F.E.A.R. - Extraction Point

F.E.A.R. - Extraction Point

(Vivendi)

geschrieben von René Hintz

 

 
Entwickler: Timegate Studios
Publisher: Vivendi Universal Games
Genre: Egoshooter
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: F.E.A.R.
Preis: ca. 30 €
Altersfreigabe: Keine Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Letztes Jahr konnte "F.E.A.R." nur schwer von ambitionierten Shooter-Fans ignoriert werden. Mit einem unverbrauchten Horror-Setting, einer prächtigen, zeitgemäßen Optik und herausfordernden Gefechten mit einer glaubwürdigen KI konnte der Titel durchweg überzeugen und vielerorts hohe Wertungen und andere Lorbeeren einheimsen. Bevor sich die Fangemeinde allerdings an einem Nachfolger erfreuen kann, bringen nicht Monolith, sondern stellvertretend Timegate Studios eine Storyfortsetzung mit dem Titel "F.E.A.R. - Extraction Point" heraus und es darf dank Alma & Co. erneut gegruselt und geballert werden.

Ein schrecklich nettes Familientreffen

Wir erinnern uns: Ausgestattet mit übermenschlichen Reflexen erhielt man den Befehl, als Soldat der F.E.A.R.-Einheit (First Encounter Assault Recon) den außer Kontrolle geratenen Mörder Fexton Pattel dingfest zu machen. Da er im Rahmen eines militärischen Experiments der Firma Armacham Technology Corporation (ATC) telepathische Fähigkeiten entwickelte, war er in der Lage, eine gewaltige Streitmacht aus Klonkriegern zu kommandieren und durch einen möglichen Krieg Chaos zu stiften. Ihre Aufgabe war es, ihn außer Gefecht zu setzen. Die Ereignisse nahmen jedoch unvorhersehbare und übernatürliche Ausmaße an und im Laufe der Story erfuhr man immer mehr über die eigentlichen Hintergründe von Fexton Pattel, ATC und der mysteriösen kleinen Alma. Letztere entpuppte sich im Endeffekt als die leibliche Mutter des Protagonisten, die vor 15 Jahren bei dem paranormalen Experiment Origin unter der Leitung des Professors Harlan Wade zwei Söhne geboren hatte: Fexton Pattel und den Spieler selbst. Letztlich gelang es dem namenlosen Helden, den eigenen Bruder zu töten, Alma durch die optisch spektakuläre Vernichtung der Origin-Anlage aufzuhalten und mit seinen beiden verbliebenen Teamkollegen an Bord eines Helikopters zu fliehen - so glaubte man zumindest bis zu den letzten Sekunden im Abspann, denn Alma hat anscheinend überlebt und sich an Ihre Fersen geheftet. Im Addon muss man nun erneut Herr der Lage werden, denn der Helikopter hat eine saubere Bruchlandung hingelegt und man findet sich hilflos in einer verwüsteten und leeren Stadt wieder. Irgendetwas scheint ganz gewaltig nicht zu stimmen, denn nach wie vor plagen Almas Erstgeborenen grausame Visionen und es stellt sich bald heraus, dass Totgesagte tatsächlich länger leben, als man glaubt.

Neue, unheimlich intelligente Slowmotion-Gefechte

Der Einstieg in das Spielgeschehen bringt keinerlei unangenehme Schwierigkeiten mit sich, denn zu Anfang wird man nicht unmittelbar von Gegnermassen überrannt und es gibt ein indirektes Tutorial in Form hilfreicher Einblendungen zur Fortbewegung in den ersten Levels. Die Steuerung lässt sich abseits der vorgegebenen Belegung komfortabel für jede Art von Tastaturhandhabung konfigurieren. Hat man sich nach den ersten Minuten an die Gegebenheiten angepasst, geht es auch schon los und man trifft auf die ersten Klonkrieger, besser bekannt als Replikanten. Diese gehen, wie aus "F.E.A.R." bereits gewohnt, alles andere als zimperlich mit dem Spieler um. Die KI geht nicht stupide vor, sondern versucht immer, Sie zu umzingeln und geht bei heftigem Widerstand Deckung. Zudem vermitteln die Auseinandersetzungen ein lebendiges Spielgefühl, denn die Gegner handeln nicht isoliert voneinander, sondern als teamorientierter Squad - ständig herrscht hörbarer Funkverkehr zwischen den feindlichen Soldaten und mit jedem ausgeschaltetem Mitglied ihrer Einheit werden sie vorsichtiger und passiver. In der Regel ist man den Gegnermassen zahlenmäßig weit unterlegen und man tut gut daran, auf das mitunter wichtigste (und spaßigste) spieleigene Feature zurückzugreifen: den Bullettime-Modus. Das Bild verzerrt sich, der Sound friert ein und alles verlangsamt sich, so dass man auf Kugeln besser reagieren kann und mehr Zeit zum Zielen hat. Wer trotz Slowmotion in Schwierigkeiten gerät, der kann jederzeit auf den leichten Schwierigkeitsgrad umschalten oder sich der großzügig verteilten Medikits, Rüstungen und Munitionsmengen in den Levels bedienen. Die meiste Zeit verbringt man auch dieses Mal wieder ganz allein, abgesehen von einem Levelabschnitt, in dem man Unterstützung eines Teamkollegen erhält, der zweifellos klug und hilfreich gegen den Feind mitfeuert.

Im Schatten (fast) nichts Neues

Was ist im Grunde exklusiv an "Extraction Point"? Zum einen gibt es jetzt zwei neue Feuerwaffen. Dabei handelt es sich zum einen um eine durchschlagkräftige Minigun, die in wenigen Sekunden mal locker hundert Patronen durch die Gegend pfeffert und zum anderen um ein mächtiges Lasergewehr, das mit einem konstanten roten Strahl die Gegner durchschneidet. Weiterhin gibt es nun mobile kleine Abwehrgeschütze, die man wie Granaten an beliebigen Positionen anbringen und so für eine verbesserte Verteidigung sorgen kann. Außerdem ist es seit neuestem möglich, Türen mit einem schnellen Fußtritt aufzubrechen, was für mehr Schwung und einen etwas flotteren Spielfluss sorgt. Neben einer immer wieder auftauchenden Alma kann "F.E.A.R. - Extraction Point" auch mit einer Handvoll neuer Gegner aufwarten. Dabei beschränkt sich das Sortiment allerdings lediglich auf neue Uniformen der Replikanten (auf die man nach wie vor am häufigsten stößt), altbekannte Sturmpanzertruppen mit einem neuartigen Schild, eine neue REVE-Einheit (raketenschießwütiger, "Mechwarrior"-artiger Roboter) und mysteriöse unsichtbare Schattenwesen, die Ihnen blitzschnell an den Kragen wollen.

Alte Schwächen

Das Spielprinzip von "F.E.A.R." bleibt im Wesentlichen erhalten, was eine gute Sache ist, doch leider wurden keine größeren Verbesserungen im Gameplay vollzogen. Die Levels sind (bis auf ein paar abseits der Wege versteckter Örtlichkeiten, an denen sich hilfreiche Gesundheits- und Reflexbooster befinden) streng linear und anspruchsvolle Rätsel sucht man vergebens. Letztere beschränken sich auf simples Schalterdrücken, um eine Tür in einem nahe gelegenen Raum zu öffnen. Die Story wird dieses Mal in Begleitung der üblichen, rätselhaften und schockierenden Horrorvisionen nur schleppend weitergeführt. Im Vorgänger gab es regelmäßig Funkkontakte und man fand unterwegs interessante und aufschlussreiche Dokumente oder Aufzeichnungen. Zwar gibt es nunmehr auch Anrufbeantworter und Telefone, die man freiwillig abhören kann, jedoch wurden die dabei zu vernehmenden Dialoge drastisch gekürzt (meistens sind sie nur einen Satz lang) und die Kommunikation mit den beiden verbliebenen Teamkollegen Jin Sun-Kwon und Douglas Holiday ist zwar möglich, aber nur in äußerst knapper und bündiger Form.

Oft wurde an "F.E.A.R." die Monotonie des Leveldesigns kritisiert; Timegate Studios machen es diesmal besser und führen die Figur an attraktive Orte wie eine Kirche, weitläufige U-Bahn-Stationen oder ein Krankenhaus. Doch ansonsten gibt es auch wieder massig Bürokomplexe und Lagerhallen mit Containern, die nur bedingt Motivation auf ausschweifende Entdeckungsreisen wecken. Alles in allem wird man je nach Spielweise das Addon in vier bis sechs Stunden absolviert haben. Einen ebenfalls großen Störfaktor stellt die deutsche Version mit ihrer Zensur dar. Es wurde weitgehend auf die meisten Blut- und Gewalteffekte verzichtet; zuweilen verschwinden Gegner einfach im Nichts, statt zerfetzt zu werden, und feindliche Soldaten bleiben bei ihrem Ableben stumm. Diese Jugendschutzmaßnahmen sind eher irritierend als sinnvoll, denn durch die Stille der Soldaten kann man nun schlechter abschätzen, ab wann sie nach Beschuss auch tatsächlich keinen Widerstand mehr leisten. Außerdem ist der Grad der Gewalt bereits durch das Ambiente (was man zum Beispiel an den oftmals blutverschmierten Wänden sehr gut erkennen kann) so hoch, dass man auf solche Beschneidungen der Engine bei einem Spiel ohne Jugendfreigabe hätte verzichten können.

Im Dunkeln ist hübsch munkeln

Auch wenn die Engine inzwischen ein Jahr auf dem Buckel hat und für das Addon nicht weiter modifiziert wurde, ist sie keineswegs betagt, sondern nach wie vor zeitgemäß und braucht sich nicht wie die dämonischen Widersacher bei "F.E.A.R." im Dunkeln zu verstecken. Technisch glänzt das Spiel nach wie vor mit spektakulären Explosionen, die insbesondere in Zeitlupe sehr schick aussehen und es gibt immer wieder allerlei ansehnliche Effekte zu bestaunen, wenn die Umgebung beispielsweise bei den Albtraumsequenzen in ein verwirrendes Blur getaucht wird. Auch das Design kann überzeugen; die alten und neuen Monster wirken bedrohlich und die modernen Rüstungen der Replikanten sehen einfach nur cool aus. Weniger ästhetisch sind nach wie vor die Gesichter der menschlichen Figuren gestaltet; ihre wie aus Plastik wirkende Haut macht die Lebendigkeit unglaubhaft und auch die Animationen der Gesichter kommen an die in "Half-Life²: Episode" bei weitem nicht heran.

Die Levelsettings sind in ihrer Farbgebung überwiegend grau und trist, jedoch sollte man fairerweise im selben Atemzug erwähnen, dass man bei einem derartigen Horror-Shooter auch keine farbenfrohe Welt erwarten sollte, denn sie würde nicht gerade zur grotesken Stimmung beitragen. Auch wenn die Struktur der Level nicht sonderlich ausladend ist, macht das genauere Durchstöbern der Umgebung Spaß, da man in den Räumlichkeiten immer wieder kleine und nette dekorative Objekte entdecken kann, die Sie so manches Mal sogar zum Schmunzeln bringen. Beispielhaft ist bei "F.E.A.R. - Extraction Point" im Übrigen auch die Einbindung von Werbung: Hier und da findet man Plakate und Banner realer Firmen und auf so manchem Monitor eines Bürocomputers innerhalb des Spiels flackert mal kurzzeitig ein Dell-Logo; die Schleichwerbung wird in diesem Maße nie als störend empfunden und beeinträchtigt auch nicht im geringsten die Atmosphäre.

Altbewährter angsteinflößender Akustik-Aufguss

Musikalisch wird das "F.E.A.R."-Addon erneut durch hochklassige Tracks von Nathan Grigg untermalt, die passend zum jeweiligen Geschehen entweder bedrängende und imposante Dynamik (beispielsweise bei den actionreichen Kämpfen) verbreiten oder dezent unterschwellig eine bedrückende Atmosphäre entstehen lassen den Spieler wegen der plötzlichen und unerwarteten Klangwechsel immer wieder erschreckt zusammenfahren lassen. Auch in Sachen Soundeffekte brilliert das Spiel, da sie beispielhaft durch die morbide Untermalung des gruseligen Ambientes wesentlich zum Horrorerlebnis beitragen. Klingt versprechend, doch darf man als Kenner des Basisspiels nichts Neues erwarten, denn die traurige Wahrheit ist, dass Timegate Studios einfach sämtliche Musikstücke aus dem Basisspiel übernommen hat.

Auch das Addon verfügt über eine deutsche Sprachausgabe, die jedoch dem aufmerksamen Hörer deutliche Schwächen offenbart. Die Stimmenwahl ist (bis auf die kleine Alma abgesehen, denn die klingt eher nervig als unheimlich) prinzipiell gelungen, jedoch merkt bzw. hört man deutlich, dass die Sprecher während der Aufnahmen keinerlei Bildmaterial zur Verfügung hatten und keine detaillierten Anweisungen zum Geschehen innerhalb des Spieles besaßen. Das äußert sich im Endeffekt dadurch, dass die Sprecher den Ereignissen gegenüber teilnahmslos wirken und außerhalb der Szene sprechen. Deshalb klingen Betonungen meist sehr holprig oder schlichtweg unglaubwürdig und so quatscht zum Beispiel ein Mann am Anrufbeantworter äußerst fröhlich vor sich hin, obwohl er eigentlich in dem Moment stark um seine Frau besorgt sein müsste. Darüber hinaus gibt es unschöne Ungereimtheiten bei der Übersetzung, indem der Protagonist mal in einem Satz geduzt und im nächsten gesiezt oder gar in der dritten Person angesprochen wird. Die optionalen Untertitel sind nur bedingt hilfreich, da sie in äußerst kleiner Schrift und an einer ungünstigen Fläche des Bildschirms Platz einnehmen. Sehr störend ist weiterhin, dass in den Zwischensequenzen die gesprochenen Sätze spürbar asynchron zu den Lippenbewegungen sind.

 


Fazit

   Summa summarum bietet "F.E.A.R. - Extraction Point" nichts sonderlich Innovatives im Vergleich zum ursprünglichen Shooter-Hit von 2005. Das Leveldesign ist zwar nicht mehr so dröge und monoton wie zuvor, jedoch erinnern manche Szenarien wie zum Beispiel das Krankenhaus, die Baustelle oder das Parkhaus unweigerlich an Titel wie Max Payne und man fragt sich in dem Moment, ob Timegate Studios evtl. nicht zu stark bei der Konkurrenz abgeguckt haben. Insgesamt wirft die fortgeführte Story Unmengen neuer Fragen auf statt Antworten zu geben, und das Ende ist bei weitem nicht so spektakulär oder zufrieden stellend wie einst bei "F.E.A.R.". Nichtsdestotrotz machen die Erkundungen der neuen Areale Laune und die anspruchsvollen Kämpfe in Slowmotion gegen die schlauen Replikanten-Squads nach wie vor einen Heidenspaß. Der Umfang und das neue Material sind gewiss nicht überwältigend und es fehlt irgendwie das Tüpfelchen auf dem "i", da die Gruselatmosphäre des Addons lange nicht so überzeugend herüber kommt wie die des großen Bruders. Jedoch ist das Gebotene im Vergleich zu manch anderen Vollpreistiteln oder Addons im Preis-Leistungs-Verhältnis immer noch fair und Fans von "F.E.A.R." können einen Kauf durchaus erwägen, da der Titel den Spieler in vieler Hinsicht in den Bann zieht und nach dem Durchspielen seine Vorfreude auf ein kommendes "F.E.A.R. 2" deutlich steigert. (15.11.2006)


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