

Das vollautomatische SC-20K Sturmgewehr besitzt nicht nur einen Schalldämpfer, sondern kann auch noch mit verschiedenen Modulen bestückt werden, die den Funktionsumfang der Waffe erheblich erweitern. So verschießt das Werfermodul zum Beispiel Haftkameras, Gasgranaten und K.O.-Tropfen in Form von großen Metallringen. Der Zusatzgriff ermöglicht besseres Zielen; Scharfschützen- und Schrotmodul bieten hervorragende, wenn auch recht laute, Möglichkeiten, dem Gegner auf lange und kurze Distanz effektiv zu Leibe zu rücken. Das Kampfmesser, das nicht nur zum lautlosen Ausschalten des Gegners, sondern auch zum Schlösserknacken und Schaltkreiseüberbrücken gut geeignet ist, komplettiert das Waffenarsenal. Weiterhin stehen noch Haftminen sowie Blend-, Nebel- und Splittergranaten zur Verfügung.

Die Tür war doch vorhin noch zu?

Nein, ganz blöd sind die gegnerischen Einheiten nicht. Sie erinnern sich genau, ob das Licht im Nachbarraum an oder aus war, ob Türen offen oder geschlossen waren und gehen jeder Anomalie auf den Grund. Ist es zu dunkel, setzen sie auch gern Taschenlampen oder Leuchtfackeln ein, um auch im letzten Winkel nachsehen zu können, was der Grund für die Aufregung war. Sie reagieren auf Schritte, die über dem allgemeinen Geräuschniveau liegen, auf verdächtige Schatten an der Wand und Reflexionen im Spiegel, sind also eine durchaus ernst zu nehmende Gefahr. Nicht zuletzt werden sie auch durch das plötzliche Verschwinden ihrer Kameraden aufgeschreckt. Von dem Trara, wenn ein Bewusstloser oder gar ein Toter gefunden wird, ganz zu schweigen. Leider wurde das Sicherheitsbewusstsein hier nicht der jeweiligen Umgebung angepasst. Mag sein, dass speziell ausgebildete Wachsoldaten entsprechend misstrauisch auf jede Veränderung ihrer Umgebung reagieren. Wenn dies aber jeder umherlaufende Schiffsmechaniker auch tut, wirkt das dann doch ein wenig übertrieben.

In dunklen Ecken

Auch wenn die möglichst schlecht beleuchteten Ecken der Umgebung die meiste Zeit des Spiels der bevorzugte Aufenthaltsort sein sollten, so bleibt doch gerade aufgrund der zelebrierten Langsamkeit des Spiels genügend Zeit, die Szenerie genauer unter die Lupe zu nehmen. Anstatt sich aber auf den gnädigen Schleier der Dunkelheit zu verlassen und bei Auflösung und Detailreichtum der Texturen und der Objekte zu sparen, haben sich die Entwickler hier mächtig ins Zeug gelegt und eine rundum glaubhafte und lebendige Spielwelt kreiert. Die Szenen wirken nur selten steril, überall gibt es kleine Details und auch das ein oder andere Easter-Egg zu entdecken. Die Spieleentwicker scheinen allerdings immer stärker in den Stellungskrieg der beiden Grafikgiganten hineingezogen zu werden: So promotet Splinter Cell - Chaos Theory die neuen GeForce 6 Karten und ihre Shader-Technologie, die neueste Entwicklung aus dem Hause nVidia und lässt Besitzer älterer Karten oder Konkurrenzprodukte im Regen stehen, und verweigert ihnen einige grafische Spielereien. Doch was bringt der Sprung auf Shader Model 3.0? Nun ja, zum einen erstmal einen ordentlichen Einbruch der Frame-Zahlen, was aber aufgrund der eingesetzten HDR-Technologie (High Dynamic Range) zu erwarten war. Und sonst so? Sicher, es sieht alles einen Hauch realistischer aus, gerade das Bump-Mapping profitiert von der neuen Beleuchtungssituation, aber ob das den Performance-Einbruch wert ist? Letztendlich muss das natürlich jeder Spieler selbst entscheiden, auffällig jedoch ist, dass auch Splinter Cell an der "Far Cry - Krankheit" leidet. Nicht selten wirken Objekte, gerade Wände oder Treppen, recht plastikartig, ein Effekt, der durch die HDR-Technik noch verstärkt wird. So hätte ein wenig Mehraufwand beim Erstellen der 1.1-Shader sicher mehr gebracht als die performancehungrige Spielerei mit der bildbasierten Beleuchtung. Zumal ohnehin noch nicht allzu viele Leute in deren Genuss kommen dürften.

Sound

Nicht nur optisch macht das Spiel einiges her: In puncto Detailreichtum braucht sich die Arbeit der Sounddesigner nicht hinter der der Grafiker zu verstecken. Die Spielwelt ist gefüllt mit einer reichhaltigen Geräuschkulisse, die durchaus auch auf das Spielgeschehen Einfluss nimmt. Denn so gründlich, wie die Wachen dem Rätsel der offenen Tür oder des defekten Lichts nachgehen, so sensibel reagieren sie auf verdächtige Geräusche wie Schritte, Türenklappern oder Schüsse - vorausgesetzt, diese sind lauter als die umgebende Hintergrundgeräuschkulisse. Neben einer lärmenden Turbine mag es kein Problem sein, eine Wache mit einer gezielten Salve außer Gefecht zu setzen, in der besinnlichen Atmosphäre eines chinesischen Teehauses führt dies aber unweigerlich zum gefürchteten Großalarm. Auch die Musik im Spiel ist passend zur Stimmung, schon am Tempo lässt sich der Erregungszustand der Wachen ablesen und so die eigenen Handlungen anpassen.

Ein Freund, ein guter Freund...

Multiplayer. Das Zauberwort und Verkaufsargument Nummer eins bei fast allem, was ein guter First-Person-Shooter sein will. Natürlich kann auch Splinter Cell - Chaos Theory mit einem solchen aufwarten, doch zusätzlich zum üblichen Räuber-und-Gendarme-Spiel hat sich noch ein interessanter Spielmodus gesellt, der es zwei Nachwuchsagenten gestattet, gemeinsam in die Fußstapfen des großen Sam Fisher zu treten. Dabei ist die Rahmenhandlung wunderbar mit dem Handlungsstrang des Singleplayer-Modus verknüpft; wer von diesem etwa die Hälfte absolviert hat, wird die fraglichen Szenen sicher wiedererkennen. So stellt der Einstieg in den kooperativen Multiplayer keinen Bruch dar, die Spielumgebung und die gestellten Aufgaben bedürfen nicht weiter der Einführung und die Spielumgebung ist somit gleich von Beginn an glaubwürdig und konsistent. Eine wirklich gelungene Lösung.

Weniger gelungen ist allerdings die technische Umsetzung des Mehrspieler-Modus. Sicher: Sound, Leveldesign und Detailreichtum brauchen sich hinter dem Einzelspieler-Modus nicht zu verstecken, die technische Seite weist aber einige gravierende Mängel auf. Schon der schnell nach Erscheinen des Spiels zur Verfügung gestellte Patch auf die Version 1.01 lässt vermuten, dass die auftretenden Probleme sehr wohl bekannt waren, womöglich aber zugunsten des raschen Erscheinens zurückgestellt wurden. Die Mindestanforderung einer 64 kbit/s Breitbandverbindung stellt sich meist als recht niedrig angesetzt heraus, Verbindungen brechen ab oder kommen erst gar nicht zustande und es dauert oft mehr als eine halbe Stunde, bevor überhaupt ein Spiel zustande kommt. Auch mit dem Patch bleiben diese Probleme größtenteils bestehen, es bleibt zu hoffen dass hier noch einiges getan wird und dieser interessante Spielmodus nicht vermeidbaren technischen Kinderkrankheiten zum Opfer fällt.

Denn hat man erst einmal ein Spiel offen, wähnt man sich sofort wieder in der gewohnten Splinter Cell-Welt , mit dem Zusatz, dass man nun einen Mitspieler hat und den Auftrag nicht im Alleingang, sondern im Team lösen muss. Dazu können die Spieler sich natürlich gegenseitig Feuerschutz geben, mittels Räuberleiter hohe Mauern bezwingen und mit geschickten Ablenkungsmanövern die Gegner ins Bockshorn jagen. Wenn ein Headset und ein gesprächiger Mitspieler vorhanden sind, kann man sich natürlich auch auf diesem Wege Kommandos übermitteln und das gemeinsame Vorgehen koordinieren. Doch Vorsicht, die Gegner können auch dies hören. Wer seinem Mitspieler lauter ins Ohr plärrt, als es der Geräuschpegel der Umgebung zulässt, riskiert, dass die nahen Wachen sich - mit Pistole und Taschenlampe im Anschlag - auf die Suche nach der Störung machen. Auch dieses Feature zeugt wieder vom Bestreben, den Spieler in die Spielwelt eintauchen zu lassen, weg vom Spiel, hin zum Erlebnis.

Zum Schluss etwas Auffälliges: Sam Fisher mag frischen Atem. Wie sonst ist die auffällige Platzierung einer Stange Erfrischungs-Kaudragees im Spiel und in diversen Zwischensequenzen zu erklären? Keine Frage, ein solches Spiel zu produzieren kostet eine Menge Geld und wenn sich jemand bereit erklärt, einen Teil dieser Kosten zu übernehmen, wenn im Gegenzug dazu sein Produkt im Spiel platziert wird, so ist dagegen nicht viel einzuwenden. Wenn, ja wenn diese Platzierung Sinn macht und nicht derart auffällig und fehl am Platze wirkt wie die der Packung Airwaves in Splinter Cell - Chaos Theory. Auch ein für seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht berüchtigtes Deo wurde gesichtet - Sam wird doch auf seine alten Tage nicht seinem berühmten, Martini schlürfenden Kollegen nacheifern und gar versuchen die Frauenwelt zu betören?

Noch ein, zwei Marken mehr und eine etwas weniger prominente Platzierung und es würde nach einer gelungenen Marketing-Aktion aussehen - die Verwendung wäre glaubhaft, im Zusammenspiel logisch und der Stimmung der Szene zuträglich. Doch dadurch, dass es nur so wenige bekannte Logos sind, stechen diese - was sicher auch so gedacht ist - extrem ins Auge, nur wirkt alles ein wenig künstlich und aufgesetzt. Nicht zuletzt deshalb, weil es sich ja bei der Spielhandlung erkennbar um eine Fiktion handelt, das Auftreten dieser Marken also kaum als Zufall durchgehen kann. Leider muss sich wohl in diesem Punkt die Spieleindustrie noch etwas mehr an Hollywood-Produktionen orientieren, wo gezieltes und stimmiges Product Placement seit Jahren ein einträglicher Geschäftszweig ist. Für ein Schmunzeln ist es allerdings allemal gut.

Genug gelästert. Splinter Cell - Chaos Theory ist, bis auf die technologischen Schwächen der Multiplayer-Architektur, ein rundum gelungenes Spiel. Der packende Einzelspieler-Modus lässt dem Spieler weitestgehend Freiheiten, wie er an seine Aufgabe herangeht. Wer lieber etwas forscher mit flinkem Abzugsfinger vorgeht, wird ebenso seinen Spaß haben wie Freunde des kultivierten Schleichens. Der Schwierigkeitsgrad ist einstellbar und lässt auch dem Einsteiger Chancen. Das Erlernen der grundlegenden Spielzüge wird über Trainingsvideos garantiert, zudem steigert sich der Schwierigkeitsgrad nur leicht über die Missionen. Wer eine gut gemachte Story und in Grafik wie Sound handwerklich saubere Produktionen zu schätzen weiß, ist mit diesem Titel gut beraten, auch wenn der Multiplayer-Part geradezu nach einem weiteren Patch schreit.

(16.04.2005)

Entwickler: Ubisoft
Publisher: Ubisoft
Genre: Stealth-Shooter
Releasedate: Bereits im Handel
Homepage: Splinter Cell - Chaos Theory
Preis: 39,99 €
Altersfreigabe:  Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

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