Alice im Wunderland

Alice im Wunderland

(Disney Interactive Studios)

geschrieben von Kevin Krüger

 

     
 

Das Märchen der kleinen Alice, die sich auf eine abenteuerliche Reise durch eine sehr bizarre Welt begibt, werden viele kennen. Verschiedene Film-Adaptionen entstanden bereits in Anlehnung an Lewis Carrolls zweiteiligen Roman, die neueste aus dem Hause Disney wo bereits 1951 die bisher wohl erfolgreichste und bekannteste Verfilmung entstand. Passend zum Kinostart des von Tim Burton inszenierten Films erschien das offizielle Videospiel. Ob dieses jedoch den Erwartungen, die der Film geweckt hat, gerecht wird, erfahren Sie in unserem ausführlichen Test.

In den Kaninchenbau

In der ersten Videosequenz fällt Alice durch den altbekannten Kaninchenbau hinunter ins Wunderland, oder auch Unterland, wie es von seinen Bewohnern genannt wird, und findet sich in einem Raum mit einigen verschlossenen Türen und einem Tisch mit verschiedenen Gegenständen wieder. Während sie mit der Zaubertrankflasche, dem Schlüssel und dem Kuchen ihre ersten leibhaftigen Begegnungen mit dem Wesen von Wunderland macht, unterhalten sich vom Schlüsselloch einer Tür aus spionierend zwei Bewohner des wundersamen Unterlandes darüber, ob sie die "richtige Alice" sein könne.

Offenbar wurden all die Jahre nach der in Carrolls Romanen beschriebenen Rettung des Wunderlandes durch Alice bereits mehrere Mädchen mit dem gleichen Namen zu diesem Ort geführt, um einer Prüfung unterzogen zu werden: Wunderland ist wieder einmal in großer Gefahr, denn die Rote Königin ist wieder an der Macht und da nur die richtige Alice, die schon einmal die Rettung war, in dieser Situation der Untergrundbewegung helfen kann, sie erneut zu stürzen, wurden Mallymkun, die Haselmaus und McTwisp, das weiße Kaninchen, geschickt um nach ihr zu suchen.

Durch die nach ihrem Entkommen von Alice offengelassene Tür folgen ihr die Zwei, da sie mehr eindeutige Beweise benötigen, um herauszufinden, ob sie die richtige ist. Dummerweise verstricken sie sich während der Verfolgung in ein Streitgespräch, so dass Alice sie entdeckt, wodurch sie ihren Auftrag nicht beenden können. Das Orakel Absolem ist nun der Einzige, der Klarheit bringen kann und zu ihm müssen sie das Mädchen jetzt bringen.

Offenbarung oder Fluch?

Da Alice keine Kämpfernatur ist, wird in diesem ansonsten relativ klassischen Action-Adventure auf ein ungewöhnliches Mittel zurückgegriffen: Der Spieler übernimmt nicht die Rolle der Protagonistin der Geschichte, vielmehr übernimmt man die Kontrolle über ein abenteuerliches Tag-Team, dem die Aufgabe zuteil wird, Alice zu ihrem jeweiligen Ziel zu begleiten und während der Kämpfe zu beschützen. In diesem Team, das zunächst nur aus Mallymkun und McTwisp besteht, jedoch bald weiter wächst, bringt jeder eigene, teilweise auch freischaltbare Fähigkeiten, einen eigenen Charakter und andere Eigenheiten mit.

Die zwar intuitive aber leider etwas unausgereift wirkende Steuerung ist, wie man schnell merkt, auf die Benutzung eines Gamepads ausgelegt. Dieser implizierten Aufforderung sollte man unbedingt nachkommen, da die Steuerung über Tastatur sich zwar vollständig nach eigenen Wünschen belegen lässt, jedoch ohne beispielsweise einen Analog-Stick durch etwas fummelige Tastatursteuerung stellenweise noch etwas haariger werden kann, als sie ohnehin schon ist. Weiterhin problematisch gestaltet sich an manchen Punkten des Spiels die Kameraführung. Die automatische Perspektive ist zuweilen unvorteilhaft oder verwirrend und die manuelle Variante ist an einigen Orten nicht so ausrichtbar, wie man es sich wünschen würde. Diese Punkte inklusive einer etwas schwerfällig umgesetzten Menüführung, ein wiederkehrendes Gefühl von Mangel an Information und ein zeitweise auftretender tatsächlicher Mangel an Information trüben den Gesamteindruck des Spiels nachhaltig.

Kämpfe mit den Soldaten der Roten Königin, welche auf Dauer wenig fordernd und leider einseitig sind, finden ohne zusätzliches Kampfsystem statt; man nutzt die Fähigkeiten der Charaktere, um Gegner per Telekinese herumzuschleudern, sie in der Zeit einzufrieren, mit den Fingern zu zerquetschen, mit der einfachen Attacke anzugreifen und ähnliches. Dabei darf man nicht vergessen die Soldaten von Alice fernzuhalten, denn sie nehmen den Auftrag, den Schützling der Gruppe von Verrückten zur Roten Königin zu bringen, so ernst, dass sie sogar gelegentlich vergessen, den Spieler anzugreifen, was natürlich dem Spieler entgegenkommt, jedoch leider nochmals dauerhaften Spielspaß und Motivation abschwächt.

Eindeutig positiv hervorzuheben sind jedoch die herrlichen Kommentare der Spielcharaktere, erfinderische Elemente in Bosskämpfen, innovative Spielereien, ein zerstörerisches Spielerlebnis und mitunter knifflige sowie unterhaltende Rätsel.

Die eigens für die PC-Umsetzung eingeführte Währung in Form von "unmöglichen Ideen" ist selbst ohne Mühe im Überfluss zu finden, wodurch der Spieler weitestgehend unsterblich wird, da auf ein System mit Extraleben verzichtet wurde und ein "Game Over" nur einige unmögliche Ideen kostet. Kleinere Spielfehler können zuweilen dafür sorgen, dass man seinen Spielstand neu laden muss, was wiederum durch unregelmäßig platzierte Speicherpunkte zu Verdruss führen kann. Freischaltbare Videosequenzen und Fähigkeiten sowie der Forscherdrang sorgen auch nur für eine recht öde und langwierige Streckung des ansonsten etwa fünf Stunden andauernden Spielvergnügens. Zum Coop-Modus bleibt nicht viel zu sagen: maximal zwei Spieler, ein PC, keine Online- oder Netzwerkfunktion.

Wunderschönes Wunderland

Grafisch ist die gefährliche Welt des Unterlandes ansprechend und atmosphärisch gestaltet. Die Stimmung, welche im Film zwischen ulkiger Bizarrerie und erdrückender Düsternis wechselt, wurde gut auf den PC-Titel übertragen, Figuren und Landschaften aus dem Leinwandspektakel lassen sich audiovisuell wiedererkennen, animiert und gestaltet wurde hier mit einem guten Händchen für den eigenwilligen grafischen Stil Burtons.

Leider sind die Grafiken teilweise detailarm und lassen sich durch mangelnde Einstellungsmöglichkeiten in den Menüs nicht aufpolieren, denn die einzige Grafikeinstellung besteht in einer Umstellung der Spielauflösung.

Unterland mit unterirdischer Geräuschkulisse?

Vertont wurden die Spielfiguren von den Original Synchronsprechern des Kinofilms, daher fühlt man sich recht schnell als wäre man tatsächlich Teil des Lichtspiels. Ansonsten ist der Sound zwar passend zur durch die Grafik und Geschichte geschaffenen Atmosphäre, insgesamt jedoch eher durchschnittlich.

Die Eingewöhnungsphase hielt nicht lange an, die Steuerung ist auf einem Gamepad recht intuitiv und die Erklärung der Fähigkeiten der Charaktere ausreichend. Störend fiel nur auf, dass man sich so ziemlich von Anfang an recht allein gelassen vorkommt: Angefangen bei zu wenig Erklärung der Aufgabenziele, über Stellen im Spiel an denen man aufgrund mangelnder Erklärung nicht weiter weiß, bis hin zur vollständig ausgelassenen, jedoch voll funktionalen – wenn auch ein wenig unübersichtlichen – Kartenfunktion.

Mich haben zum einen die häufig vorkommenden und öden Kämpfe mit den Soldaten der Roten Königin und die, sozusagen, begrenzte Unsterblichkeit der Charaktere gestört, andererseits die innovativen Teile des Spiels sehr unterhalten. Da ich Grafik und dergleichen keine sehr große Rolle zuspreche, bin ich von diesem Titel, insbesondere als Spielumsetzung eines Films, trotz einiger gewöhnungsbedürftiger Dinge wie der teils frustrierenden Steuerungsschwierigkeiten und Spielfehlern sowie dem auf die Dauer entnervenden Charakterwechseln im Sekundentakt recht positiv überrascht.

Ideen und Theorie sind eines guten Spieles würdig, werden leider jedoch durch die Anzahl negativer Aspekte bis weit unter die Grenze zwischen gutem und durchschnittlichem Spiel gezogen. Somit ist das Spiel "Alice im Wunderland" leider trotz aller Bemühungen den durch den Film geweckten Erwartungen nicht gerecht geworden und hält sich meinem Empfinden nach im mittleren bis unteren Bereich des Durchschnitts auf. Nichtsdestotrotz ist dieses Spiel für Fans von Tim Burtons Werken beziehungsweise der Geschichte von Alice allemal einen Versuch wert.

(03.05.2010)

 


Fazit

oder: "Verfluchte Offenbarung"


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