Anno 1701

Anno 1701

(Sunflowers)

geschrieben von Nico Meißner

 

 
Entwickler: Related Designs
Publisher: Sunflowers
Genre: 3D-Echtzeit-Aufbaustrategie
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Anno 1701
Preis: 45 €
Altersfreigabe: Freigegeben 6 Jahren gemäß §14 JuSchG

"Das neue Anno, mannomann." Auch ohne die etwas skurrile Werbung mit Sky Du Mont sollte sich das Erscheinen des dritten Teils der "erfolgreichsten deutschen Spieleserie" herumgesprochen haben. Seit den Zeiten des ersten Teils (1998) ist viel passiert: "Anno 1602" und "1503" mauserten sich zu echten Klassikern der 3D-Echtzeit-Aufbaustrategie. Doch dann löste sich das Entwicklerteam Max Design auf und der Publisher Sunflowers verwirklichte "Anno 1701" daher mit Related Designs. Ob die neuen Macher einen würdigen Nachfolger geschaffen haben, hat DLH.net Wind und Wellen zum Trotz für euch kartographiert.

Kolumbus 1701

Ein eindrucksvolles Intro-Video sorgt zum Einstieg für die richtige Abenteuerstimmung. Es erzählt optisch und akustisch sehr ansprechend die Vorgeschichte des Spielercharakters: Wie seinerzeit Kolumbus erhält auch dieser von seiner Königin den Auftrag, neue Ländereien an fernen Gestaden zu entdecken - Gold und andere Kostbarkeiten spielen sicher ebenfalls eine Rolle. Doch leider ist auch diese Königin vom Gelingen eines solchen Unternehmens alles andere als überzeugt. So stellt sie der Expedition lediglich ein kleines Schiff, etwas Proviant und ein paar Werkzeuge zur Verfügung. Mit dieser spärlichen Grundausrüstung zieht der tapfere Gefolgsmann seiner Majestät also aus, um in der Fremde eine blühende Metropole aufzubauen, exotische Völker kennenzulernen und sich durch Umsicht und Geschick gegen die Konkurrenten zu behaupten. Und auch Widrigkeiten wie Naturkatastrophen oder goldgierige Piraten gilt es in den neuen Landen zu überwinden

Zu Beginn kann der Spieler sich entscheiden, in welchem Modus er in See stechen möchte: Neben dem bekannten Endlosspiel stehen noch die "Spielwiese" und zehn Szenarien zur Wahl - eine Singleplayer-Kampagne wie im Vorgänger gibt es nicht mehr. Dafür bietet das Endlosspiel nahezu endlose Einstellungsmöglichkeiten: Von der Beschaffenheit der Welt, über die Anzahl und Stärke der Kontrahenten, bis zu den Siegesbedingungen lässt sich alles schnell und bequem festlegen. Auch die verheerenden Naturkatastrophen, wie zum Beispiel das Erdbeben, lassen sich jeweils an- oder abschalten. Die gut aufgebauten Szenarien, die quasi als Ausgleich für die fehlende Kampagne dienen, sind in drei Schwierigkeitsgraden gestaffelt. Beginnend bei tutorial-haft einfachen Aufgaben steigen Anspruch und Komplexität dieser Missionen stetig, sodass tatsächlich für jeden etwas dabei sein sollte. Im Modus "Spielwiese" steht dem Spieler schließlich eine ganz andere Herausforderung bevor: Ohne jedwede Beschränkung darf er sich hier als Stadtplaner und Schöpfer austoben und nach Herzenslust prächtige Metropolen erschaffen sowie riesige Paläste erbauen. Außerdem gibt es in "Anno 1701" endlich wieder einen Multiplayermodus. Mit bis zu drei Mitspielern kann die Inselwelt jetzt via LAN oder Internet besiedelt werden.

Nach der Wahl des Spielmodus´ vertreiben ulkige Sprüche im Ladebalken ("Meerwasser salzen, Wogen glätten") die Wartezeit, bis das erste Mal die Wellen rauschen und der Wind in die Segel bläst. Einzig der immer zentral gelegene Außenposten des Freien Händlers ist anfangs schon aufgedeckt; der Rest der Karte wird vom Nebel des Unbekannten noch verhüllt. So startet die Expedition des Spielers von dieser Insel aus - auf der Suche nach einem geeigneten Eiland für die neue Siedlung. Hat man erst ein solches entdeckt, landet man mit seinem Schiff an einem weißen Sandstrand. Dort wird das Kontor errichtet, dieses ist der Dreh- und Angelpunkt der zukünftigen Stadt. Denn das Kontor ist Handelshaus und Hauptlager in einem, außerdem können nur hier Handelsschiffe andocken. Als nächstes wird in seinem Einflussradius das Dorfzentrum errichtet, welches der Mittelpunkt der Siedlung ist. An diesem Ort treffen sich die Bürger, um ihrer Stimmung Ausdruck zu verleihen, Waren zu erwerben und die gelegentlichen Ehrengäste zu bestaunen. Weiterhin spiegelt die große Statue des Spielercharakters, die das Dorfzentrum dominiert, durch ihr Aussehen die Zufriedenheit der Bevölkerung wider: Strahlt die Statue in güldnem Glanze, plätschert im Springbrunnen zu ihren Füßen azurblaues Wasser, dann fühlt sich das Volk im neuen Heim sicher und wohl versorgt.

Welkt die Schönheit des mächtigen Abbildes jedoch, verblasst der Glanz, steht es mit der Laune der Inselbewohner nicht zum Besten. Unruhen und letztlich sogar der offene Aufstand können die Folge sein. Daher ist die Versorgung des Volks oberstes Gebot eines jeden Inselgouverneurs. Denn nur, wenn die Leute zufrieden sind, schwillt das Steuersäckel an - je besser es ihnen geht, desto mehr Abgaben sind sie bereit zu erdulden. Um dieses Wohlwollen zu erreichen, müssen allerlei Bedürfnisse gestillt und Bedingungen erfüllt werden. Entsprechend der sogenannten Zivilisationsstufe variieren diese. So begnügt sich ein hartgesottener Pionier schon mit einer warmen Mahlzeit, etwas Stoff für die kalten Tage und einer kleinen Kapelle zwecks spirituellem Beistand. Ist all das gegeben, entwickelt er sich zum Siedler. Als solcher ist er schon etwas anspruchsvoller.

Die Grundbedürfnisse der Siedler sind zwar durch Nahrung, Stoffe und die Kirche gedeckt, doch damit sie sich wiederum zu Bürgern wandeln, bedarf es noch zweier Luxusgüter: Alkohol und Tabak dienen hier zur Ablenkung vom harten Inselalltag. Aber nicht nur der Körper will sich wohlfühlen, auch der Geist verlangt nach Ertüchtigung. Deshalb ist der Bau einer Schule von Nöten, wenn man die schon recht ansehnlichen Bürgerhäuser zu Gesicht bekommen möchte. Also baut man fleißig weiter Farmen, Betriebe und öffentliche Gebäude. Auf diese Weise prosperiert die kleine Kolonie, sie wächst und entwickelt sich auch optisch prächtig. Ist es erstmal gelungen, mehrere hundert Aristokraten, die anspruchsvollste und empfindlichste Schicht, rundum zu versorgen, winkt am Ende sogar die Unabhängigkeit.

Eine Insel mit zwei Bergen ...

Doch bis zu diesem glücklichen Tag ist es noch ein weiter Weg. Denn schon die Wahl der passenden Insel will wohl bedacht sein: Um die später elementaren Luxusgüter herzustellen, bedarf es nämlich entsprechender Ressourcen. Auch die Baumaterialien wie Holz, Lehm und Erz - das zur Werkzeugherstellung dient - sind nicht überall zu finden. Abhängig von der Klimazone (nordisch, gemäßigt, tropisch), in der sich die Insel befindet, wachsen dort Weizen, Hopfen, Tabak und weitere Rohstoffe. Bis zu drei dieser Agrarprodukte gedeihen auf jedem Eiland. Zusätzlich finden sich noch Bodenschätze, zum Beispiel Gold oder Marmor. Aber auch das Meer ist nutzbar: Neben reichen Fischgründen bieten Wale die Möglichkeit, Tran und Ambra zu gewinnen. Weiterhin sollte natürlich auch beachtet werden, wie viel Platz die zukünftig Heimstatt bietet und ob dieser riesige Berg dort hinten nicht ein schlummernder Vulkan ist...

Nach erfolgreicher Suche folgen Kontor und Stadtzentrum als erstes ein paar Pioniershütten, um überhaupt kontinuierlich Einnahmen in Form der Steuern zu erlangen. Denn solange noch keine Waren verkauft werden können, gibt es keine andere Geldquelle. Und das Startkapital ist im Zuge des intensiven Aufbaus bald gänzlich aufgebraucht. Ohne Fischer, Jäger und Holzfäller gibt es weder Nahrung noch das lebenswichtige Bauholz. Hat der Spieler den Nachschub dieser beiden Waren gesichert, errichtet er weitere Hütten, um die laufenden Kosten zu drücken. Der Unterhalt für die Gebäude zehrt nämlich fortwährend an der Staatskasse. Doch solange eine gewisse Einwohnerzahl nicht überschritten ist, stehen die Schaffarm und der dazugehörige Betrieb, die Weberei, nicht zur Verfügung. Das gleiche gilt für die Kapelle. Die Pioniere sind zwar auch ohne Kapelle und Stoffe zufrieden, zum Aufstieg müssen diese Begehren jedoch erfüllt werden. Denn sie stellen wiederum die Grundbedürfnisse der Siedler dar. Also produziert man fleißig Wolle, um sie in der Weberei zu Stoffen zu verarbeiten. Noch schnell die Kirche errichtet, bevor der Werkzeugvorrat zur Neige geht und schon verkündet die Königin etwas überrascht ihre Freude über den Fortschritt zur nächsten Zivilisationsstufe. Allerdings kann sich ein solcher Wandel nur vollziehen, wenn die Leute euphorisch gestimmt sind und genug Baumaterialien zum Ausbau ihrer Häuser zur Verfügung stehen. Außerdem müssen neben der Erfüllung dieser Bedingungen auch die Steuern auf ein moderates Maß gesetzt werden.

Dies kann der Spieler über die aus dem ersten "Anno"-Teil bekannte Steuerschraube (in Form eines Schiebereglers) tun. Genau wie eigentlich auch alle anderen Einstellungen und Aktionen gestaltet es sich einfach und komfortabel. Mittels der Symbol-Buttons, die um die Minimap angeordnet sind, erreicht der Spieler schnell jedes der übersichtlichen Menüs. So ist das Baumenü durch Register in die verschiedenen Zivilisationsstufen gegliedert. Innerhalb dieser besteht eine klare Unterteilung in öffentliche Gebäude, Produktionsstätten, also zum Beispiel Farmen und Ziegeleien und Spezialgebäude. Diese letzte Kategorie umfasst etwa die Feuerwache oder das Gildenhaus, die aber erst durch Forschung zugänglich gemacht werden müssen. Führt man den Mauszeiger über eine der zur Auswahl stehenden Bauten, erscheint sogleich ein Infofensterchen, das alle wichtigen Fakten des Gebäudes enthält.

Genauso kann man auch erfahren, wie viele Einwohner noch erforderlich sind, um weitere Bauoptionen freizuschalten. Um den besagten Schieberegler für die Steuern zu erreichen, genügt ein Klick auf eins der Wohnhäuser. Durch eine farbliche Einteilung des Reglers erkennt man genau, wie der jeweilige Steuersatz die Stimmung der Schicht beeinflusst. Denn je nach Bevölkerungsschicht öffnet sich ein eigenes Fenster, sodass verschiedene Steuereinstellungen für die Stände möglich sind. Außerdem zeigt die Übersicht, inwieweit die Bedürfnisse der Schicht befriedigt werden. So lassen sich sowohl die Nahrungsversorgung überprüfen als auch die zum Aufstieg benötigten Güter und Gebäude. Was hier so kompliziert klingt, ist nach dem umfangreichen wie auch sehr ausführlichen Tutorial und ein paar Minuten Spielzeit allerdings kinderleicht. Zwar bietet "Anno 1701" ein komplexes und vielschichtiges Wirtschafts- und Versorgungssystem und erfordert Planung und Umsicht. Aber da alles allmählich aufeinander aufbaut und die Siedlung anfangs noch klein und überschaubar ist, finden sich auch Neulinge schnell im Spiel zurecht. Zumal neben den Hilfsfensterchen auch die umfangreiche Annopedia zu praktisch allen Einzelheiten ausführliche Informationen liefert und sinnvoll miteinander verknüpft.

So wächst die Stadt des Spielers schnell, schon bald entstehen die ersten Bürgerhäuser und neue Markthallen müssen erbaut werden. Sie dienen als Lagerhäuser, die mit dem Kontor verbunden sind. Deshalb sind alle Waren, die in das Kontor eingeliefert werden, auch über diese Markthäuser zugänglich. Aber vor allem erweitern diese Bauten den Einflussradius der Stadt. Denn nur innerhalb des Einflussbereichs können Gebäude errichtet und Rohstoffe genutzt werden. Doch damit sich die einfachen Siedler in den Rang der gehobenen Bürger erheben können, benötigen sie ja Alkohol und Tabakwaren. Nur leider ist es selten - natürlich abhängig vom Schwierigkeitsgrad -, dass beides auf ein und derselben Insel gedeiht. Daher heißt es wieder mal "in die Wanten, Männer"; es muss ein weiteres idyllisches Eiland in Besitz genommen werden. Auch Tran sowie Honig und Kakao werden anschließend benötigt, denn daraus entstehen Lampenöl und die köstlichen Pralinen. Bietet jetzt noch ein großes Theater etwas Unterhaltung, entwickeln sich die Bürger auch schon zu wohlhabenden Kaufleuten. Diese bilden die zweithöchste Schicht der Inselgesellschaft; über ihr stehen nur die Aristokraten. Sie benötigen, neben edlem Parfüm und feinem Schmuck, auch noch die seltenen Kolonialwaren, welche vom Spieler allerdings nicht selbst hergestellt werden können.

Feder und Schwert

Darum bietet es sich an, mit dem Freien Händler oder den Computercharakteren ein paar lohnenswerte Geschäfte abzuschließen. Denn vor allem die lebenswichtigen Werkzeuge sind am Anfang Mangelware und müssen des Öfteren käuflich erworben werden, bevor man sie endlich selbst produzieren kann. Auch die spätere Versorgung mit allen Luxusgütern beziehungsweise. Deren Rohstoffen gestaltet sich ohne Handelsbeziehungen sehr aufwendig. Deshalb gibt es jetzt neben den Computer-Gegnern auch noch kleine Außenposten fremder Zivilisationen. Da sind zum Beispiel die Irokesen oder die Inder, die jeweils ein anderes Warenangebot feilbieten und nachfragen. Nach mehreren, ertragreichen Transaktionen verbessert sich natürlich auch die Beziehung zum Handelspartner, was ein größeres Warenangebot und günstigere Preise zur Folge hat.

Allerdings beschränken sich die diplomatischen Optionen auf Handelsverträge und sogenannte Verbrüderungen, also Bündnisse - mehr steht schlicht nicht zur Verfügung. Dafür fallen hier die sehr individuell gestalteten Computercharaktere wieder auf: Mit klangvollen Namen und kleiner Hintergrundgeschichte ausgestattet, haben sie auch ganz eigene Handelsinteressen und Erfolgsstrategien. Wo der massige Fürst Igor Yegorov in seiner Paranoia früher oder später jeden attackiert und für den Handel wenig übrig hat, ist der umgängliche Victor LeRoi als geborener Händler vor allem immer auf der Suche nach Bauholz. So bietet jeder dieser Charaktere eine andere Art von Gegner beziehungsweise. Mitspieler. Denn außer besagtem Fürst Igor ist niemand so aggressiv, dass man nicht auch ohne militärische Gewalt mit ihm auskommen könnte. So ist bei Anno die Feder in der Tat mächtiger als das Schwert.

Abgesehen vom Seehandel gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten, sich der Gunst der Konkurrenz zu versichern: Aufträge des Freien Händlers und die Jagd auf Piraten. Der Freie Händler, der an die Stelle des Venezianers getreten ist, wendet sich nämlich gelegentlich Hilfe suchend an den Spieler. Mal benötigt er umgehend ein Dutzend Tonnen Holz, dann bittet er um Unterstützung beim Bergen von Treibgut oder Wrackteilen. Es gibt eine Unzahl dieser kleinen Nebenjobs, die immer ein Zeitlimit haben, aber dafür auch sehr ordentlich entlohnt werden. Erledigt der Spieler eine dieser Mini-Missionen, wird ihm außerdem etwas Anerkennung durch die Konkurrenz zuteil. Die Piraten, die man als der Gewalt abgeneigter Spieler auch einfach deaktivieren kann, sind da schon eine wesentlich größere Herausforderung. Denn sie streifen von ihrem Geheimversteck aus durch die Meere und plündern alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Es handelt sich bei ihnen um einen rauen, goldgierigen Haufen, der schwer zu beeindrucken und noch schwerer zu besiegen ist. Doch hat man sie erst einmal von der eigenen Tapferkeit überzeugt, stellen sie einen mächtigen Verbündeten dar. Andererseits missfällt solch ein Bündnis den anderen Parteien natürlich sehr, wohingegen ein Sieg über die Korsaren den eigenen Ruf allerorts kräftig anhebt.

Neben der Kriegsführung, die bei "Anno 1701" eher im Mid- oder Endgame eine Rolle spielt und organisatorisch und finanziell sehr aufwendig ist, bietet sich nunmehr noch ein anderer Weg, der Konkurrenz Steine in den (Entwicklungs-)Weg zu legen: die sogenannten Logenaktivitäten. Ist erst ein Logenhaus errichtet worden, kann prompt mit gezielter Spionage begonnen werden. Alle weiteren Untergrundaktionen, wie zum Beispiel Diebstahl oder Aufwiegelung, müssen erst mühsam und kostenintensiv erforscht werden. Dann sind sie allerdings auch recht effektiv und hemmen den betroffenen Spieler merklich. Vor allem im Multiplayerspiel entfalten solche Sabotage- und Spionageunternehmen ihre volle Wirkung und sind dort selbstverständlich auch am unterhaltsamsten. Allerdings birgt ein solcher Akt auch immer die Gefahr zu misslingen, was gravierende Folgen für den eigenen Ruf hat.

Welch lieblicher Anblick erfreut mein Auge ...

Apropos unterhaltsam: Es macht auch ohne Krieg und Intrigen einen Heidenspaß, seinem Volk beim Umherwuseln zu zuschauen. Denn die Grafik von "Anno 1701" ist durch die aufwendige RD3D-Engine wirklich atemberaubend. Auf höchsten Einstellungen strahlt und glänzt es dank Shader 3.0 an jeder Ecke, die Texturen sind sauber und fein gestaltet. Über die frei dreh- und zoombare Kamera kann der Spieler mitten in die kleine Inselwelt hineintauchen und seine Untertanen beim Leben und Arbeiten beobachten. Die Unmenge an Details begeistert sofort: Viele verschiedene Wildtiere, wie zum Beispiel Elefanten, Gorillas und Seevögel, bevölkern Meer und Land. Und besonders die liebevollen Animationen ziehen einen schnell in ihren Bann, sodass der Spieler fast vergisst, sich um sein Städtchen zu kümmern. Denn egal, ob der Fischer seinen Fang einholt oder irgendwo ein Wirbelsturm tobt und Menschen, Tiere und sogar Gebäude umherschleudert, optisch ist alles sehr gut gelungen. Da lacht der Knuddelfaktor.

Der Sound unterstützt die dichte Atmosphäre des Spiels ganz vortrefflich. Denn die aufwendige 5.1-Orchestermusik untermalt sowohl das Meer-und-Insel-Idyll als auch die beeindruckenden Naturkatastrophen und die spannenden Schlachten sehr passend. Genauso gelungen sind die Aussprüche der Computercharaktere, der fremden Völker und der Einwohner: Jederzeit spiegelt sich in ihnen die jeweilige Stimmung wider. Im Tutorial und den Szenarien werden zudem viele Texte sehr stimmungsvoll vorgelesen. Auch die Soundeffekte fügen sich nahtlos in diese wunderschöne akustische Kulisse ein. Über die intelligente und unkomplizierte Steuerung wurde weiter oben schon berichtet, lediglich die Hardwareanforderungen trüben das (grafische) Spielvergnügen etwas. Denn besonders die detailreich dargestellten Naturkatastrophen und die spektakulären Lichteffekte verschlingen sehr viel an Performance. So kann bei einer größeren Karte und hoher Auflösung plus allen Effekten auch ein guter PC gelegentlich in die Knie gehen. Dafür sieht "Anno" selbst bei niedrigen Einstellungen noch sehr anständig aus und läuft bei Erfüllung der Mindestvoraussetzungen durchweg flüssig. Denn es wurde besonders Wert darauf gelegt, auch auf langsameren Systemen noch ein ansehnliches Erlebnis zu ermöglichen. Die Ladezeiten gestalten sich ebenfalls moderat, wobei mehr als die verlangten 512 MB Hauptspeicher zu empfehlen sind, wenn es wirklich in Windeseile vonstatten gehen soll.

Das beste "Anno" aller Zeiten?

Related Designs hat ein schwieriges Erbe übernommen und ist mit dem Anspruch angetreten, das beste "Anno" aller Zeiten zu schaffen. Es wurde also versucht, die guten Elemente der beiden Vorgängerteile beizubehalten, beziehungsweise wieder einzuarbeiten. Gleichzeitig sollten alle zu umständlichen und weniger gelungenen Aspekte herausgelassen werden. Daher blieb das Grundprinzip der "Anno"-Serie natürlich erhalten, auch die meisten anderen Modalitäten im Spiel sind nichts Neues. Doch es war ja das erklärte Ziel der Entwickler, ein "Anno" zu bieten, das ausgesprochen einsteigerfreundlich ist und eine möglichst breite Masse anspricht. Selbiges ist zwar der Steuerung und der Zugänglichkeit von "Anno 1701" sehr zugutegekommen, aber leider haben in gleichem Maß Umfang und Vielfalt gelitten. Die Anzahl der fremden Kulturen wurde fast halbiert, ebenso die Waren- und Rohstoffauswahl. Auch das Erkunden neuer Inseln per Scout wurde ersatzlos gestrichen, ein Vergleich der minimalen diplomatischen Möglichkeiten gegenüber dem Vorgänger wird hier gar nicht erst gezogen. Warum die Kampagne, welche ja eigentlich nichts anderes als eine Folge aufeinander aufbauender Szenarien ist, weggelassen wurde, geht ebenfalls über den Horizont eines einfachen Seemannes hinaus.

Doch "Anno 1701" bietet auch jede Menge positive Neuerungen: Abgesehen von der exzellenten Grafik und Musik wird das Spiel durch die neuen Ereignisse und Miniaufträge abwechslungsreicher. Ob es nun einer Bitte des Freien Händlers nachzukommen gilt oder ein Vulkan glühende Lavaströme Richtung Dorfzentrum schickt - die Welt ist dynamischer und aktiver. Die Ehrengäste lockern das Ganze weiter auf, zumal sie eines der wenigen neuen Elemente sind, die wirklich unmittelbar Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen. Hier sei auch nochmals auf den aus "Anno 1503" zurückgekehrten alten Bekannten, die Steuer, hingewiesen. Die Ehrengäste besuchen die Siedlungen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen und gehen dort eine Weile ihrem Geschäft nach.

So liefert der Schmied kostenlos Werkzeuge, der Gauklerzug hebt die Stimmung der Einwohner und der Gelehrte beschleunigt die Forschung. Neben der Tatsache, dass dies immer nett anzuschauen ist, lässt sich aus solch einem Gast einiges an Kapital schlagen - wenn der Spieler aufmerksam ist und angemessen reagiert. Die vielen Kleinigkeiten, die hier und da integriert wurden, erhöhen den Spielkomfort und die generelle Spielbarkeit, wenn auch nur am Rande. So ist es nett, dass jetzt Farmen selbstständig ihre Felder anlegen, beziehungsweise ein Optimieren-Knopf dies immer wieder erledigt. Auch die Prioritäts-Option bei Betrieben weiß zu gefallen: Aktiviert man sie, eilt flott der nächste Marktkarren heran, um die Waren abzuholen. Lediglich die immer noch nicht vorhandene Gebäudeliste im Handbuch passt nicht so ganz ins Bild des einsteigerfreundlichsten, zugänglichsten und schönsten "Annos" aller Zeiten - an dieser Stelle muss übrigens die Verpackungs- und Handbuchgestaltung trotzdem sehr lobend erwähnt werden. Die Liebe zum Detail merkt man den Machern von "Anno 1701" bereits hier deutlich an, zumal die Anleitung auch sehr ausführlich und klar strukturiert ist.

Bilanz

Insgesamt betrachtet bietet das Spiel eine gelungene Mischung altbewährter Machart. Der Mix aus Entdecken, Aufbauen und Verwalten hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Vor allem drei Faktoren sorgen für ein hohes Maß an Spielspaß bei "Anno 1701": Als erstes ist da natürlich das Grundprinzip der Spielreihe. Nur wer seine Siedlung umsichtig weiterentwickelt und vorausschauend handelt, sichert die Zufriedenheit und eine reibungslose Entwicklung. Das Wirtschaftssystem wurde zwar stark verjüngt, nichtsdestotrotz ist es weiterhin komplex und vielschichtig; jede Aktion des Spielers erzeugt eine Reaktion in der Spielwelt. Einzig die verminderte finanzielle Herausforderung macht das neue "Anno" für erfahrene Entdecker doch etwas einfach. Als nächstes verzaubert die gesamte Atmosphäre, denn die Grafik und der Sound sind wirklich grandios. Manchmal glaubt man beinahe, die salzige Meeresluft schnuppern zu können.

Auch die "Anno"-typische Detailverliebtheit findet sich überall wieder, egal, ob Animationen oder Missionsdesign. Und durch den hohen Aufwand der Entwickler ist das Spiel nicht nur auf fast allen Systemen sehr ansprechend, sondern auch für fast alle Spieler. Womit auch schon der dritte Aspekt erwähnt wäre: Die Einstiegsfreundlichkeit und gute Spielbarkeit sind, in Anbetracht der Komplexität des Spiels, erstaunlich. Der weitere Verzicht auf zwangsläufige Konflikte erhöht die Attraktivität für eine breitere Käuferschicht zusätzlich. Bei diesen Punkten haben Related Designs wirklich ganze Arbeit geleistet, auch wenn einiges auf Kosten der "Anno"-Veteranen gehen dürfte. Denn der allgemeine Schwierigkeitsgrad ist recht niedrig gehalten und von den beschnittenen Möglichkeiten und Produktionsketten wurde schon berichtet. Dafür bringt "Anno 1701" mehr Einstellungsmöglichkeiten und mit Naturkatastrophen, Händleraufträgen und Ehrengästen ein paar neue, abwechslungsreiche Elemente. Auch die Wiederbelebung der Steuerschraube und des Multiplayermodus´ sind gute Entscheidungen gewesen. So kann man dem dritten Teil der "Anno"-Serie definitiv eine gelungene Übernahme des Zepters bescheinigen, denn dank hohem Wiederspielwert winkt Spielspaß über viele Seemeilen hinweg.

(22.11.2006)

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