Civilization IV: Warlords

Civilization IV: Warlords

(2k Games)

geschrieben von Sebastian E.R. Hör

 

Warlords. Hört man diesen Begriff, denkt man automatisch an rücksichtslose Territorialherren, die eine bestimmte Region innerhalb eines Landes kontrollieren und diese nach Kräften ausbeuten. Heute denkt man an die Warlords in Afghanistan. Zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts dachte man an China. Und ganz egal, wo und in welchem Zusammenhang von Warlords die Rede ist, der Begriff ist negativ besetzt, wofür es heutzutage auch gute Gründe gibt. Doch das war nicht immer so. Der entsprechende deutsche Begriff lautet Kriegsherr, und dieser Titel haftet auch an einigen der bekanntesten Feldherren der Geschichte - Alexander dem Großen, Hannibal, Dschingis Khan. Diese Aufzählung ließe sich noch beliebig erweitern, doch nur die drei genannten Heerführer stehen im Zentrum des ersten Addons zu "Civilization IV": "Warlords".

Wenn du Frieden willst, rüste für den Krieg

In der Tat liegt das Hauptaugenmerk von "Warlords" auf der Kriegführung - schon die Hülle kündet von epischen Schlachten und gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wo im Hauptspiel noch ein friedliches Utopia auf der Vorderseite prangte, zieren nun Soldaten aller Art das Cover. Keulenschwingende, archaische Krieger, dahinter ein schildbewehrter römischer Legionär, dann mittelalterliche Kavallerie und im Hintergrund die Ruinen einer Stadt, von deren Boden aus sich eine Atomrakete in den Himmel erhebt. Genauso das gerenderte Intro: Schwerter werden geschmiedet, Helme aufgesetzt, Lanzen und Piken in den Himmel emporgereckt und der Sturm auf die Mauern einer Stadt beginnt. Belagerungstürme spucken im Fackelschein grimmig dreinblickende Infanteristen aus, Pfeile regnen vom Himmel und martialische Schlachtmusik begleitet das Spektakel. Im Hauptmenü glotzt dem Spieler ein grimmig dreinblickender Heerführer entgegen, der ab und zu auch mit seinem Schwert herumfuchtelt, wenn man zu lange darin verweilt. Aber das werden die wenigsten "Civ"-Süchtigen tun. Das Menü gliedert sich wie gehabt in die Bereiche Einzelspieler, Multiplayer, Ruhmeshalle betrachten, Zivilopädie und Erweitert; hinter letzterem verbergen sich die Optionen und die automatische Updatefunktion.

"Warlords" legt den Schwerpunkt auf acht Szenarios, die in unterschiedlichen Epochen auf verschiedenen Kontinenten spielen und die von der Antike bis zur Aufklärung teils eng, teils weiter an historischen Ereignissen orientiert sind. Dabei stehen für jedes Szenario spezielle Technologien und Einheiten zur Verfügung, die im normalen Spiel so nicht vorkommen beziehungsweise modifiziert wurden. Das erste davon (chronologisch betrachtet) behandelt die Einigung Chinas. Als Oberhaupt eines der insgesamt acht Völker, die um die Vorherrschaft im Reich der Mitte streiten, trachtet man danach, seine Rivalen aus dem Weg zu räumen, um sich zum uneingeschränkten Herrscher aufzuschwingen. Die acht regionalen Reiche verfügen über unterschiedliche Starteigenschaften, wie man sie auch vom normalen Spiel kennt; so ist beispielsweise das Qi-Reich expansiv und imperialistisch, während das Zhao-Reich sich eher auf Charisma und Defensive verlässt. Doch egal, für welche der konkurrierenden Mächte man sich entscheidet - die Zielsetzung bleibt dieselbe; lediglich die Mittel sind, je nach Orientierung der gewählten Partei, unterschiedlich. Die aggressiveren und expansionistischeren Häuser wählen logischerweise den Waffengang als bevorzugte Methode, während sich die defensiver ausgerichteten eher auf die Diplomatie konzentrieren. Die Einheiten unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, von denen im normalen Spiel. Während in der normalen Variante durch Forschung völlig neue Einheiten entdeckt werden können, bewirkt die Erforschung einer Technologie im chinesischen Szenario lediglich die Weiterentwicklung einer Einheit, zum Beispiel werden Schwertkämpfer I zu Schwertkämpfern II. Außerdem wurden die zu entwickelnden Technologien dem historischen Hintergrund angepasst und bringen nun andere Boni mit sich oder tragen einen anderen Namen. Gleiches gilt natürlich auch für die Staatsformen und Religionen - so treten an die Stelle der "gängigen" Religionen Islam, Christentum usw. im chinesischen Szenario Schamanismus, Daoismus, Mohismus und Legalismus. Den Technologien wurden überdies historisch korrekte und lehrreiche Beschreibungen spendiert, weswegen es sich immer lohnt, einen Blick in die jeweils szenariospezifische Zivilopädie zu werfen.

Neben der Einigung Chinas stehen mit dem Peloponnesischen Krieg, Alexander dem Großen, dem Aufstieg Roms, dem Wikingerzeitalter und Dschingis Khan fünf weitere historische Szenarien zur Verfügung, die jeweils anders gestaltet sind und daher nicht einfach nach Schema F absolviert werden können. Jedes Szenario erfordert eine eigene Vorgehensweise; mit blinder Aufrüstung und anschließendem Großangriff kommt man in den seltensten Fällen weiter. Doch auch Freunde aggressiver Vorgehensweisen werden nicht außen vor gelassen: Im fiktiven Szenario "Barbarenhorde" darf man plündernd und mordend über den europäischen Kontinent ziehen und in Schutt und Asche legen, was so in der Landschaft herumsteht. Ach, was heißt darf? - Muss! Denn Ziel dieser Mission ist es, sämtliche anderen Zivilisationen und Städte restlos auszuradieren; für jede vernichtete Stadt bekommt man Geld, mit dem man dann Einheiten kaufen kann, um die marodierende Horde weiter aufzustocken. Außerdem ist es möglich, statt einer großen Zahl neuer Einheiten eine kleine Gruppe hochspezialisierter Kämpfer anzuwerben - mit dem erbeuteten Gold kann man nämlich auch Sonderfähigkeiten kaufen und ausbauen. Leider fördert gerade dieses Szenario eine gravierende Schwäche in der Spielbalance zutage: Gegen alle Logik kommt es öfter vor, dass man trotz einer Heldeneinheit in den eigenen Reihen und trotz einer Siegchance von 99 Prozent, trotz des Geländevorteils und der entsprechenden Spezialfertigkeiten den Kampf verliert. Ganz schön frustrierend, wenn die liebevoll hochgepäppelte, haushoch überlegene Spezialeinheit bei einem eigentlich einfachen Kampf ihr virtuelles Leben aushaucht. Und wie gesagt: Das geschieht häufiger, als es vernünftigerweise sollte.

Apropos Heldeneinheit: In "Warlords" gibt es neben den schon bekannten Großen Persönlichkeiten der Wissenschaft, Industrie und Kunst nun auch den Großen General. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen wird er nicht durch ein bestimmtes Wunder oder einen gewissen Grad an Kulturzuwachs hervorgebracht, sondern durch militärische Erfolge auf dem Schlachtfeld. Neben der Möglichkeit, ihn mit einer regulären Kampfeinheit zu verbinden, kann er in Städten auch zu einem Großen Militärausbilder gemacht werden, was den dort produzierten Einheiten einen Erfahrungsbonus von zwei Punkten einbringt. Außerdem kann er in einer Stadt eine Militärakademie bauen, was die Produktionsrate für Militäreinheiten um 25 Prozent steigert. Entscheidet man sich dafür, ihn als Kriegsherren einzusetzen und mit einer Standardeinheit zu verbinden, bringt das andere Vorteile mit sich: Zunächst einmal werden 20 Erfahrungspunkte zu gleichen Teilen auf alle Militäreinheiten auf demselben Geländefeld übertragen, was je nach strategischer Lage das Kampfgeschick entscheidend verändern kann. Außerdem kann die betreffende Einheit fortan kostenlos modernisiert werden und erlangt Zugriff auf spezielle Beförderungen wie etwa Kampf VI (25 Prozent auf Stärke), Führerschaft (50 Prozent mehr Erfahrungspunkte durch Kampf) und andere.

Ebenfalls interessant und gerade in freien Spielen von Bedeutung ist die neu hinzugekommene Möglichkeit, andere Staaten zu Vasallen zu machen. In Vasallenstaaten besitzt man nämlich fortan ein ständiges Durchreiserecht, profitiert von der Sichtweite ihrer Städte und darf ihre Festungsanlagen benutzen. Außerdem kann man alle Ressourcen des Vasallen für sich selbst beanspruchen und er muss dem Hegemon in Kriegszeiten militärische Hilfe leisten. Vasallenschaft kann man auf zwei Arten erreichen: entweder durch Diplomatie oder durch Krieg. Der diplomatische Weg ist jedoch sehr langwierig und nicht eben häufig von Erfolg gekrönt; zudem kann eine auf friedlichem Weg zustande gekommene Vasallenschaft nach zehn Runden aufgekündigt werden. Der kriegerische Weg gestaltet sich wesentlich einfacher. Es genügt, das Territorium des Gegners so lange zu verwüsten und seine Einheiten zu vernichten, bis dieser von sich aus die Kapitulation anbietet. In diesem Fall endet die Vasallenschaft erst, wenn der unterlegene Staat entweder auf die Hälfte des gesamten Hegemonialgebietes angewachsen ist, die Hälfte der Hegemonialbevölkerung stellt oder seit Abschluss der Vereinbarung die Hälfte seines Territoriums verloren hat. Es gilt also, die Aktionen seines Vasallen genau im Auge zu behalten und gegebenenfalls rechtzeitig einer Loslösung entgegenzuwirken.

Zu den weniger gravierenden Neuerungen gehört die Einführung sechs neuer, wenig spektakulärer Völker: Karthago, das Keltenreich, Korea, das Osmanische Reich, die Wikinger und die Zulu. Außerdem wurden manchen alten Zivilisationen neue Oberhäupter spendiert und jeder Zivilisation ein einzigartiges Gebäude zur Verfügung gestellt, das ein wenig besser als das entsprechende Bauwerk der übrigen Zivilisationen ist. So können beispielsweise die Amerikaner anstelle eines Supermarktes ein Einkaufszentrum errichten, die Deutschen ein Montagewerk anstelle einer Fabrik und die Franzosen einen Salon anstelle eines Observatoriums. Des Weiteren sind mit der Großen Mauer, dem Artemis-Tempel und der Universität von Sankore drei neue Wunder hinzugekommen. Alles ganz nett, aber nicht eben bahnbrechend.

Auf der Netzhaut nichts Neues

In Sachen Grafik hat sich in "Warlords" wenig getan - manche Einheiten, wie beispielsweise der Bautrupp, bekamen ein paar neue Animationen spendiert oder wurden mit neuen Texturen versehen, aber davon abgesehen, ist kein Fortschritt zu erkennen. Das bedeutet leider auch, dass das Spiel nach dem Laden eines fortgeschrittenen Spielstands auf einer großen Karte ein paar Minuten lang unerträglich ruckelt, wenn man die Weltkarte entlangscrollt - und das trotz heruntergedrehter Animationen. Hier hätte man vielleicht etwas nachbessern können.

Pauken und Trompeten

Der Sound von "Warlords" zeichnet sich durch leicht asiatisch angehauchtes Flair aus und ist, wie der des Hauptspiels auch, angenehm unaufdringlich. Die wenigen neuen Soundeffekte und gesprochenen Texte fügen sich nahtlos in die des Hauptspiels ein, sodass man keinen großen Unterschied bemerkt.

 

Entwickler: Firaxis
Publisher: 2k Games
Genre: Rundenstrategie
Releasedate: Bereits erhältlich"
Homepage: Civilization IV: Warlords
Preis: 29,95 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 6 Jahren gemäß §14 JuSchG

Fazit

   "Civilization IV: Warlords" bietet über die acht Szenarios hinaus nicht eben viel - aber das genügt auch. Die Missionen sind allesamt sorgfältig ausgearbeitet und beeindrucken durch ihre Anlehnung an die historischen Gegebenheiten. Die unterschiedlichen Szenarios lassen nie Langeweile aufkommen, und die verschiedenen Epochen bieten für jeden Geschmack etwas. All jene jedoch, die mit den Szenarien nichts anfangen können und sich lieber im Endlosspiel austoben möchten, sollten sich überlegen, ob drei neue Wunder und sechs neue Zivilisationen nebst einigen kleineren Anpassungen wie den Spezialgebäuden wirklich einen Kauf rechtfertigen. (23.08.2006)


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