Bier Tycoon

Bier Tycoon

(Frogster Interactive)

geschrieben von Nico Meißner

 

 
Entwickler: Virtual Playground
Publisher: Frogster Interactive
Genre: Wirtschaftssimulation
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Bier Tycoon
Preis: 14,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

"Bier ist der überzeugendste Beweis dafür, dass Gott den Menschen liebt und ihn glücklich sehen will", sagte schon Benjamin Franklin. Diese Ansicht, die dem Einen oder Anderen sicher nicht ganz fremd sein dürfte, beflügelte wohl auch das Team von Virtual Playground. Heraus kam die von Frogster vertriebene Wirtschaftssimulation "Bier Tycoon", in der ausnahmsweise nicht das Trinken, sondern die Herstellung und Vermarktung des Gerstensafts die Hauptaufgaben darstellen. Ob sich ein ordentlicher Schluck Unternehmergeist lohnt oder nur lauwarmes Alkoholfreies serviert wird – DLH.net hat für euch bis auf den Boden der Flasche geschaut.

Wie kommt eigentlich das Bier in die Flasche?

Ganz wie beim Konsum des güldenen Nass braucht auch das Spiel keine Einleitung oder gar sinnstiftende Hintergrundgeschichte: nach Wahl des Modus geht es direkt los. Hier wird lediglich zwischen Mikro-, Klein- und Großbrauerei unterschieden. Damit entstehen allerdings nur wenige Veränderungen im Spielablauf: das zur Verfügung stehende Grundstück wird größer und das Aussehen der Gebäude variiert etwas. Ist die Wahl getroffen, zuckelt sogleich ein kleiner Van durch eine schlichte ländliche oder industrielle Ortschaft – sozusagen als Intro –, bis er vor dem neuen Werksgelände zum Stehen kommt. Anfangs liegt dieses noch brach, doch schon wenige Klicks später strahlt die neue Brauerei in ihrer ganzen industriellen Farbenpracht. Die Baureihenfolge ist hierbei jedes Mal gleich, denn die Bierherstellung folgt einem klaren Ablauf.

Als erstes kommt das Maischen, bei dem aus geschrotetem Malz und Wasser ein Malzextrakt "gekocht" wird. Für diesen Vorgang ist im Spiel ein Brauhaus zu errichten. Die Positionierung erfolgt beliebig und dank freier, wenn auch umständlicher Kamera problemlos. Anschließend wird der Gärungsprozess gestartet, indem Hefe zur Maische hinzugefügt wird. Hierfür erbaut der angehende Herr Beck ein ... richtig, ein Gärhaus! Dort besteht auch die Möglichkeit, das Bier noch etwas reifen zu lassen, um den Alkoholanteil zu steigern. Danach geht es via Abfüllanlage direkt ins Fass, welches mehr oder weniger prompt in die Verladebucht geschafft wird – hier wartet schon der LKW für den Abtransport.

Was so spannend und fast nach Galileo klingt, läuft leider auch im Spiel ähnlich unspektakulär ab. Zwar gilt es, eine sinnvolle Nutzung des nicht erweiterbaren Werksgeländes zu planen und in jedem Gebäude in bester "Theme Hospital"-Manier Maschinen und Aufenthaltsräume zu platzieren; doch das Innenleben der Betriebsräume bleibt trist und alle Prozesse gehen selbstständig vonstatten. Die wenigen Gerätschaften, wie zum Beispiel das Maischefass mit Kessel oder der Gärbottich, arbeiten unanimiert vor sich hin und die Belegschaft wankt mit zombiehaftem Gang teilweise völlig aufgabenunabhängig durchs Gelände. Sind die angeheuerten Schergen doch einmal an Ort und Stelle, beschränkt sich ihre Tätigkeit auf kurze, leidlich animierte Aktionen am Gerät. Wie viele dieser sogenannten Mitarbeiter nötig sind, um den reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, verschweigt das Programm. Auch nach anderen, aufschlussreichen Statistiken oder Übersichten sucht der Brauherr leider vergebens. Es gibt zwar per Rechtsklick ein Pop-Up zu Personen, Maschinen und Gebäuden – dieses enthält aber traurigerweise immer nur einen skurrilen Informationsmix, dessen Art einem eher von stark angetrunkenen Zeitgenossen bekannt ist. So ist zu erfahren, welches Sternzeichen der Alkoholiker-Azubi hat und wie viel Quadratmeter Grundfläche der Brauschuppen bietet. Natürlich werden auch reguläre, also sinnvolle Daten geboten: wie es um die Stimmung des Gabelstaplerfahrers steht beispielsweise oder wie weit die Reifung unseres letzten Weizens ist. Richtiger Überblick und Kostenkontrolle entstehen trotzdem nicht, sodass die logistisch-finanziellen Vorgänge leider auch für den Braumeister ein ähnlich großes Geheimnis bleiben, wie seine Bierrezepturen.

Apropos Rezepturen: Ein eigentlich sehr lustiges Feature bietet "Bier Tycoon" in Form der Rezepterstellung. Hierbei wählt der Spieler zwischen verschiedenen Hefesorten, Wasserhärten und Zusatzstoffen, - ähnlich wie seinerzeit bei "Pizza Connection" - um verschiedenste Biere zu kredenzen. Allerdings herrscht beim Rezeptentwurf ebenfalls viel Unklarheit. Welche Zutaten zusammenpassen und was welches Bier ausmacht, gilt es mittels Trial-and-Error herauszufinden. Da weder Tutorial noch ernsthafte Tooltipps existieren, ist der Spieler gezwungen, einige Versuchsgebräue auf die ausgetrockneten Kehlen der Kundschaft loszulassen. Dazu kann er auch eine Werkskneipe erbauen, daneben noch den Souvenirshop und schon sind die potenziellen Neukunden bedient. Wer möchte, investiert jetzt noch in die Werbung, um sein Produkt national oder gar international zu vermarkten. Mangels Multiplayermodus oder NPC-Konkurrenz – von nicht definierbaren Kosten und dem unklaren Nutzen ganz zu schweigen – ergibt die PR aber wenig Sinn: Es gibt nicht mal einen Gegner, mit dem man sich messen könnte ... aber egal!

Zapftechnik

Unglücklicherweise garniert "Bier Tycoon" seine Gameplay-Probleme noch mit einer sehr minimalistischen und schwachen optischen Darbietung: Die 3-D-Grafik wirkt schal und eingestaubt, die wenigen Animationen sind kaum der Rede wert. In Sachen Wegfindung und Kollisionsabfrage fühlt man sich unfreiwillig an "Staplerfahrer Klaus" erinnert, wenn das Fahrzeug wieder mal halb durch ein Gebäude brettert. Wobei "brettert" wohl der falsche Ausdruck ist: Auch auf der höchsten der drei Geschwindigkeitsstufen rasen weder Spielgeschehen noch Herz. Da das Betriebsgelände vor allem in Grautönen gehalten ist, versprüht es den Charme eines preußischen Kasernenhofs und nähert sich ästhetisch Null – von unten! Einzig die frei dreh- und zoombare Kamera fällt nicht negativ auf, dafür aber die unflexible Innenansicht der Räume. Auch in Sachen Sound verdient "Bier Tycoon" eher eine Dose Mitleid als einen Toast: Das einfache aber nette Sample ist penetrant kurz – was beim Hörer schon bald die Sorge aufkommen lässt, er könne die Schwelle der zwanzigtausendsten Wiederholung erreichen, ab der es ihm in Fleisch und Blut übergeht. Ernstzunehmende Soundeffekte sucht man leider vergebens, dafür darf man die komplette Audiobelästigung aber wenigstens ausstellen.

Bier-Tycoon, eigentlich eine witzige Idee! Leider ist es Virtual Playground nicht gelungen, aus dieser etwas Anständiges zu machen – "Mall"- und "Kreuzfahrt Tycoon" lassen grüßen. Gut, der Titel kostet nur schlappe 15 Euro, aber dafür dürfte er auch ausschließlich absolute Genre-Fans länger ansprechen; sofern sie bereit sind, sich in die verworrenen Statistiken und absolut unspektakulären Produktionsabläufe hineinzufuchsen. Auch die veraltete, lieblose Grafik und die nicht existenten Ziele bestärken die Befürchtung, dass "Bier Tycoon" für normale Spieler leider in etwa soviel Unterhaltung bietet wie ein samstagabendliches Besäufnis – wenn man der Fahrer ist!

(29.01.2007)


Fazit

Nüchternes


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