The Matrix - Path of Neo

The Matrix - Path of Neo

(Atari)

geschrieben von Hans Thiel

 

Die Matrix Trilogie - insbesondere der grandiose erste Teil, "The Matrix" - hat Filmgeschichte geschrieben und weltweit Millionen Kinobesucher in ihren Bann gezogen. Nachdem sich in der ersten Spielumsetzung "Enter the Matrix" die zweite Garnitur die Ehre geben durfte, schlüpft der Spieler nun endlich in die Rolle des Hauptprotagonisten: ‚Mr. Anderson’ alias Neo.

"The Matrix - Path of Neo" ist nicht als Fortsetzung der Trilogie zu sehen, ist aber auch kein minutiöses Nachspielen der Filmhandlung. Stattdessen werden in der Spielstory Elemente, Filmsequenzen und Anleihen aus allen drei Filmen sowie den "Animatrix"-Kurzfilmen grob entlang der Rahmenhandlung verteilt, wild durcheinandergewürfelt und geschnitten wie ein Videoclip. Die Spieler, die mit der Handlung, den Orten und Personen der Filmtrilogie nicht vertraut sind, können die Zwischensequenzen, die teils aus Original-Filmmaterial, teils aus Ingame-Stücken bestehen, getrost überspringen, ein Gefühl für Zusammenhänge oder ein roter Faden kristallisieren sich ohne eine gute Portion Vorwissen nur schwer heraus. Andererseits wird es erklärten Fans der Filme wiederum sauer aufstoßen, wie sorglos und wild Filmsequenzen und Handlungsstränge an die Anforderungen eines Spielkonzepts angepasst wurden.

Das Spiel startet mit der Flucht Neos aus dem Bürogebäude seines alten Arbeitgebers, die Agenten und Wachmänner immer dicht auf den Fersen. Doch anstatt hier gleich mit einem actiongeladenen Knaller einzusteigen, hat sich der Entwickler Shiny Entertainment entschieden, mit der wohl zweifelsfrei langweiligsten Partie des Spiels gleich die ersten Spieler mit Grausen die Flucht ergreifen zu lassen. Klar, eine Art Tutorial, schleichen, gegen Wände drücken, unentdeckt bleiben, doch hey, das hier ist die Matrix - welcher wahre Auserwählte drückt sich feige an der Wand entlang, wenn geradeaus das schönste Kampfgetümmel wartet? Zumal die Gegner ohnehin meist ziemlich genau wissen, wo sich Neo befindet. Und so gewinnt "The Matrix - Path of Neo" nur langsam an Fahrt. Nach der erfolgreichen Flucht und der weisen Entscheidung, doch die rote Pille zu nehmen, findet sich Neo, bekleidet mit einem ulkigen Samurai-Schlafanzug, in einem düsteren Kellergewölbe wieder, wo ihm die Grundzüge des Kampfsystems eingebläut werden. Auch hier hat sich Shiny in puncto Geradlinigkeit und Einschlaf-Faktor wieder selbst übertroffen, die Herausforderungen bleiben, bis zum Endkampf gegen mehrere Gegner, minimal, zudem sind die meisten der netten Spezial-Kombos, die den eigentlichen Coolness-Faktor der Kämpfe ausmachen, auch noch nicht freigeschaltet. So prügelt sich der Spieler gezwungenermaßen durch die Gemäuer, und lernt nach und nach immer weitere Kombinationen, mit denen sich die Gegner ausschalten lassen. Auf den Schlagabtausch folgt eine weitere Runde mit dem Schwert, schlussendlich noch der Umgang mit Wurf und Feuerwaffen, und dann erst, setzt die eigentliche Handlung wieder ein.

Wo laufen sie hin, Mr. Anderson?

"The Matrix - Path of Neo" ist ein reinrassiger Konsolentitel und kann dies auch auf dem PC nicht verheimlichen. Ein Gamepad ist empfehlenswert, die Steuerung mit Maus und Tastatur ist derartig unpräzise, dass es ab und an verwundert, dass Neo überhaupt irgendetwas trifft. Angefangen von den ruckartigen Bewegungen der Spielfigur über die unpräzise Mausübertragung - zumindest in den Grundeinstellungen ähnelt "Path of Neo" mehr einem Eiertanz denn einem Actionspiel. Zu der Konfusion und Hektik, die das Spiel durch Grafik, Sound und Gegneranzahl generiert, passt diese Steuerung absolut nicht, nicht selten steckt Neo böse Treffer ein, die mit einer klareren Steuerung vermeidbar gewesen wären. Die Kamera setzt dem Ganzen die Krone auf: Immer in den unpassendsten Momenten wechselt sie die Position, schwirrt um den Spieler herum, durchdringt dabei Wände wie Gegner gleichermaßen, verschwindet hinter Objekten oder springt plötzlich vor diese, kurzum, sie macht das Chaos perfekt. Eine Zoom-Möglichkeit existiert zwar, ist bei der unruhigen Kameraführung jedoch noch weiter hinderlich, meist hüpft die Kamera just in dem Moment, wo wieder freie Sicht auf das Geschehen herrscht, an eine ganz andere Stelle des Raumes, wo gerade diese Zoomstufe die Sicht noch weiter behindert. Murphy lässt grüßen.

Die irrwitzigen und zahlreichen Schlagkombinationen lassen sich nur selten präzise im richtigen Moment abrufen und in Mausklicks umsetzen. Sicherlich wird es Spieler geben, die genau diese Herausforderung meistern, die die unzähligen Klick-Kombinationen auswendig lernen und auch anzuwenden wissen, für den großen Rest bleibt aber nicht viel mehr als wildes Herumgeklicke und der gewisse Überraschungsfaktor, wenn Neo nach mehreren Standard-Aktionen plötzlich mal wieder etwas Spektakuläreres einlegt. Zudem sind die meisten Kombos auch noch an spezielle Bedingungen zur Ausführung geknüpft, so muss etwa Neo gerade eine Wand entlanggelaufen sein und der Gegner muss mit dem Rücken zu ihm stehen oder ähnlich unwahrscheinlich klingende Kombinationen. Durch die vielen Kämpfe und die Heerscharen von Gegnern treten genau diese Fälle erstaunlich oft auf und so kommen auch Spieler, die nicht der Gattung Tastaturakrobaten angehören, auf ihr visuelles Schmeckerchen.

Sie sehen scheußlich aus, Mr. Anderson.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Spiele gleichzeitig für PC wie für Konsole produziert und veröffentlicht werden, doch sollte keine der Plattformen darunter leiden. Im Fall von "Path of Neo" scheint eindeutig die PC-Version den Kürzeren gezogen zu haben. Und wieder ist es der geruhsame Auftakt des Spiels, der die eigentlichen Schwächen zu Tage treten lässt. Die gesamte Spielwelt erscheint reichlich kantig, vor allem die Figuren wirken eher grob gehauen, Texturen sind niedrig aufgelöst und verwaschen, was sich auch mit höheren Auflösungen und Qualitätsstufen nicht merklich ändert. Durch das ständige Warten auf eine günstige Gelegenheit, in den nächsten Gang zu huschen, ist der erste Spiellevel geradezu prädestiniert, die grafischen Qualitäten genauestens unter die Lupe zu nehmen. Und "Path of Neo" versagt hier auf ganzer Linie. Mit diesem getrübten Eindruck fallen diese Unzulänglichkeiten dann auch in den actionreicheren Sequenzen und Zwischenfilmen auf, gerade im Wechsel mit Filmmaterial macht das Spiel keine gute Figur. Wenn sie nicht gerade am Kämpfen sind, bewegen sich die Gegner ruckartig, abgehackt und auf scheinbar exakt festgelegten Pfaden. Der zackige Hüftschwung, mit dem die Agenten im ersten Level um die Ecken zirkeln, lässt jede Bauchtänzerin vor Neid erblassen, zu Herren in Maßanzügen mag das doch irgendwie nicht passen. Ganz anders in den Kampfszenen. Natürlich kommt es auch dann vor, dass Soldaten wirr in der Gegend herumlaufen und auch schon mal die ein oder andere Wand touchieren, ohne dass Neo nachhelfen musste, in der Hektik des Geschehens fällt dies jedoch weit weniger ins Gewicht. In diesen Momenten kann "Path of Neo" voll seine Fähigkeiten demonstrieren. Mehrere Gegner, atemberaubende Schlag-, Tritt- und Sprungkombinationen und ein fast komplett zerlegbares Mobiliar - das sind Dinge, die einen Matrix-Titel interessant machen und die den Gesamteindruck merklich anheben. Mit fortschreitendem Spiel lernt Neo immer neue Kombinationen hinzu, zwischen den einzelnen Spielabschnitten kann aus einer Reihe von Fähigkeiten gewählt werden. Neben den üblichen Kombinationen, die Gegner auf besonders ansehnliche Art und Weise aus dem Speicher befördern, sind noch einige neue Fähigkeiten hinzugekommen, die das Spielprinzip um einige interessante Teilaspekte erweitern. So lässt sich das Geschehen auch in einer Art ‚Code-Ansicht’ darstellen, dies hebt bestimmte Gegenstände und Gegner hervor und sorgt für die gewisse Extra-Portion Coolness. Wirklich praktischen Nutzen bringen allerdings nur die wenigsten dieser Spielereien, Hauptsache die Optik stimmt. Über den Zweck von hautengen Lederkostümen diskutiert man(n) ja auch nicht mehr, wenn Trinity durch den Raum wirbelt.

Warum so laut, Mr. Anderson?

Ein Lichtblick ist immerhin die Soundkulisse des Spiels. Die Schuss- und Einschlaggeräusche machen einen Großteil der Atmosphäre des Spiels aus, auch die restliche Geräuschkulisse weiß durchaus zu überzeugen. Zumindest für die Deutsche Version scheinen alle Synchronsprecher der Filme auch die Dialogtexte des Spiels eingesprochen zu haben, im englischen Original musste für diese Stellen Ersatz gefunden werden. Dieser ist aber auch durchweg gut, ein wirklicher Unterschied tritt nur hervor, wenn Filmszenen und Spielszenen kurz aufeinander folgen. Besonders schön anzuhören sind immer wieder Geräusche im ‚Bullet-Time’-Modus, die Einschläge donnern gleich noch mal so kraftvoll und untermalen die Zerstörungen dramatisch.

Was nun, Mr. Anderson?

Wie schon die gesamte Film-Trilogie, so ist auch "The Matrix - Path of Neo" als Gesamtwerk eher durchwachsen. Nach einem mehr als langatmigen Start gewinnt das Spiel beständig an Fahrt und kann in vielen Situationen seine Stärken - Kampf gegen ganze Gegnerscharen, filmreife Martial-Arts-Einlagen und einen ordentlichen Sound - voll ausspielen. Auf der anderen Seite fallen die grafischen Schwächen der PC-Version deutlich auf, von der kühlen Techno-Ästhetik der Filme ist "Path of Neo" meilenweit entfernt. Zudem kommt nach einiger Zeit das Gefühl auf, dass viele der Sequenzen durch immer neue Gegnerwellen künstlich ‚gestreckt’ wurden, um über die teilweise recht dünne Story-Decke hinwegzuhelfen. Insgesamt also kein Meisterwerk, aber ein solider, zum Ende hin, rasanter werdender Action-Titel mit deutlichen Defiziten in der Steuerung. Und, wer weiß, wann sich die nächste Gelegenheit bietet, ‚Der Eine’ zu sein?

(29.11.2005)

Entwickler: Shiny Entertainment
Publisher: Atari
Genre: Action
Releasedate: Bereits erschienen
Homepage: The Matrix - Path of Neo
Preis: 49,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

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