Gothic 3 - The Beginning (Handygame)

Gothic 3 - The Beginning (Handygame)

(JoWooD)

geschrieben von Nico Meißner

 

"Gothic 3" - dieser Titel dürfte nahezu jedem Spieleinteressierten ein Begriff sein. Denn der dritte Teil des erfolgreichsten deutschen Rollenspiels konnte aufgrund der vielen Fehler und der eintönigen Quests zunächst den riesigen Erwartungen der Fans nicht gerecht werden - wurde dann aber trotzdem mehrfach ausgezeichnet. Schließlich führten die Probleme nach Erscheinen des Spiels dazu, dass sich Publisher und Rechteinhaber JoWooD vom Entwickler Piranha Bytes trennte. Nun bringt JoWooD mit "Gothic 3 - The Beginning" die erste Handyversion von "Gothic" heraus. Ob diese auch wieder die Gemüter erregen wird, oder einfach nur eine weiteres "Handygame" ist, habe ich im Auftrag des DLH.net für euch erkundet ...

Magier, Monster und Mobiltelefone

Wie so oft beginnt das Spiel mit einem Auftrag: Der Spieler schlüpft in die Rolle des jungen Xardas, des mächtigen Schwarzmagiers aus der PC-Reihe, um den Bitten eines Geistes nachzukommen. Das klingt irgendwie etwas komisch? Ist es auch, denn der Spieler wird praktisch ohne Einleitung ins Geschehen geworfen. Angesiedelt ist es wohl wieder auf der Insel Khorinis mit der gleichnamigen Hauptstadt, so wie damals in "Gothic 2". Allerdings spielt das Ganze mehr als 100 Jahre vor den Ereignissen der PC-Serie. Der Charakter erwacht in seiner kargen Hütte und wird sofort vom Geist "Buthomar" um Hilfe gebeten. Mehr Informationen erhält der Spieler leider nicht, lediglich die Anweisung des Geistes, "zum Tempel im Süden zu gehen". Erst später erfährt man, dass es darum geht, im Auftrag des Gottes Innos der Magie wieder Zugang zur Welt zu verschaffen.

Ein kurzer Blick in die gut aufgebaute, integrierte Hilfe zeigt immerhin eine vernünftige Steuerung: Der Held wird mit dem Stick oder den Nummerntasten "2", "4", "8", "6" senk- und waagerecht gelenkt. Für diagonale Bewegungen stehen die Tasten "1", "3", "7" und "9" zur Verfügung, die "5" deckt fast alle weiteren Aktivitäten wie Angriffe und Interaktionen jeder Art (Schlösser knacken, Tür öffnen, Durchsuchen) ab. Weiterhin wird die recht komfortable Navigation in den Menüs, also zum Beispiel beim Handeln, erklärt. Darüber hinaus bietet die Hilfe noch ein paar grundlegende Hinweise zum Spiel wie beispielsweise die Aufschlüsselung der einzelnen Fähigkeiten - aber dazu später mehr.

Leise rieselt der Schnee ...

So simpel, wie sich die Steuerung und die Story präsentieren, ist auch die Optik von "The Beginning". Innenansichten von Orten und Gebäuden erinnern sehr stark an alte Teile der "Final Fantasy"-Reihe wie zum Beispiel "Mystic Quest" auf dem Gameboy. Zwar wurde versucht, über ein paar Details den Kulissen etwas mehr Leben einzuhauchen, doch allein das kleine Display des Mobiltelefones setzt derartigen Bemühungen enge Grenzen. Dadurch gehen viele Kleinigkeiten im Pixelwust unter. Wirklich nervig ist für den Spieler aber die Überlandkarte, die das gesamte Umland von Khorinis darstellt. Auf dieser reist der Charakter - symbolisiert durch ein kegelförmiges Männchen - von Ort zu Ort. Wenn er die kaum bis gar nicht markierten Lokalitäten denn überhaupt findet ... Es ist nämlich Winter in Myrtana, der Welt, in der die "Gothic"-Saga spielt. Entsprechend weiß präsentiert sich die Karte. In dieser Schneelandschaft verstecken sich Höhlen, Ruinen, Bauernhöfe und andere Schauplätze, die der Spieler oft nur durch Zufall ausfindig machen kann. Deshalb kommt er nicht um das gute alte "Abgrasen" der Welt herum (Pixel für Pixel, "Maniac Mansion" lässt grüßen).

Während der Reisen ereignen sich regelmäßig Zufallsbegegnungen. Ein Pop-Up fragt dann, ob man zum Beispiel einer Gruppe Orks in die Arme laufen möchte. Entscheidet sich der Spieler für die Konfrontation, lädt das Spiel kurz (wie übrigens bei jedem Schauplatzwechsel), und man findet sich in einem kleinen "Kampfgebiet" wieder. Dafür wird ein zufälliges Szenario erstellt wie beispielsweise ein provisorisches Räuberlager, über das der Charakter gerade gestolpert ist. Oft findet man aber lediglich ein paar Wildtiere in karger Tundra. Doch wer jetzt glaubt, nach dem Erlegen der Wölfe und Blutfliegen sei das Ganze abgehandelt, der irrt gewaltig: Unter jedem Schneehaufen, hinter jedem Busch und in allen Astlöchern kann sich ein Schatz verbergen! Deshalb gilt auch außerhalb der Überlandkarte das Prinzip des "Abgrasens", da die so gefundenen Schätze fast immer den Wert der restlichen Beute weit übersteigen. Gut, es mag etwas unsinnig scheinen, dass jede zehnte Schneewehe eine zufällig verlorene Kettenrüstung versteckt, aber egal ... Immerhin orientieren sich die Schätze und Gegner grob an der Stufe des Helden, sodass zumindest in dieser Beziehung kaum Unstimmigkeiten auftreten.

Mit Mantel, Schwert und Zauberstab

Apropos Stufe: Die Rollenspielelemente der PC-Vorbilder wurden nahezu eins zu eins übernommen. Neben der sogenannten Stufe, die den Entwicklungsstand der Figur angibt, finden sich die Attribute "Stärke", "Geschicklichkeit", "Gesundheit" und "Mana". Diese vier haben Einfluss auf fast alle anderen Werte des Charakters und werden im Verlauf des Spiels mithilfe sogenannter Lernpunkte erhöht. Daneben gibt es zum Beispiel noch die Fertigkeiten wie "einhändiger Kampf" oder "Schlösser knacken". Das Erhöhen, auch Steigern genannt, bedarf neben den Lernpunkten, die bei jedem Stufenanstieg abfallen, auch einiger Goldmünzen und natürlich eines Lehrers. Stufenaufstiege erfolgen in immer länger werden Abständen, weil die Figur dafür eine steigende Anzahl von Erfahrungspunkten benötigt. Diese Punkte werden als Belohnung für das Lösen von Aufgaben, den Quests, gewährt oder wenn man einen Gegner bezwingen kann.

Als weiterer Anreiz wartet eine Fülle von Nah- und Fernkampfwaffen auf den Spieler, dazu Rüstungen in allen Abstufungen und diverse Tränke, Kräuter, Amulette und Zaubersprüche. Die kampfbezogenen Gegenstände verlangen meistens nach einem Mindestwert in einem Attribut, damit die Figur sie einsetzen kann. So jagt der Spieler wieder von einer Stufe zur folgenden, immer auf der Suche nach dem nächsten, besseren Objekt. Der Handel ist auch der Hauptgrund, um mit den Nichtspielercharakteren zu interagieren, da Aufträge rar gesät sind und die meisten NPCs nur atmosphärische Einsätzer à la "Hi, ein schöner Tag heute, was!" von sich geben. In diesem Zusammenhang fällt auch immer wieder die moderne Sprache auf, die mit ihren Formulierungen und Begriffen wie "hi" nicht gerade mittelalterlich anmutet und damit einen weiten Faktor in Sachen "Atmosphäre" abschreibt.

Auf die Ohren

Wahrhaft urzeitlich und leider ebenfalls nicht wirklich stimmungsfördernd wirken die Soundeffekte von "The Beginning": Ganze zwei unterschiedliche Samples "untermalen" einen Standardkampf ("risssch" und "arrrh"). Gut, vielleicht ist die Musik ja dafür umso besser? Ist sie, ist sie. Nur muss sich der Spieler zwischen Soundeffekten und Hintergrundmusik entscheiden, beides gleichzeitig geht leider nicht. Das ist ärgerlich, weil die Musik zwar halbwegs abwechslungsreich ist und wenigstens für einen Hauch von Atmosphäre sorgt, doch irgendwann trotzdem auf die Nerven geht. Wer jetzt glaubt, wenn man den Schurken mal einen schönen Satz heiße Ohren verpasst, sollte ja wenigstens etwas geboten werden, irrt bedauerlicherweise abermals: Der Spieler steuert den Charakter in unmittelbare Nähe des Gegners, anschließend hält er so lange die "5" gedrückt, bis die Lebensenergie von einem der beiden zur Neige geht. Ab und zu spritzt noch ein wenig Pixel-Blut in den Schnee. Okay, übers Inventar kann man noch zwischendurch einen Heiltrank einwerfen oder Ähnliches, aber das war es dann auch schon wieder ...

Nicht überall, wo "Gothic" draufsteht ... - Fazit

Was hat das Handy-Spiel "Gothic 3 - The Beginning" mit seinem Namensvetter vom PC gemein? Das Wörtchen "Gothic", den Publisher und ein paar Eigennamen und Begriffe. Allerdings war andererseits auch nicht viel mehr zu erwarten, oder? Für ein "Rollenspiel" auf dem Handy präsentiert sich "The Beginning" noch recht ansehnlich, auch die Musik ist soweit gelungen, selbst wenn sie bald zu langweilen beginnt. Das größte Manko des Spiels sind wohl wieder die einfallslosen Quests und die monotonen Kämpfe. Denn insgesamt passiert zu wenig, es wird kaum auflockernde Abwechslung geboten und auch die Spielwelt wirkt blass und leer. Nur selten gibt es Momente, in denen die Detailverliebtheit und -dichte des Vorbildes kurz aufblitzen. Jeder, der sich an solchen "Kleinigkeiten", die jedes PC-Rollenspiel verderben würden, nicht stört, findet sicher einige Stunden Spielspaß, eine passable Grafik und einiges zu entdecken. Alle anderen sollten vielleicht lieber wieder ihren Gameboy hervorkramen oder etwas draufzahlen und sich dafür einen anständigen Fantasyroman zulegen ...

(0.03.2008)

Entwickler: Handygames
Publisher: JoWooD
Genre: Rollenspiel
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Gothic 3: The Beginning
Preis: 5€
Altersfreigabe: Nicht geprüft

Fazit

Nicht überall, wo "Gothic" draufsteht ... -


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