Heavy Rain

Heavy Rain (PS3)

(Sony)

geschrieben von Bernd Wolffgramm

 

 
Entwickler: Quantic Dream
Publisher: Sony
Genre: Interaktiver Film
Releasedate: 26. Februar 2010
Homepage: Heavy Rain
Preis: 63,90 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

Einige Tage vor dem Erscheinen dieses PS3-exklusiven Titels hatten wir die Chance, das Spiel einmal auszuprobieren und uns selbst ein Bild zu machen, ob Sony den großen Erwartungen, hervorgerufen vor allem durch die Demos auf der GamesConvention und der GamesCom, gerecht werden konnte. Der Publisher selbst hat "Heavy Rain" nicht mal als Spiel, sondern als interaktiven Film angekündigt. Derart vollmundige Ankündigungen hat man in letzter Zeit häufiger vernommen, aber bis jetzt gab es kein Spiel, das den Anforderungen eines Cineasten gerecht werden konnte. Am meisten in diese Richtung hatte sich wohl die französische Softwareschmiede Quantic Dream entwickelt, deren letztes großes Projekt "Fahrenheit" sehr viele filmische Elemente beinhaltete. Da macht es sich doch gut, das dieses Team auch für "Heavy Rain" verantwortlich zeichnet.

Die Charaktere

Ethan Mars hat es in seinem Leben nicht leicht gehabt. Durch einen Autounfall verlor der Architekt seinen ältesten Sohn, seine Frau gab ihm daran die Schuld und verließ ihn über Nacht. Seitdem ist sein anderer Filius Shaun sein Ein und Alles. Ethan hat sich gerade mit der Situation abgefunden, da ereilt ihn ein erneuter Schicksalsschlag: Sein zweiter Sohn verschwindet während eines Kaufhausbesuchs. Verzweifelt rennt der Vater rufend durch die Verkaufsräume, doch sein Sohn bleibt verschwunden. Ist der 10-Jährige in die Hände des Origami-Killers gefallen, der zurzeit sein Unwesen in der Stadt treibt? Mars ist verzweifelt, doch weil Shaun alles ist, was er noch hat, macht er sich unter den schwierigsten Umständen auf die Suche.

Der gefürchtete Killer ist ein Serienmörder, der am Tatort als Signatur eine Origami-Figur in Form eines Vogels hinterlässt. Um ihm endlich Einhalt zu gebieten, werden zwei Personen auf seine Fährte gesetzt. Da ist zunächst der offizielle Ermittler des FBI, Norman Jayden. Er ist Profiler und untersucht die Tatorte, um ein genaues Bild vom Mörder zu bekommen und ihn dann aufgrund seiner Vorgehensweise dingfest zu machen. Jayden ist dabei aber nicht der typische analysierende Schreibtischhengst, sondern er ist überdurchschnittlich fit und weiß sich mit seinen Fäusten aus gefährlichen Situationen zu befreien und auch Waffeneinsatz ist ihm kein Fremdwort. Er wurde von seiner Bundesbehörde mit einer experimentellen Brille - genannt ARI, das steht für Added Reality Interface - ausgestattet, die es erlaubt, Hinweise an Tatorten zu leichter zu finden. Leider wird seine Erfolgsbilanz bei der Ermittlungsarbeit durch einen kleinen Schönheitsfehler in seinem eigenen Profil gestört: Er ist drogenabhängig. So kommt es oft vor, dass Jayden schon knapp vor der Erfassung eines Täters steht, aber leider eine Ermittlung oder einen Kampf nicht zu Ende führen kann, weil er dringend einen Fix braucht. So bricht er Einsätze ab, weil er sich Heroin spritzen muss.

Die zweite Person, die sich von Berufs wegen auf die Suche nach dem Origami-Mörder macht, ist Scott Shelby. Er ist Privatermittler und wird von den Opferfamilien beauftragt, endlich Fahndungsergebnisse zu liefern, da das FBI dazu scheinbar nicht in der Lage ist. Der ehemalige Cop kann sich nach vielen Jahren Polizeiarbeit dabei gut in die handelnden Personen hineinversetzen und erhält so schnell ein genaues Bild der Lage. Trotz seines Alters von 45 Jahren kann er körperlich noch mit den jüngeren Leuten mithalten und beweist auch in schwierigen Situationen Stehvermögen. Leider hat auch er ein Problem, er leidet unter Asthma, und wenn ihn ein Anfall überkommt, gerät auch er ins Wanken.

Neben den drei Herren der Schöpfung beteiligt sich auch noch eine Frau an der Suche nach dem Mörder mit den Papierfiguren. Madison Page ist eigentlich Fotoreporterin und rutscht irgendwie in diesen Fall hinein und beweist nach und nach ein gutes Gespür für den Tathergang. Sie setzt bei der Ermittlungsarbeit vor allem auf ihre weiblichen Reize, mit denen sie ihre männlichen Kontakte glauben lässt, dass sie nichts im Köpfchen hat. Natürlich ist genau das Gegenteil der Fall und sie kombiniert die Fakten zu einem Täterbild. Page hat ein eher ungewöhnliches Problem. Sie leidet unter Schlaflosigkeit und irgendwie können sie nur Hotelzimmer zur Ruhe bringen.

How far will you go to save the one you love?

Bereits die Tatsache, dass man es nicht mit einer, sondern mit vier handelnden Personen zu tun hat, zeigt, dass "Heavy Rain" etwas anders aufgebaut ist als sonstige Spiele. Man kann zwischen diesen Personen aber nicht hin- und herschalten, sondern das Gameplay gibt vor, mit welchem Charakter man es zu tun hat. Jeder Ermittler sorgt für einen Teil des Puzzles bei der Ergreifung des Täters ... oder eben nicht. Das Spiel ist streng nicht-linear, und wenn der Spieler nicht in der Lage ist, sich genau in eine Situation zu versetzen, dann kann es sein, dass bestimmte Hinweise einfach nicht gefunden werden. Ganz im Gegensatz zu einem klassischen Adventure, wo es zwingend notwendig ist, dass ein Hinweis oder ein Gegenstand gefunden wird, um das Spiel fortzusetzen, ist das hier nicht von Nöten. So kann es sogar sein, dass einer der Ermittler oder der Vater des vermissten Kindes einfach stirbt und damit den Handlungsstrang beendet. Auf den Ausgang des Spiels hat das natürlich einen großen Einfluss, weil dann die fehlenden Hinweise nicht zur Verfügung stehen. So ist es wichtig, jeden Charakter - natürlich - am Leben zu halten und mit ihm auch sehr sorgfältig die möglichen Hinweise einzusammeln. Anders als in einem Adventure traditioneller Machart muss der Spieler selbst entdecken, was wohl als nächstes zu tun ist. Natürlich gibt das Spiel Hilfen, aber auch diese muss man erst einmal richtig deuten. All dies führt dazu, dass es schwer ist, fremde Hilfe bei Problemen in Anspruch zu nehmen, denn zum Beispiel Komplettlösungen können den Spielverlauf des Einzelnen nicht genau abbilden, da jede Handlung individuell das Spielgeschehen verändert. Man hat deswegen ständig das Gefühl, etwas zu übersehen oder etwas falsch zu beurteilen. Jede scheinbar unwichtige Entscheidung, etwa darüber, ob man von einem Zeugen eine Tasse Kaffee annimmt, könnte im späteren Spielverlauf eine schwerwiegende Auswirkung haben, denn eventuell verabreicht der bisher harmlose NPC einem der Ermittler ein Gift, das dann später erst wirkt. Ganz nebenbei gesagt: Das Skript zu diesem interaktiven Geschehen ist 2.000 Seiten stark.

Wenn man eine Weile "Heavy Rain" gezockt hat, bekommt man schon das Gefühl, dass es sich nicht um ein Videospiel, sondern einen Film handelt, in den man aktiv eingreifen kann. Dies ist zum einen der brillanten Grafik geschuldet, aber eben auch den Handlungselementen und vor allem der Stimmung, die sehr einem klassischen Film Noir ähnlich ist. Diese cineastische Stilrichtung zeichnet sich vor allem durch eine pessimistische Weltsicht, düstere Bildgestaltung und entfremdete, verbitterte Charaktere aus. So werden in diesem Spiel die Charaktere alle an die Grenzen ihres Selbstverständnisses getrieben, und nur wenn sie bereit sind, diese Barriere aufzubrechen, können sie ihrem Ziel näher kommen. Ohne allzu viel über die wichtige Handlung von "Heavy Rain" zu verraten, gibt es Storyelemente, die auch den Spieler an seine Grenzen bringen. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass sich der Spieler fragt, wieso die USK diesem Game noch das Siegel "Ab 16" gegönnt hat, eventuell wäre ein Jugendverbot gar nicht so falsch gewesen. Viele der Szenen spielen sich durch die kluge dramaturgische Aufarbeitung der Produzenten auch nur im Kopf ab und so ist "Heavy Rain" definitiv ein Spiel für Erwachsene.

Schwerer Regen und nackte Tatsachen

Jahrelang wurde den Videospielern erzählt, dass die PS3 die besseren Grafikmöglichkeiten gegenüber der Xbox 360 hat. Leider ist es bisher keinem Spiel so richtig gelungen, diesen Beweis anzutreten. Auch die PS3-exklusiven Spiele wie "Killzone 2" waren zwar schön anzusehen, wiesen aber keine grafischen Alleinstellungsmerkmale auf. Dies wird sich nun mit "Heavy Rain" ändern. Mit der Entwicklung des Spiels wurde bereits zum Erscheinen der Playstation 3 begonnen und diese über dreijährige Periode wurde gut genutzt, um die Grafik für Videospiele auf ein neues Niveau zu heben. Es gibt ein komplexes Zusammenspiel aus Gestik, Mimik, echtzeitberechneten Tränen, Falten, Hautschattierungen und bildsynthetischen Merkmalen wie Tiefenschärfe, Kugelflächenfunktionen und Belichtung in einer sehr emotionalen Geschichte. Die virtuellen Akteure basieren auf Schauspielern, deren Mimik per Motion Capturing aufgenommen wurde, die verwendete Technik ermöglicht die Animation von Haaren, Zunge, Augen, Pupillenveränderungen und Fingern mittels der Physik Engine, die ebenfalls eine Nachbearbeitung in Echtzeit unterstützt.

Alle diese technischen Verfahren sind aber kein Selbstzweck, sondern zaubern eine brillante Grafik auf die Mattscheibe. Alle bildlichen Faktoren unterstützen die von der Dramaturgie geforderten Stimmungen exzellent oder genauer gesagt: die schwere Stimmung des Spiels. Der Titel "Heavy Rain", schwebt über allem und so finden große Teile der Handlung bei starkem Regen und bei Dunkelheit statt. Die Darstellung jedes Details oder Gegenstands und jeder Person glänzt durch Realitätsnähe, die diesem Preview angehängten Screenshots belegen dies. Ganz besonders freuen werden sich die männlichen Spieler über diese Realitätsnähe, denn die junge Fotojournalistin Madison Page ist nicht nur eine ziemlich clevere, sondern auch bildhübsche Frau. Da sie leider unter Schlafstörungen leidet, hat sie oft die Idee, nachts zu duschen. Und dort kann man sie dann in all ihrer unzensierten Nacktheit erleben, vielen Dank dafür.

 

  

Keine Aliens

Das Spiel "Fahrenheit" vom gleichen Entwickler zeigte schon einen Weg auf, wie Adventures in Zukunft aussehen könnten, die Entwicklung zum interaktiven Film scheint nun mit "Heavy Rain" weiter vorangetrieben worden sein. Der Spieler hat das Gefühl, Teil einer sehr dichten Handlung zu sein und kann diese entweder bewusst oder eben unfreiwillig, weil er eine falsche Entscheidung getroffen hat, stark beeinflussen. "Vater sucht Sohn und ist bereit, dafür alles zu tun" ist zwar ein sehr bedrückendes und im Spiel auch manchmal schockierendes Szenario, wurde aber mit den vier Handlungssträngen exzellent umgesetzt. Auch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Entwickler Quantic Dream diesmal keine überraschend auftretenden Aliens - wie in "Fahrenheit" - eingefügt hat, sondern alles sehr realitätsnah bleibt. Sony als Publisher und Hersteller der Playstation 3 setzt viele Hoffnungen in das Spiel, aber es bleibt abzuwarten, ob dieses sehr spezielle Setting dann die große Masse der Zocker anspricht. Ich jedenfalls bin begeistert.

(24.02.2010)

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