Company of Heroes

Company of Heroes

(THQ)

geschrieben von Roland Kindermann

 

     

Von Omaha Beach bis Falaise

Eigentlich hatte es der 5. Juni 1944 sein sollen, wegen des schlechten Wetters ging dann aber doch der 6. Juni 1944 als "D-Day" in die Geschichte ein. Amerikanische, britische, kanadische und polnische Truppen landeten mit Landungsbooten und Fallschirmspringern in der von Deutschland besetzten Normandie. Genau diese Operation und die darauf folgenden Tage spielen Sie im Echtzeitstrategiespiel "Company of Heroes" nach. Anders als in den meisten Weltkriegsspielen springt das Spiel also nicht wild zwischen den zahlreichen Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs hin und her. Das lässt nicht nur viele Möglichkeiten für Addons offen, sondern ermöglicht auch eine zusammenhängende Kampagne. Zwischen den 16 Missionen werden nicht nur kleine Geschichten um die Soldaten der "Able-Kompanie" erzählt, sondern es wird auch in professionellen Zwischensequenzen der Fortgang des Krieges und der Zusammenhang der verschiedenen Aufträge erörtert.

Wer glaubt, die Beschränkung auf einen Schauplatz schade der Missionsvielfalt, täuscht sich. Die Einsätze sind äußerst abwechslungsreich. Mal gilt es, eine im Stadtkern verbarrikadierte deutsche Panzerdivision einzukesseln, mal muss eine Raketenabschussrampe zerstört oder eine Stadt gehalten werden. Dabei ist man in verschiedenen Umgebungen unterwegs: Vom Karten füllenden Riesenbunker bis zur ländlichen Gegend mit Bauernhöfen und Hecken ist alles dabei. Wer trotzdem genug von der Kampagne hat, darf auch ein Gefecht gegen den Computer spielen. Dann muss er "nur" die KI auf einer zuvor gewählten Karte besiegen. Oder er wagt sich direkt an einen menschlichen Gegner. "Company of Heroes" kann online oder im Netzwerk mit bis zu acht Spielern gespielt werden. Schade: Es kann nur in zwei Teams und Achsenmächte gegen Alliierte gespielt werden. Dafür gibt es ähnlich, wie in "Battlefield 2", ein Rangsystem und Spielerstatistiken. Die eignen sich nicht nur sehr gut zum Angeben, sondern vor allem auch zum Finden eines geeigneten Gegners.

 

Zeit ist Geld

Zugegeben - die Kombination aus Weltkriegsszenario und Strategie gehört nicht zum innovativsten, was der Spielemarkt zu bieten hat. Wer deshalb allerdings glaubt, "Company of Heroes" würde sich nahtlos zwischen "Panzers" und "Faces of War" einreihen, wird angenehm überrascht sein. Einer der größten Unterschiede ist, dass man bei "Company of Heroes" in fast allen Missionen eine Basis hat. Die steht allerdings stets an einer vorgegebenen Position. Als die alliierten Streitkräfte den Kanal überquerten, haben sie natürlich nicht erst einmal Panzerfabriken gebaut - dementsprechend sind alle Gebäude in "Company of Heroes" Zelte. In ihnen können aber auch neue Panzer gebaut werden - hier pfeift Entwickler Relic Entertainment, wie an vielen anderen Stellen auch, auf einen übertriebenen Realismus. Alte Echtzeitstrategie-Regel: Wer Truppen bauen möchte, braucht Ressourcen. Davon gibt es drei in "Company of Heroes". Die wichtigste - Arbeitskraft - wird stets benötigt, wenn eine Einheit oder ein Gebäude gebaut wird. Munition braucht, wer Spezialfähigkeiten wie Granaten oder Artillerieschläge nutzen möchte. Ohne Treibstoff muss der Spieler auf Fahrzeuge verzichten. Alle drei Rohstoffe erhält er automatisch mit einer bestimmten Rate. Um diese zu erhöhen, muss er Gebiete einnehmen, indem er mit Infanterieeinheiten den zugehörigen Kontrollpunkt erobert - ähnlich wie in "Dawn of War", das übrigens ebenfalls von Relic Entertainment stammt. Munition und Treibstoff gibt es nur in bestimmten Gebieten, Arbeitskraft bekommt man überall. Außerdem erhöht ein Gebiet nur das Einkommen, wenn es mit der Basis verbunden ist.

 

Alles eine Frage der Erfahrung

So etwas wie eine vierte Ressource ist die Erfahrung. Einheiten bekommen für jeden erfolgreichen Abschuss Erfahrung und steigen dann in drei Veteranenrängen auf. Besonders motivierend: Zusätzlich gibt es noch ein Erfahrungskonto des Anführers, das ebenfalls durch die Vernichtung gegnerischer Einheiten oder den Bau von Gebäuden gefüllt wird. Erlangt der Spieler so genügend Erfahrung, bekommt er einen Kommandopunkt. Den kann er nutzen, um Kommandantenfähigkeiten, vom Luftangriff bis zum neuen Panzertyp, für die laufende Mission freizuschalten. Welche davon zur Verfügung stehen, wird durch die Spezialisierung des Kommandanten festgelegt. In der Kampagne ist diese missionsgebunden, im Mehrspielermodus oder im Gefecht kann der Spieler frei zwischen Infanterie, Fahrzeugen oder der Luftwaffe wählen.

 

Ausgewählte Spezialisten

Auch bei den Einheiten geht "Company of Heroes" ungewohnte Wege. Während die Konkurrenz auf große Vielfalt setzt, gibt es in "CoH" beispielsweise aufseiten der Alliierten nur fünf Infanterieeinheiten, sechs Fahrzeuge und ein Panzerabwehrgeschütz - Spezialeinheiten, die erst mit Kommandopunkten freigeschaltet werden müssen, nicht mitgerechnet. Dafür lässt sich jede Einheit sinnvoll einsetzen, überflüssige Typen gibt es nicht. Das liegt nicht nur daran, dass die Einheiten ausgeprägte Stärken und Schwächen haben, sondern auch an den zahlreichen Spezialfähigkeiten. So kann nur der M4 Sherman Minen beseitigen und nur Pioniere und Schützen können Flaggenpunkte mit einem Beobachtungsposten verstärken. Der muss nicht nur vom Gegner zerstört werden, bevor der das zugehörige Gebiet erobern kann, sondern erhöht vor allem auch noch die Menge der generierten Ressourcen. Manche Truppentypen können auch aufgewertet werden; der M4 "Crocodile" Sherman bekommt dann beispielsweise eine Bulldozer-Schaufel, um dichte Hecken und Panzersperren zu beseitigen. Diese Aufwertung muss in der Regel für jede Einheit einzeln getätigt werden.

 

Komplexe Infanteriegefechte

Besondere taktische Möglichkeiten stehen beim Einsatz der Infanterie zur Verfügung. Fußsoldaten sind stets in Squads eingeteilt, die je nach Truppentyp aus drei bis sechs Soldaten bestehen - nur der Scharfschütze ist allein unterwegs. Ein Squad bleibt stets zusammen und nimmt alle Befehle als Gruppe entgegen. Stirbt ein Soldat, kann seine Truppe in der Nähe einer Baracke wieder aufgefüllt werden. Fallschirmjäger können sogar überall auf dem Schlachtfeld angefordert werden, sofern keine gegnerische Luftabwehr in der Nähe ist. Praktisch: Jedes zivile Gebäude kann gegen Bares in eine vorgezogene Baracke verwandelt und dann zum Rekrutieren neuer Soldaten verwendet werden. Das Squad-System funktioniert gut, lediglich die Möglichkeit, zwei kleine Gruppen zusammenzulegen, fehlt manchmal.

Die Soldaten gehen hinter Mauern, Panzerwracks und auch sonst bei jeder Gelegenheit in Deckung und überleben dann im feindlichen Feuer wesentlich länger. Fährt man mit dem Mauszeiger über die Landschaft, wird angezeigt, wo genau sich die ausgewählten Einheiten positionieren würden, wenn man einen Marschbefehl an die betreffende Stelle geben würde, und wie gut dort die Deckung ist. Gibt man einen Angriffsbefehl, nutzen die Truppen sogar selbstständig jede Deckung auf dem Weg. Gerät eine Gruppe von Fußsoldaten unter schweren Beschuss, kann es passieren, dass sie festgenagelt wird. Dann kriechen die Soldaten nur noch und sind zwar weniger verletzbar, aber auch sehr viel langsamer. Liegt die Einheit weiterhin unter Sperrfeuer, kann sie sogar gar nicht mehr schießen. Dann hilft oft nur noch der Rückzugsbefehl. Der zwingt die eigene Einheit nicht nur, aufzustehen und zurück in die Basis zu rennen, sondern bringt auch noch einen Geschwindigkeits- und Defensivbonus. Die Flucht kann allerdings nicht abgebrochen werden. Wird ein Squad vernichtet, das ein MG, eine Panzerfaust oder einen Mörser hatte, kann es vorkommen, dass die Waffe "überlebt" und dann herrenlos herumliegt. Sie kann dann von Schützen aufgenommen werden. Das will allerdings gut überlegt sein - einmal aufgehobene Waffen können nicht mehr abgelegt werden.

 

Leichter Einstieg

Die taktischen Feinheiten des Infanteriekampfs werden, wie auch alle anderen Spielaspekte, von einem ausgezeichneten Tutorial erklärt. Das Handbuch ist ebenfalls gelungen, enthält aber nur eine kurze Übersicht des Spielprinzips und konzentriert sich eher auf die Dokumentation der verschiedenen Einheitentypen. Sehr gut funktioniert auch die Bedienung von "Company of Heroes". Das Spiel setzt alle Standards des Genres um, so dass erfahrene Spieler sich sofort zu Hause fühlen. Besonders sinnvoll sind kleine Icons über eigenen und gegnerischen Einheiten. Diese verraten neben deren Lebensenergie auch Typ, Rang und bei Infanterie die Anzahl der im Soldaten im Squad. So behält man trotz der ähnlich aussehenden Fußsoldaten den Überblick. Da man die Einheiten auch per Klick auf das Symbol selektieren kann, findet man auch in hektischen Situationen sofort die passende Truppe. Hektik sollte allerdings gar nicht erst aufkommen. Ein Druck auf die Pause-Taste unterbricht das Spiel - Kommandos werden natürlich weiterhin angenommen. Das ist auch spätestens dann, wenn der Spieler an zwei Stellen auf einmal angegriffen wird, dringend nötig. Wegen des knackigen Schwierigkeitsgrades empfiehlt es sich außerdem, oft zu speichern. Das ist leider etwas umständlich, weil man zuvor das Menü öffnen und dann auch noch einen Namen für den Spielstand eingeben muss - eine Quick- oder Autosavefunktion wäre wesentlich praktischer gewesen.

 

Bauen, reparieren, befestigen

Eine besonders wichtige Einheit ist der Ingenieur. Er kann nicht nur als einziger die teueren Panzer reparieren, sondern auch überall auf eigenem Terrain Verteidigungsanlagen hochziehen. Zur Auswahl stehen Minen, Sandsack-Barrieren, Stacheldrahtzäune, Panzersperren und MG-Stellungen. Letztere nehmen automatisch gegnerische Einheiten in ihrem 160 Grad weiten Schussfeld aufs Korn und können sich auch gegen größere Infanteriegruppen durchsetzen. Gegen Fahrzeuge sind sie allerdings nutzlos. Besonders praktisch ist, dass sie keine Auswirkungen auf das knappe Einheitenlimit haben.

 

Kluge KI mit gelegentlichen Ausfällen

Ähnlich taktisch wie beim Infanteriegefecht geht es bei einer Panzerschlacht zu. Wird eine gepanzerte Einheit von vorne getroffen, hat das kaum Auswirkungen. Meist prallt das Geschoss einfach ab. Schon mehr Schaden verursacht ein Treffer in die Seite des Gefährts. So richtig effektiv ist aber nur ein Treffer ins schlecht gepanzerte Heck. Bereits drei davon zerstören einen Panzer. Deshalb ist es Pflicht, die eigenen Panzer stets von Hand in die Richtung des Gegners auszurichten. Außerdem empfiehlt es sich, den Gegner in die Zange zu nehmen und von verschiedenen Seiten gleichzeitig anzugreifen. Die KI merkt teils, was ihr blüht und zieht sich zurück, wenn man ihr all zu plump in ihren Rücken fällt. Teils ignoriert sie das aber auch. Häufig lässt sie sich in die Seite schießen, auch wenn es reichen würde, den Panzer leicht zu drehen. In der Langzeitplanung geht die KI in den Gefechten aggressiv und klug vor, wird jedoch in Missionen der Kampagne nicht gefordert - die sind nämlich stark geskriptet. Der Gegner greift in vielen Einsätzen stets an der gleichen Stelle an und kann oft mit ein bis zwei Panzern und ein paar MG-Stellungen in Schach gehalten werden. Andererseits werden die Missionen erst durch die Skripts richtig spannend, beispielsweise wenn auf die Eroberung eines Sektors ein schwerer Gegenangriff der Deutschen folgt. Es gibt drei Arten von Missionszielen: Primärziele müssen für einen erfolgreichen Abschluss zwangsläufig erfüllt werden. Sekundärziele sollten als Empfehlung angesehen werden. Werden sie nicht erfüllt, kann die Mission trotzdem gewonnen werden, das wird allerdings merklich schwerer. Ein Sekundärziel ist beispielsweise das Ausschalten einer Gruppe von "Nebelwerfern", deutschen Raketenwerfern mit enormer Reichweite. Wer die ignoriert, muss mit regelmäßigen Raketenangriffen auf die eigene Basis klarkommen. Bonusziele sind komplett freiwillig, bringen dem Spieler aber eine Medaille ein. Pro Einsatz gibt es genau ein Bonusziel, wie zum Beispiel die Eliminierung eines deutschen Offiziers.

 

Schöne Ruinen

Ein großer Nachteil des Zweiten Weltkriegs als Szenario ist eine mangelnde Flexibilität im Bezug auf die Story. Überraschende Wendungen oder Charaktere mit undurchsichtigen Motiven sind nur schwer unterzubringen. Darum muss die Atmosphäre besonders durch eine aufwendige Präsentation generiert werden. Hier liegt eine der großen Stärken von "Company of Heroes": Die Grafik ist beeindruckend. Ein weiteres Highlight ist die großzügig verwendete Physik-Engine. Dank ihr fliegen von Granaten getroffene Soldaten in hohem Bogen über das Schlachtfeld. Schießt ein Panzer auf ein Haus, hat dieses danach genau an der getroffenen Stelle ein Loch. Auch der Sound ist einwandfrei. Größere Schlachten bieten ebenso eine beeindruckende Geräuschkulisse wie Artillerie- oder Bombenangriffe. Übersetzung und Synchronisation sind größtenteils gelungen. Nur vereinzelte Tooltipps und Missionsziele sind schlecht eingedeutscht. Offensichtlich kannte der Dolmetscher das Spiel nicht gut genug für die einwandfreie Übersetzung kleinerer Textfetzen.

Viele Spieler können keine Games, die zwischen 1939 und 1945 spielen, mehr sehen - "Company of Heroes" sollten sie sich trotzdem anschauen. Das liegt nicht nur an der ausgezeichneten Präsentation, sondern vor allem am durchdachten Spielprinzip, das sich durch viele gute Ideen angenehm von der Konkurrenz abhebt. Viel zu meckern gibt es nicht - "Company of Heroes" kommt der Perfektion recht nah. Lediglich fehlender Komfort beim Speichern, kleinere Übersetzungsmängel und die nicht besonders lange Kampagne trüben den Eindruck ein wenig. Unterm Strich wird aber wohl kaum jemand, der Strategiespielen etwas abgewinnen kann, den Kauf bereuen - für alle Fans des Genres ist er sowieso Pflicht.

(16.10.2006)

 

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