Galactic Civilizations II - Dread Lords

Galactic Civilizations II - Dread Lords

(KochMedia)

geschrieben von Sebastian E.R. Hör

 

Fast drei Jahre ist es her, da versuchte ein ehrgeiziges Weltall-Rundenstrategiespiel mit dem Namen "Galactic Civilizations", den seit "Master of Orion" vakanten Thron des Genrekönigs zu besteigen. Mit Flottenkämpfen, ausgiebiger Forschung und Diplomatie bot es eigentlich alles, was in diesem Genre notwendig ist. Doch der Versuch schlug fehl. Zwar war "Galactic Civilizations" ein hervorragendes Spiel, doch leider wirkte es teilweise unfertig, das Management der Planetensysteme erwies sich als eine Spur zu umständlich und auch die Interface-Übersichtlichkeit ließ stark zu wünschen übrig. Jetzt wagt Stardock mit "Galactic Civilizations II - Dread Lords" einen neuen Versuch, die Weltraum-Rundenstrategen zu beglücken. Ob's klappt?

Götterdämmerung

Vor langer Zeit beherrschte eine unvorstellbar mächtige Zivilisation, die Arnor, große Teile des Weltalls. Als sich irgendwann "jüngere" Kulturen unterschiedlicher Rassen anschickten, ebenfalls den Sprung zu den Sternen zu wagen, entbrannte ein erbitterter Streit um die Haltung der Arnor zu dieser Entwicklung. Die einen beabsichtigten, diese neuen Zivilisationen willkommen zu heißen und ihnen auf ihrem langen Weg zu helfen, während die andere Partei, die sich zum Zeichen ihrer Abspaltung "Dread Lords" nannte, sich dafür aussprach, sie zu versklaven. Dieser Konflikt eskalierte schließlich zu einem handfesten Bürgerkrieg. Wenig ist darüber bekannt, was passierte, aber kurz vor dem entscheidenden Sieg der Dread Lords über die Arnor verschwanden urplötzlich beide Rassen vollständig aus der Galaxis. Ein paar Jahrhunderte später hat eine der genannten jüngeren Zivilisationen, die Menschen, den Sprung ins All geschafft. Unter dem Namen "Terranische Allianz" machen sie sich daran, die umliegenden Planeten zu kolonisieren und tiefer in den Weltraum vorzudringen. Doch schon bald stellen sich ihnen andere Rassen in den Weg.

Mikromanagement

Nach einem kurzen Intro-Video findet man sich im Hauptmenü des Spieles wieder und stößt dort auf wenig Spektakuläres. Man hat die Möglichkeit, ein neues Spiel zu erstellen, ein angefangenes Spiel zu laden, sich die Tutorials zu Gemüte zu führen oder in die Kampagne einzusteigen. Entscheidet man sich für die Kampagne, startet man unausweichlich auf Seite der "Terranischen Allianz" und beginnt mit der Suche nach der verschollenen Zivilisation der Dread Lords. Kurze Briefings vor den Missionen informieren Sie über den aktuellen Stand der Dinge und über die Entwicklungen seit der letzten Mission. So suchen Sie beispielsweise in der einen Mission nach einem verlorenen Artefakt, das sich im Besitz des feindlich gesonnenen Drengin-Imperiums befindet und dürfen in der nächsten Mission deren Fehler ausbaden, weil die Aktivierung desselben eine sehr unschöne Entwicklung ausgelöst hat. Nach den Missionen wird man mit einer kurzen Videosequenz belohnt, die über die Geschehnisse unmittelbar nach Erfüllung des Auftrages informiert. Lobenswert ist, dass man nach jeder Mission den Schwierigkeitsgrad der Nächsten neu anpassen kann. So kann man unschaffbar scheinende Missionen vielleicht doch noch lösen, ohne eine ganz neue Kampagne beginnen zu müssen.

Entscheidet man sich gegen die Kampagne, so hat man die Wahl, ein neues Spiel zu beginnen, das erst endet, wenn man eine der Siegbedingungen erfüllt hat. Je nach Gusto kann man zwischen einigen vorgefertigten Szenarien, wie etwa den Drengin zur vollständigen Kontrolle über die Galaxis zu verhelfen oder dem klassischen Kampf "Gut gegen Böse", wählen. Alternativ dazu kann man sich aber auch ein eigenes Szenario aus zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten zusammenbasteln. So kann man beispielsweise auf vier verschiedene Arten den Sieg über seine Feinde erringen: durch die Erforschung der ultimativen Technologie (oder, wie Anhänger der Bruderschaft von NOD sagen würden: der "Technologie des Friedens"), dem Schmieden einer möglichst großen Allianz, durch kulturelle Überlegenheit oder schlicht durch die Eliminierung aller anderen Völker. Diese Siegbedingungen kann man, bis auf die Eroberungsbedingung, beliebig zulassen oder auch abschalten, sodass man sich ganz auf sein Lieblingsziel konzentrieren kann. Auch die Größe der Galaxis lässt sich einstellen und reicht von winzig mit nur wenigen Sonnensystemen bis hin zu gigantisch, bei der man auch auf der niedrigsten Zoomstufe noch nicht die gesamte Karte überblicken kann. Des Weiteren lassen sich auch die Zahl der bewohnbaren Planeten, deren Anzahl insgesamt, die Anzahl der Sterne, deren Dichte, das Aufkommen von Anomalien und die Technologierate individuell einstellen. Hat man das Universum nach seinen Wünschen geformt, steht man vor der Qual der Rassenwahl. Zur Auswahl stehen diverse Alienrassen, zwei menschliche Zivilisationen und natürlich die Möglichkeit, sich eine eigene Spezies zu erschaffen. Wählt man die letzte Option, kann man mit Hilfe eines Punktebudgets aus verschiedenen Eigenschaften einige auswählen, die charakteristisch für die neue Rasse sein sollen und diverse Boni bringen. So kann man beispielsweise das Bevölkerungswachstum auf seinen Welten steigern, indem man zwischen einem und fünf Punkte darauf verteilt. Ein Punkt bedeutet hier "munter" und gewährt ein zusätzliches Wachstum von 10%, während fünf Punkte "Fragt nicht" bedeutet und ein Wachstum von 70% bewirkt. Genauso läuft es bei der vorherrschenden politischen Kaste der Zivilisation, die ebenfalls gewisse Boni bewirkt: So sorgen die Industriellen für ein Wachstum der Militär- und Zivilproduktion von 20%, während die Kaufleute Handel und Spionage erhöhen. Außerdem kann man noch das Aussehen und die ab Start zur Verfügung stehenden Technologien auswählen, bevor es dann zum Auswahlmenü für die Computerspieler und den Schwierigkeitsgrad geht.

Hier deutet sich dann schon der ausgeprägte Sinn für Humor der Entwickler an, denn die Benennung der zwölf Schwierigkeitsgrade sorgt schon für den einen oder anderen Schmunzler. So heißen beispielsweise die drei schwierigsten Stufen "masochistisch", "obszön" und "selbstmörderisch". Auch ansonsten gibt es haufenweise Belege für den schrägen Humor der Programmierer - die Angehörigen einer der kleineren Rassen, auf die man im Spiel stößt, sehen aus wie überdimensionierte Kaninchen böser Gesinnung und hören auf den martialischen Namen "Snathi". Tut man einer der Alienrassen einen Gefallen, antworten sie schon mal mit launigen Sprüchen wie "Möge ihr Körpergeruch wie Moschus in den Nüstern der Weibchen Ihrer Spezies sein". Erforscht man eine Technologie, wie beispielsweise "Laser III", ist in der Beschreibung zu lesen: "Wir nummerieren unsere Entwicklungen durch römische Zahlen, damit wir uns keine neuen Beschreibungen ausdenken müssen." So geht das durchgängig und man freut sich bei jeder Technologie schon auf den nächsten lustigen Spruch - einfach nur klasse!

Das Interface im Spiel selbst ist zweigeteilt: Die oberen zwei Drittel des Bildschirmes werden von der Galaxiskarte eingenommen, auf der man seine Schiffe bewegt und Planeten auswählt. Im unteren Drittel befinden sich sehr übersichtlich die Anzeigen für die aktuelle Forschung und ihren Fortschritt, die zur Verfügung stehenden Finanzen, ein kurzes Übersichtsmenü des aktuell angewählten Planeten oder Schiffes sowie eine Minimap am rechten unteren Rand. In der Anzeige für das angewählte Schiff kann man dieses aufrüsten und sich Informationen über Reichweite und Schlagkraft anzeigen lassen. Hat man einen Planeten angewählt, kommt man mit Sprung auf den "Anzeigen"-Button auf die Oberfläche, wo man verschiedene Verbesserungen errichten kann, beispielsweise ein Forschungszentrum oder eine Fabrik. Verfügt man darüber hinaus über einen Raumhafen, kann man hier auch direkt Schiffe in Auftrag geben. Manko hierbei: Wenn man ein Schiff baut, statt es zu kaufen (was auch möglich, aber sehr kostspielig ist), wird der Auftrag per Klick auf "Fertig" übernommen. Aber anstatt dann wieder in das Menü der Planetenoberfläche geleitet zu werden, findet man sich auf der Galaxiskarte wieder und bekommt den zuletzt angewählten Planeten angezeigt. Sechs große Buttons am unteren Bildschirmrand dienen der direkten Ansteuerung von Teilbereichen. So zeigt der Erste eine Übersicht der eigenen Schiffe und Planeten an, der Zweite führt ins Forschungsmenü und der Dritte dient zur Steuerung der Innenpolitik, etwa, wie hoch der Steuersatz ist und wie viele Ein- und Ausgaben man im Verlauf einer Runde tätigt. Der vierte Knopf führt zum Fenster für Außenpolitik, der Fünfte zeigt Statistiken an und der Sechste aktiviert den Schiffsdesigner, in dem man aus verschiedenen Chassis und Waffentypen sowie optischen Verbesserungen sein individuell tödliches Raumschiff erstellen kann.

Die Kämpfe gestalten sich als recht simpel: Starten man beispielsweise eine Planeteninvasion, hat man vorher die Wahl, ob man einen "klassischen" Landkrieg führen möchte, per "Informationskrieg" versucht, ein paar Bewohner auf seine Seite zu ziehen oder gar per "Gaskrieg" die gegnerischen Truppen schwächt und dergleichen mehr. Anschließend werden die Vorteilsfaktoren (z.B. Ausbildung der Truppen, Terrain, Zustimmung der Bevölkerung) gegeneinander aufgerechnet und ein Ergebnis verkündet. Im Raumkampf dagegen treten zwei Flotten gegeneinander an; ist die eine Flotte der anderen rettungslos unterlegen, wird sie zerstört und nichts weiter geschieht. Sind sich die Flotten zahlen- und kräftemäßig einigermaßen ebenbürtig, wechselt das Spiel in eine Nahansicht der kämpfenden Flotten, wo man entweder Anweisungen geben oder aber einfach beobachten kann, wie sich die Schiffe beharken.

Milchstraßen und andere Unfälle

Die Grafik von "Galactic Civilizations II" lässt sich am treffendsten mit dem Wort "unspektakulär" charakterisieren. Die Galaxiskarte ist größtenteils statisch, lediglich die Planeten rotieren um ihre eigene Achse und Trabanten ziehen, falls vorhanden, ihre Kreise um den Mutterplaneten. Die Schiffe sind zumindest im Designmenü detailliert dargestellt und mit Schatteneffekten versehen, auf der Galaxiskarte und in Kämpfen fehlt aber ein Schadensmodell. Die Explosionen wirken sparsam und grobkörnig, bei zu hohem Schiffsaufkommen in einem Gebiet der Karte kommt das Spiel beim Scrollen merklich ins Stocken.

Donnergrollen

Akustische Leckerbissen sollte man beim Kauf von "Galactic Civilizations II" nicht erwarten; die Hintergrundmusik dudelt eintönig aus den Boxen und schon bald deaktiviert man sie und ersetzt sie durch die eigene Playlist. Auch Explosionsgeräusche und dergleichen sind offenbar von einem Praktikanten, der über nichts als eine Blechdose, eine Triangel und einen Baseballschläger verfügt, gemacht worden. Auch wenn das alles zur spartanischen Atmosphäre des einsamen Feldherrn und Schlachtenlenkers der Galaxis passen mag - ein bisschen mehr Vielfalt wäre schon wünschenswert gewesen.

Entwickler: Stardock Games
Publisher: KochMedia
Genre: Rundenstrategie
Releasedate: bereits erhältlich
Homepage: Galactic Civilizations II - Dread Lords
Preis: ca. 39,99 €
Altersfreigabe: freigegeben ab 6 Jahren gemäß §14 JuSchG

Fazit

   "Galactic Civilizations II - Dread Lords" birgt enorme Suchtgefahr. Die umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten und die riesige Vielfalt von Strategien zur Erlangung der Vorherrschaft sorgen dafür, dass das Spiel eine hohe Langzeitmotivation erreicht. Zwar ist es grafisch kein Leckerbissen, aber was ein echter Rundenstratege ist, den wird das nicht abschrecken - im Gegenteil. Auch der geniale Wortwitz sorgt für Motivation, doch leider ist gut ein Drittel des Spiels nicht übersetzt. Viele Forschungszweige sind gar nicht beziehungsweise unvollständig eingedeutscht worden. Die Rechtschreibfehler sind teilweise haarsträubend und so manche Beschreibung irreführend. Auch der Sound kann, wie oben erwähnt, nicht punkten und sorgt für Abzüge in der B-Note. Die teilweise umständliche Steuerung und einige Bugs (beispielsweise, dass man trotz fast vollständig eroberter Galaxis keinen Einflusssieg erringt) vervollständigen den Eindruck: "Galactic Civilizations II" ist ein unfertiges Spiel. Dennoch: Die vielen Features und Optionen sorgen für eine enorme Langzeitmotivation und großen Spielspaß. Trotz aller genannten Mängel ist "Galactic Civilizations II - Dread Lords" ein sehr gutes Spiel. Hätte man es konsequent zu Ende entwickelt, es wäre ein hervorragendes Game geworden. (02.05.2006)


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