Bionicle Heroes (Eidos) geschrieben von Roland Kindermann
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Jeder kennt sie und fast jeder hat früher selbst mit ihnen gespielt - die Ritterburgen oder Pirateninseln der Firma Lego gehören zu den meist verkauften Spielzeugserien der Welt. Doch auch ein Erfolgsprodukt wie die 1949 erfundenen kleinen bunten Steine überlebt nicht dauerhaft ohne Innovationen. So kam es, dass 2001 mit "Bionicle" eine Serie erschien, die ältere Semester höchstens auf den zweiten Blick als Lego einstufen würden. Die meisten Bionicle-Sets bestehen nicht wie früher üblich aus Gebäuden oder Fahrzeugen, sondern aus circa 25 Zentimetern großen, ausgesprochen gelenkigen Figuren. Sie sind nahezu komplett aus Sonderteilen zusammengesetzt und verzichten auf die klassischen Lego-Noppen. Stattdessen werden die von den Lego-Technik-Modellen bekannten Steckverbindungen, Stangen und Gelenke verwendet. Außerdem verfügen die Bionicle-Figuren über zwei Waffen, die teils echte Kugeln oder Scheiben verschießen können, und teils mit Batterien und blinkenden Elementen ausgestattet sind. Trotz oder gerade wegen des revolutionären Konzepts ist die Bionicle-Serie nicht nur bei Kindern ausgesprochen beliebt. Grund genug also, mit "Bionicle Heroes" nach dem nur für den Gameboy Advance erschienenen "Bionicle: Maze of Shadows" nun auch ein PC-Spiel im Bionicle-Universum zu veröffentlichen. In "Bionicle Heroes" spielen Sie die strahlenden "Toa Inika" und müssen die fiesen Piraka bezwingen, die die Maske des Lebens gestohlen haben. Die Story dürfen Sie aber ruhig wieder vergessen, denn sie wird nur im Render-Intro und im informativen Handbuch erwähnt. Zwar gibt es im Spiel sehr häufig Zwischensequenzen - mindestens zwei pro Level, teils wesentlich mehr - doch sie führen nicht die Story fort, sondern zeigen ausnahmslos, wie den Piraka oder anderen Gegnern das eine oder andere Malheur widerfährt. Die kurzen Videos sind hervorragend animiert, so dass man dank perfekter Gestik und Mimik vor allem zu Beginn häufig schmunzeln muss. Später wiederholen sich die anfangs noch witzigen Szenen zu sehr und wirken zunehmend albern. Sechs Masken Das Spielprinzip von "Bionicle Heroes" ist schnell erklärt: Sie steuern Ihren Helden aus der Schulterperspektive mit Maus und Tastatur durch sechs Welten mit je vier Levels, ballern auf alles, was sich bewegt und erledigen zu guter Letzt noch den bösen Piraka-Obermotz. Dabei werden Sie von einer automatischen Zielfunktion unterstützt, die so stark hilft, dass es reicht, den Gegner überhaupt zu sehen, um ihn zu treffen. Sie dürfen sich jederzeit in einen anderen der sechs Toa Inika verwandeln, indem Sie die zugehörige Maske aufsetzen. Die Toa entsprechen allesamt real existierenden Lego-Modellen, verfügen über unterschiedliche Waffen und können unterschiedlich schnell laufen. Leider sind die Toa nicht gut ausbalanciert, so dass beispielsweise der braune Hewkii mit seinem Raketenwerfer völlig nutzlos ist. Zum einen bewegt er sich viel zu langsam, um ausweichen zu können, zum anderen verursachen seine Geschosse kaum Schaden und treffen selten. Der weiße Matoro mit seinem Scharfschützengewehr und der schwarze Nuparu mit seinem Granatwerfer hingegen sind in seltenen Situationen durchaus hilfreich, im Allgemeinen aber wegen ihrer niedrigen Schussfrequenz und der langsamen Fortbewegungsgeschwindigkeit ebenfalls nutzlos. Die meiste Zeit werden Sie wohl mit dem blauen Nahli oder dem roten Jaller spielen. Ersterer verfügt mit einem blauen Strahlengewehr über die stärkste Waffe im Spiel und ist darüber hinaus noch recht flott. Jaller ist der schnellste Charakter im Spiel und besitzt eine recht starke Schnellfeuerwaffe. Der sechste im Bunde ist der grüne Kongu, der ebenfalls nicht langsam ist, mit seiner Shotgun aber über mittlere bis große Distanzen kaum noch trifft. Es stehen übrigens in jedem Level alle Toa zu Verfügung, wenn auch manche Masken erst gefunden werden müssen. Wenn Ihre Lebensenergie auf null sinkt, verlieren Sie zunächst nur ihre aktuell ausgewählte Maske. Erst wenn Sie keine mehr haben, dürfen Sie vom letzten der fair gesetzten Rücksetzpunkte aus neu starten. Gespeichert wird leider nur zwischen den Levels. Sechs Fähigkeiten Jeder Toa verfügt außerdem über eine einzigartige Fähigkeit. Je nach aufgesetzter Maske können Sie über Wasser oder Lava gehen, an vorgegebenen Stellen springen oder Wände hochklettern sowie mit dem Scharfschützengewehr auf ansonsten unerreichbare Schalter schießen oder so genannte "Konstractions" zusammenbauen. Das sind kleine Haufen aus Legosteinen, die sich hübsch animiert mal zu etwas Sinnvollem wie einem Boot oder einer Brücke, mal zu etwas Nutzlosem wie einer Blume zusammensetzen lassen. Alle Fähigkeiten werden benötigt, um an der einen oder anderen Stelle voranzukommen. Welche Aktion wo gefragt ist, wird von kleinen Icons verraten, so dass Mitdenken nicht erforderlich ist. Sammelwut Während man in den meisten Shootern - wie der Name bereits andeutet - hauptsächlich schießt, nimmt bei "Bionicle Heroes" das Sammeln die meiste Zeit in Anspruch. Da wären zunächst die Legosteine, von denen zerstörte Gegner oder Levelobjekte und zusammengesetzte Konstractions Unmengen hinterlassen. Sie sind besonders wichtig, da Sie automatisch in den Heldenmodus wechseln, wenn Sie genug davon beisammenhaben. Dann ist Ihre Spielfigur golden und Ihre Waffen arbeiten effektiver. Außerdem kann man nur im Heldenmodus goldene Konstractions (riesige Tiere, die Hindernisse aus dem Weg räumen) bauen, ohne die man in jedem Level an der einen oder anderen Stelle nicht weiter kommt. Außerdem bringen die Legosteine Punkte, die man zwischen den Levels im Shop nutzen darf, um Tipps, Verbesserungen für die sechs Toa oder teils sinnvolle, teils sinnlose Extras wie Extralevel oder ein Fitnessstudio freizuschalten. Letzteres kann man nach dem Kauf am Piraka-Strand, einem zusätzlichen Bereich, den man zwischendurch besuchen kann, mit Hewkii aus einem Bausatz zusammenbauen. Neben den Legosteinen gilt es noch, goldene oder silberne Behälter zu sammeln. Davon gibt es in jedem Level vier bis neun. Sie sind zwar versteckt, wer aber alle Ecken durchsucht, wird sie dennoch problemlos finden. Sie schalten Bilder und Texte frei, die Gegenstände aus der Bionicle-Welt oder real existierende Lego-Modelle beschreiben. Um manche Behälter zu erreichen, benötigt man ansonsten nutzlose Spezialfähigkeiten, die zunächst im Laden gekauft werden müssen. Zu guter Letzt gibt es noch Medaillen, die man für erfüllte Spezialziele wie beispielsweise das Töten von 100 Gegnern einer Kategorie oder das Absolvieren eines Levels erhält. Harmlose Endgegner Grundsätzlich sind alle Welten in "Bionicle Heroes" in gleicher Weise konzipiert: Am Ende des ersten und dritten Levels muss man je einen Endgegner bezwingen und im vierten schließlich gegen einen Piraka antreten. Hat man den besiegt, sieht man in einer Zwischensequenz, wie der Held dessen Maske an sich nimmt, die ihm dann ein plötzlich auftauchender Fiesling mit Riesenspinne wieder entreißt. Dass der Held davon auch beim sechsten Piraka überrascht ist, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Fast alle Endgegner bekämpft man in zwei Phasen. In der ersten muss man einen nicht endenden Strom normaler Gegner erledigen, bis man den Heldenmodus erreicht und eine goldene Konstraction auf den Gegner hetzen kann. Dann geht der Spaß wieder von vorne los. In der zweiten Phase muss man - wenig abwechslungsreich - einen nicht endenden Strom normaler Gegner erledigen, bis der Endgegner endlich kurz seinen Energieschild deaktiviert und man ihm eins vor den Latz braten kann. Letztendlich sind die Bosse also ähnlich abwechslungsarm und nebenbei auch noch ähnlich einfach wie der Rest des Spiels. Besiegte Endgegner dürfen Sie übrigens in der zugehörigen Welt selbst spielen. Da es in fast jedem Level eine schwarze Konstraction gibt, die man nur mit dem entsprechenden Boss bauen kann und die man bauen muss, um an einen Behälter zu kommen, muss man das Spiel also zweimal durchspielen, um alles einzusammeln, was den Wiederspielwert wesentlich erhöht. Technisch Mittelmaß, stilistisch gelungen Grafisch hinterlässt "Bionicle Heroes" einen zwiespältigen Eindruck: Zum einen protzt es mit hübschen Glanz- und Partikeleffekten, zu anderen verzichtet es auf dynamische Schatten. Auch an dynamischem Licht wurde gespart. Grafisch besonders beeindruckend sind die Legosteinfontänen, die vernichtete Gegner hinterlassen. Sie füllen bisweilen den halben Bildschirm und beeinträchtigen so die Sicht ein wenig. Besonders gelungen sind die Animationen sowohl während des Spiels als auch während der Zwischensequenzen. Die Levels sind zwar optisch sehr abwechslungsreich im Thema der zugehörigen Welt gestaltet, könnten allerdings ein paar zusätzliche Polygone vertragen. Ohne Tadel ist der situationsabhängige Soundtrack, denn die stets passende Musik untermalt das Geschehen eindrucksvoll und trägt wesentlich zur Atmosphäre bei. Auch bei den Geräuschen gibt es nichts zu meckern. Die Sprecher haben ganze Arbeit geleistet, obwohl sie außer ein paar Zeilen Text für das Intro nur Grunzlaute und Schreie synchronisieren mussten. "Bionicle Heroes" macht vieles richtig: Präsentation und Umfang stimmen und die häufigen Belohnungen motivieren ungemein. Besonders erfreulich und heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dass wir im Test keinen einzigen Bug in "Bionicle Heroes" finden konnten. Dennoch will beim Spielen keine rechte Freude aufkommen. Das liegt zum einen daran, dass es einfach viel zu leicht ist - im Test haben wir gerade mal drei Masken verloren und sind nicht ein einziges Mal gestorben. Fast hat man den Verdacht, dass das Spiel sich eigentlich an Kinder richtet. Die dürfen allerdings aufgrund der Altersfreigabe ab 12 Jahren und der teils makaberen Zwischensequenzen aber erst gar nicht mitspielen. Zum anderen wird "Bionicle Heroes" dadurch etwas eintönig, dass man bereits im ersten Level alle wesentlichen Spielelemente kennen lernt. Die vielen freischaltbaren Features und häufigen Belohnungen motivieren dennoch, so dass Einsteiger und Bionicle-Fans zugreifen dürfen, zumal der Preis von weniger als 30 Euro fair ist. (05.12.2006)
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