Ragdoll Kung Fu

Ragdoll Kung Fu

(Eclypse)

geschrieben von Hans Thiel

 

Karate ist zu statisch? Wing Tsun nur was für Omis? Beim Taekwondo treffen sich spärlich belichtete Türsteher und Boxen ist auch nicht mehr das, was es mal war? Keine Angst: Hier kommt "Ragdoll Kung Fu", um diese Lücke zu füllen. Wem starre Kampfregeln mit einstudierten Formen und Kombinationen zu langweilig sind, dem bietet "Ragdoll Kung Fu" die völlige Freiheit, einen eigenen neuen Stil zu erschaffen und zur Perfektion zu bringen. Regeln? Keine.

Die Kraft des Chi

Die Rache der Ragdolls. Für gewöhnlich dienen diese vereinfachten Gliederpuppen eher dazu, Gegnern, die das Zeitliche gesegnet haben, auch noch etwas "Leben" einzuhauchen. Diese fallen dann mehr oder minder realistisch über Klippen oder Treppen, lassen sich prima treten oder mit einer weiteren Salve noch mal so richtig schön zum Zappeln bringen. Und genau deshalb rufen sie oft genug die Jugendschützer auf den Plan. "Ragdoll Kung Fu" beweist, dass die Puppen zu mehr als bloßer Staffage taugen.

"Ragdoll Kung Fu" wird komplett mit der Maus gesteuert, durch Klicken und Ziehen an den Gliedmaßen des Kämpfers kann er in alle möglichen und unmöglichen Positionen gebracht werden, um aus diesen heraus den Gegner mit fiesen Tritt- und Schlagkombinationen einzudecken. Dabei bleibt es dem Spieler überlassen, ob der eigene Stil vollen Körpereinsatz fordert oder sich auf Hand-, Fuß- oder Kopfarbeit beschränkt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, einzig das Ergebnis zählt. Geheime Bewegungsabläufe aktivieren verheerende Angriffstechniken und verschiedene Waffen lassen den Gegner vor Furcht erzittern. Die genretypische Portion Magie darf auch nicht fehlen, gefangene Schmetterlinge ermöglichen Blitz- oder Feuerschläge und der Verzehr der kleinen, lustigen Pilze am Boden dehnt die Zeit und ermöglicht höhere und weitere Sprünge. Und wer sich auf sein Innerstes konzentriert, kann mit der Kraft seines Chi wahre Wunder vollbringen. Die Zutaten für einen typischen Eastern sind also vorhanden. Fehlt nur noch eine packende Geschichte.

Die Story

Die Einzelspieler-Story von "Ragdoll Kung Fu" ist mit wenigen Worten zu beschreiben: Tochter des Kung Fu-Meisters wird von fiesem Miesepeter entführt, der alte Meister und der Held machen sich auf, sie zu retten und müssen auf dem Weg so manchen Kampf bestreiten. Im eigentlichen Spiel macht sich das hauptsächlich durch unterschiedliche Umgebungen und Gegner bemerkbar, das Grundprinzip bleibt aber immer das Gleiche: auf die Mappe, bis sich nix mehr rührt. Das ist zwar recht witzig, macht aber im Grunde nicht viel her. Wenn da nicht die Zwischensequenzen wären. In authentischem Kampffilm-Stil wird dort von hochprofessionellen Darstellern die Hauptstory weitererzählt. Atemberaubende Spezialeffekte lassen den erstaunten Zuschauer in den Sessel kriechen, die aufwendige Vertonung ist oscarreif.

Natürlich ist dem nicht so. Und genau deshalb bleibt beim Spielen von "Ragdoll Kung Fu" kein Auge trocken. Der Held, gespielt vom Entwickler Mark Healey selbst (stilecht mit fleischfarbener Badekappe), kiffende Ninjas, der Oberbösewicht als Bob Marley-Verschnitt, alles mit wackeliger Kamera in einer Qualität, die jedem ambitionierten Hobbyfilmer schon vor zwanzig Jahren die Tränen in die Augen getrieben hätte und mit den Kung Fu-typischen Quietsch- und Grunzlauten unterlegt. Auf Sprache wurde komplett verzichtet, die Szenen sind aber komplett untertitelt. Dem schrägen Humor des eigentlichen Spiels wird hier eine ebenso skurrile Hintergrundstory beigestellt, die schon für sich genommen sehenswert ist. Packende Zweikämpfe mit Fäusten, Handkanten, Füßen und Schwertern fehlen ebenso wenig wie die Portion Melodramatik.

Kick it like ...

Ninjas aus der Strumpfmaske zu kloppen mag eine Weile recht amüsant sein, doch auf Dauer braucht ein jeder Kampfmeister etwas Abwechslung. Fußball? Ja, warum eigentlich nicht. Ein wenig erinnert die Szenerie an "Shaolin Soccer", nur noch ein Stückchen mehr überdreht und mit der ganz eigenen Ragdoll-Ästhetik. Es gilt, einen übergroßen Fußball mit Tritt- und Schlagkombinationen in die gegnerische Spielhälfte und letztendlich in dessen Tor zu befördern. Das wiederum erinnert eher an ein Football-Tor, lediglich zwei Stangen markieren die Zielzone. Das macht aber auch unerreichbare Hochpässe ins gegnerische Tor möglich. Natürlich wachsen auch auf dem Rasen die altbekannten Pilze und in den von Zeit zu Zeit herabfallenden Töpfen verbirgt sich so manche Gemeinheit, die dem Gegner das Leben schwer machen kann. Zur Behandlung der anderen Mannschaft ist selbstverständlich alles erlaubt, was das Kampfkunst-Repertoire hergibt, nur irgendwie in Ballnähe sollte es passieren, sonst setzt es Elfmeter.

Sollte das fröhliche Fußballspielchen auch irgendwann langweilig werden, bietet "Ragdoll Kung Fu" noch weitere kurzweilige Mini-Spiele. Hoch- und Weitsprung, Sprint sowie Weitwurf und Weitschuss spornen die athletischen Fähigkeiten an und sind, ob der recht hoch gesetzten Highscores, auch gar nicht so leicht zu bewältigen. Obendrein gibt es noch einen Moviemaker, mit dem der Spieler die Möglichkeit hat, einen ganz persönlichen Eastern zu kreieren. Wie es sich für ein richtiges Prügelspiel gehört, sind all diese Kostbarkeiten nicht von Anfang an verfügbar, sondern müssen durch kämpferisches Geschick und eine gewisse Portion Spürsinn erst freigespielt werden.

Multiplayer

"Ragdoll Kung Fu" kommt in zwei Varianten auf der CD. Einmal in einer Standard-Variante und dann noch mal in einem Modus mit Unterstützung für Valves Steam-Technologie. Letztere bietet automatische Updates und weitere Multiplayer-Optionen. Das Spiel lässt sich allerdings nicht nur klassisch im Multiplayer an verschiedenen Rechnern spielen, sondern bietet die auch Möglichkeit, an einem Rechner gegeneinander anzutreten. Das erfordert den Anschluss weiterer Mäuse, ist dann aber wesentlich kommunikativer als der "normale" Multiplayer-Part. Leider aber nur für Besitzer von Windows XP, andernfalls ist der Anschluss der beiden Mäuse zwar problemlos möglich, im Spiel selbst tut sich aber nichts. Auch das Handbuch schweigt sich zu dieser Problematik aus.

Fast alle Mini-Spiele können auch im Multiplayer gespielt werden, bei einigen ändern sich dann die Regeln leicht, oder die Spieler müssen sich unterschiedlichen Teams anschließen. Leider klappt das mit dem Mehrspielerspaß übers Internet nur sporadisch - die Spielerbasis ist wohl noch recht klein, so dass nur selten ein offenes Spiel zu finden ist. Erschwert wird das Ganze durch Inkompatibilitäten der steamlosen und der Steam-Version, so dass letztendlich doch das heimische Netzwerk herhalten muss. Vorteil der Steam-Version sind natürlich die automatischen Updates, die das Spiel möglicherweise auch mit neuem Inhalt versorgen sollen, beim angekündigten Karteneditor steht allerdings seit geraumer Zeit nur ein "Coming soon!".

Grafik

Die optische Aufmachung des Spiels zeigt viel Liebe zum Detail, auch wenn "Ragdoll Kung Fu" nicht mit atemberaubenden Spezialeffekten glänzen kann. Was den Vorteil hat, dass es auch auf schwächeren Rechnern durchaus spielbar ist. Auf dreidimensionale Modelle wurde verzichtet, alles spielt sich in traditioneller Side-Scrolling-Sicht ab. Die Umgebung hat eher kulissenhaften Charakter und unterstreicht die zappeligen Bewegungen der Akteure hervorragend. Im Spiel lässt sich ein Filter zuschalten, der die Optik im Kampf noch besser an die verrauschten Zwischensequenzen annähert. Abseits der Spielstory kann der Spieler den eigenen Charakter für die Mini-Spiele und Multiplayer-Kämpfe beliebig im Aussehen verändern. Dabei stehen nicht nur mehrere vorgefertigte Grafiken zur Verfügung, "Ragdoll Kung Fu" bietet jedem die Gelegenheit, einen ganz persönlichen Krieger zu kreieren. Nötig sind lediglich ein Bildbearbeitungsprogramm und etwas Geschick und fertig ist die eigene Kampfmaschine. Es sollte nicht lange dauern, bis findige Spieler ihre eigenen Kreationen zur Verfügung stellen, der Nachschub an skurrilen Figuren dürfte also auch für Nicht-Grafiker gesichert sein.

Sound

Ein weiteres Mini-Spiel ermöglicht es dem Spieler, im Menü die Hintergrundmusik nach seinem Geschmack zu mixen, die entsprechenden Regler müssen allerdings im Story-Modus erst freigespielt werden. Ansonsten bietet der Sound alles, was einen guten Eastern auszeichnet - satte Treffersounds, unverständliches Gebrabbel, das mit etwas gutem Willen chinesisch klingt und jede Menge Geräusche, die direkt im Hühnerstall aufgenommen wurden. Die Möglichkeit, das Spielgeschehen zu verlangsamen, wirkt sich im Übrigen auch auf die Geräuschkulisse aus - Mr. Payne lässt grüßen.

"Ragdoll Kung Fu" ist Trash. Und zwar von der allerfeinsten Sorte. Grafik, Sound, Spielprinzip und Story-Film bilden eine Einheit und lassen echtes Eastern-Feeling aufkommen. Das Spiel macht einen Heidenspaß, sowohl allein als auch gegen andere, kann diese Begeisterung aber nicht über mehrere Stunden am Stück aufrechterhalten. Ein kurzweiliges Spiel für zwischendurch eben. Es wäre zu wünschen, dass noch mehr Spieler das Spiel für sich entdecken, um auch den Online-Mulitplayer richtig in Schwung zu bringen. Allen, die Freude an schrägem Humor und Slapstick haben, sei "Ragdoll Kung Fu" deshalb wärmstens empfohlen.

(10.05.2006)

Entwickler: Mark Healey
Publisher: Eclypse
Genre: Prügelspiel
Releasedate: bereits erschienen
Homepage: Ragdoll Kung Fu
Preis: 19,90 €
Altersfreigabe: freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

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