The Whispered World (Daedalic) geschrieben von Manuela Loritz
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Mit "Edna bricht aus" konnte Daedalic Entertainment im letzten Jahr einen großen Erfolg feiern. Bei ihrem neuesten "Point & Click-Adventure "The Whispered World", das seit dem 28. August erhältlich ist, setzen die Entwickler aus Hamburg erneut auf handgezeichnete 2D-Hintergründe und eine Geschichte, die sich von anderen Adventures abhebt. Und so viel sei schon einmal verraten: Es ist ihnen wirklich gut gelungen. Der traurige Clown Sadwick ist der jüngste Spross einer Zirkusfamilie. Gemeinsam mit seinem Bruder Ben und dem senilen Großvater reist er durch die Welt. Eigentlich ist dies eine schöne Vorstellung für einen kleinen Jungen, doch nicht in seinem Fall: Er ist nicht nur der Zirkusclown und Mädchen für alles, sondern zudem noch die lebende Munition bei einem Kanonentrick. Sein Bruder hält ihn für einen absoluten Nichtsnutz und kommandiert ihn ständig herum, während sein Großvater sich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern kann. Ausreichend viele Gründe für Sadwick, um traurig und sarkastisch auf sein Leben zu blicken. Nun plagen den Jungen in letzter Zeit auch noch schlimme Albträume, die ihn kaum zur Ruhe kommen lassen. Abwechslung in sein tristes Leben bringt ein königlicher Bote, der ihm von einem Orakel berichtet, das Träume deutet. Sadwick begibt sich sofort auf die Reise, doch das Orakel hat keine guten Nachrichten für ihn: Sadwick ist im Begriff, die Welt zu zerstören. Gemeinsam mit seinem Haustier und besten Freund, der kleinen grünen Raupe Spot, macht er sich auf, um das ihm vorausgesagte Schicksal abzuwenden. Doch wie es in Sadwicks Leben üblich scheint, geht am Ende doch noch einiges schief. Die allererste Prüfung - Der Kopierschutz Der Packung von "The Whispered World" liegen drei farbige Würfel mit Runen bei. Die können zum einen für das ebenfalls beigefügte Brettspiel Droggel - Spieler von "Edna bricht aus" werden mit dem Begriff sicherlich etwas anfangen können - verwendet werden, ihr eigentlicher Zweck ist aber die Kopierschutzabfrage. Die verlangt vom Spieler auf kreative Weise, in das Spiel einzusteigen: Auf dem Bildschirm erscheinen drei Würfel, mithilfe einer bereits angezeigten Rune muss der Spieler jetzt die jeweils richtige Nachbar-Rune finden und eingeben. Ist dies korrekt, ist er "würdig, in die geflüsterte Welt einzutreten". Macht er dies dreimal hintereinander falsch, wirft ihn das Spiel zurück auf den Desktop und alles beginnt von vorne. Diese Abfrage erfolgt bei jedem Start des Spiels erneut. So gut und außergewöhnlich die Idee heutzutage ist, spätestens beim vierten Mal macht es keinen großen Spaß mehr. Zusätzlich verwendet das Spiel den TAGES-Kopierschutz, der die Original-DVD erkennt. Beim Test kam allerdings mehrmals die Meldung, die Original-DVD könne nicht gefunden werden. Sadwick und Spot - Zwei Freunde gehen durch Dick und Dünn und andere Formen Sadwick und sein ständiger Begleiter Spot rätseln sich durch insgesamt vier Kapitel. Die bei einem Point & Click-Adventure erforderliche Maussteuerung ist perfekt umgesetzt: Mit der linken Taste erhält der Spieler Zugriff auf die üblichen auswählbaren Handlungen: "Ansehen", "Sprechen" und "Nehmen". Mit der rechten Maustaste gelangt man in das immer übersichtliche Inventar. Das ist gutes altes Gameplay und grenzt sich damit von dem kontextabhängigen Mauszeiger ab, wie er normalerweise in den heutigen Adventures verwendet wird. Zu einem der zentralen Elemente in einem Adventures gehört die Qualität der Rätsel. Die Aufgaben in "The Whispered World" sind in ihrem Schwierigkeitsgrad sehr durchwachsen: Mal fragt man sich (vor allem zu Beginn) ob es das wirklich schon gewesen ist, auf der anderen Seite sind vor allem im letzten Kapitel die Rätsel sehr knifflig, da die nötigen Hinweise fehlen. Das fordert den Profi, kann bei Einsteigern allerdings enorme Frustmomente auslösen. Das Rätseldesign selbst ist sehr abwechslungsreich und das, obwohl Daedalic die Rätsel allesamt nicht neu erfindet, sondern auf Altbewährtes zurückgreift. Hebelrätsel, Verschiebe-, Farben- oder Rohrrätsel (im Stil von "Pipemania") u.a. sind schon oft da gewesen. Hinzu kommen Dialogrätsel, bei denen auf gestellte Fragen die richtigen Antworten gegeben werden müssen. Besonders gelungen ist der kleine Begleiter und Sidekick von Sadwick: Spot, der im Gegensatz zu seinem allzeit traurigen Freund immer ein Lächeln auf den Lippen hat, herrlich naiv ist und nie etwas Böses ahnt. Das Besondere an der Raupe sind ihre Fähigkeiten, die sie im Laufe des Spiels automatisch entwickelt und die für so manches Rätsel benötigt werden. So kann er sich unter anderem nicht nur fünfteilen oder in eine dicke Kugel verwandeln, sondern sich auch in einen brennenden Spot verwandeln, der Feuer fängt und nun zündeln kann. Zugriff auf die insgesamt fünf erhaltenen Fähigkeiten erhält man jederzeit, indem man mit der Maus an den oberen rechten Bildschirm fährt, und sofort öffnet sich das Spot-Menü. Spieler von "The Book of Unwritten Tales" wird der Sidekick an das Vieh erinnern. Beide sind naiv, der menschlichen Sprache nicht mächtig und teilen sich deshalb durch eigenwillige Geräusche und Wörter mit. Zudem dürfen beide, einmal auf sich allein gestellt, mehrere Aufgaben lösen. Steht der Spieler vor einem Rätsel, das ihn vor eine verzwickte Aufgabe stellt, kann er sich jederzeit durch Drücken der Leertaste (Hotspot-Anzeige) alle Ausgänge und Objekte anzeigen lassen, mit denen es sich interagieren lässt. Zusätzlich gibt Sadwick immer wieder hilfreiche Kommentare und auch in den Gesprächen mit anderen Charakteren lassen sich Hilfestellungen heraushören. Doch gerade wenn diese Hinweise notwendig wären, nämlich gegen Ende des Spiels, schweigt Sadwick. Wenn die Aufgaben dann noch an Logik vermissen lassen - und das tun sie zwischendurch - wird es wirklich knifflig. Allerdings vermindert das keineswegs den Spielspaß; dafür zieht die Geschichte, ein gut erzähltes Märchen für Erwachsene, den Spieler zu sehr in seinen Bann. Sadwick trifft auf seiner Reise nicht gerade häufig auf andere Charaktere. Das ist schade, denn die Dialoge, die er mit seinen neuen skurrilen Bekanntschaften führt, sind jedes Mal hörenswert: nicht nur, weil sie wunderbar vertont sind, sondern weil sie auch noch witzig sind. Gleichzeitig spiegelt das aber auch den einsamen Seelenzustand des kleinen Clowns wider, und die Einwohner der "geflüsterten Welt", die wie ihr Zuhause der endgültigen Zerstörung ausgesetzt sind, befinden sich natürlich auf der Flucht - wer will da schon lange Unterhaltungen führen. Obwohl es sich bei "The Whispered World" um eine traurige, melancholische und leise erzählte Geschichte handelt, haben die Entwickler nicht vergessen, sie mit einer gut dosierten Prise Humor zu würzen. Vor allem Sadwicks Kommentare sind purer schwarzer Humor. Versucht der Spieler, eine Aufgabe auf beinahe unmögliche Art zu lösen, wird Sadwick es ihm mit einem sarkastischen Spruch danken. Schmunzeln ist also garantiert. Ist die Aufgabe im Anschluss gelöst, freut man sich mit dem kleinen Jungen, der zunehmend an Selbstbewusstsein gewinnt. Auch der Spieler wird durch das stete Vorankommen durch Bonusmaterial in Form von Artwork belohnt. Handgezeichnet ist nicht gleich altmodisch Die handgezeichneten 2D-Hintergründe in "The Whispered World" passen perfekt in das Abenteuer. Kunstvoll und detailreich spiegeln sie genau die Stimmung des Clowns und der dem Untergang geweihten Welt wider. Der Herbstwald zum Beispiel ist in wunderschönen und jahreszeitgemäßen Farben gestaltet. Allein die Zwischensequenzen, die in Form eines Comics gestaltet sind, wollen nicht so recht dazu passen, obwohl sie unabhängig davon sehr gut gemacht sind. Der Soundtrack ist orchestral (Streicher, Piano, Flöte) produziert, klassisch und dezent im Hintergrund. Hier haben die Entwickler von Daedalic gute Arbeit geleistet. Nicht nur die Musik, auch die Synchronisation der unterschiedlichen Charaktere ist professionell gemacht und gelungen. Zwar werden die wenigsten Stimmen den Spielern bekannt vorkommen, aber genau das macht es aus: Unverbrauchte Stimmen, die trotzdem von den Schauspielern liebevoll und überzeugend gesprochen werden und damit den einzelnen Personen ihre eigene Identität geben. Die Kommentare von Sadwick wiederholen sich kein einziges Mal, ein "das kann ich nicht" oder "das geht so nicht" kommt nicht vor. Die Dialoge und Kommentare von Sadwick, verbunden mit der Geschichte, ermöglichen eine sofortige Identifikation mit dem kleinen traurigen Clown. Bugs Daedalic hat bereits kurz nach Veröffentlichung von "The Whispered World" einen 60 MB großen Patch geliefert, der einen Script-Fehler im Planetenrätsel des vierten Kapitels behebt. Damit steht dem Vorankommen im Spiel nichts mehr im Wege. Man muss es im Zusammenhang mit Adventures aus Deutschland immer wiederholen: Alle Entwickler wissen, wie es funktioniert und Daedalic gehört mit "The Whispered World" eindeutig in diese Gruppe. Die wunderschön erzählte Geschichte, die melancholische Grundstimmung, die mit einer passenden Prise Humor gewürzt ist und nie aufgesetzt wirkt, gutes - wenn auch nicht perfektes - Rätseldesign: Das alles macht dieses Spiel zu einem Adventure, das sich Fans des Genres nicht entgehen lassen sollten. Mit einer Spielzeit von 15 Stunden (Einsteiger legen einfach noch ein paar Stunden drauf) ist es ein Märchen für Erwachsene, das am Ende überrascht und seine beiden Protagonisten zu den vielleicht sympathischsten Charakteren der Adventure-Welt macht. (20.10.2009)
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