Torchlight 2

Torchlight 2

(Daedelic Entertainment)

geschrieben von Christian Schmitz

 

     
 

Der ultimative Computermaus-Dauerklick-Stresstest ist endlich als deutsche Ladenversion erhältlich: „Torchlight 2“ fackelt nicht lange und lässt Hack&Slay-Anhänger dank altehrwürdigen Tugenden erstrahlen. Als brachialer Berserker mit tierischer Begleitung glühten im Test nach dem umfangreichen Abenteuer nicht nur alle Tasten, sondern mehr noch die Augen vor stundenlanger Spielfreude. Hiervon wird in diesem Review berichtet.

Story und Quests wenig erhellend

Dabei legt "Torchlight 2" völlig entgegen aktueller Trends deutlich mehr Wert auf Spielmechanik als auf Handlung sowie Präsentation. Kurze, spärlich animierte Comic-Sequenzen, die man locker an einer Hand abzählen kann, halten so unter gütiger Mithilfe der Missionsdialoge mindestens 20 Stunden lang das schwachbrüstige Story-Konstrukt zusammen. Die Ausgangsposition birgt insbesondere Kennern des Vorgängers aus dem Jahr 2009 brisantes Konfliktpotenzial: Der damals noch spielbare Alchemist scheint vom Bösen besessen und tötet nicht nur die beiden anderen Spielfiguren, sondern hinterlässt rund um die einst beschauliche Landschaft der Stadt "Torchlight" nur noch Angst, Schrecken, furchtbare Zerstörung und jede erdenkliche Art von grausamen Gegnern. Für vier neue Helden liefert dieser fiese Spuk einen guten Grund, ihn in geregelte Bahnen zu lenken. Deren Lebensläufe lassen leider wenige Rückschlüsse auf ihr bisheriges Dasein zu. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass alle Spielfiguren über die Gesamtspielzeit ziemlich blass und austauschbar bleiben, zumal sie auch noch komplett stumm ihr schicksalhaftes Abenteuer über sich ergehen lassen – kein Vergleich also zu kernigen Helden, wie sie beispielsweise in "Sacred" oder "Diablo 2" ihre Taten vollbringen. Lediglich eine Handvoll Auftraggeber geben hier und da etwas über das Geschehen preis, insgesamt wirken Geschichte inklusive Aufträge aber alles andere als einfallsreich. Letztere entpuppen sich überdeutlich als einfallsloses Mittel zum Zweck und gehen trotz ihrer Vielzahl viel zu selten über simple Bring- und Tötungsmissionen hinaus. Das Wegklicken langweiliger Dialoge gehört später zwangsläufig schon zum routinemäßigen Ablauf, erzählerische Höhepunkte, überraschende Wendungen oder gar denkwürdige Nichtspielercharaktere sucht man ohnehin vergeblich.

Klick dich hoch

Als spielbare Charaktere stehen Glutsteinmagier, Ingenieur, Vagant sowie Berserker inklusive tierischem Begleiter. Für den ersten Durchlauf auf normaler Schwierigkeitsstufe hält nach unserer Wahl letztere Konstellation her, genauer gesagt handelt es sich dabei um einen männlichen Waffenmeister mit einer Vorliebe für kräftige Zweihandprügel und seiner sabbernden Bulldogge, die etwaige Vorurteile eines unnützen Packesels ziemlich schnell widerlegt. Vielmehr kämpft das treue Vieh tapfer an unserer Seite, kauft und verkauft je nach Bedarf jederzeit in der nächstgelegenen Siedlung Gegenstände zu einem guten Preis und wird durch den Verzehr von geangeltem Fisch noch stärker. Nach der Namensgebung stehen lediglich eine Handvoll vorgefertigter Gesichter, Frisuren und Haarfarben zur Verfügung. Ergo wird sich wohl kein Spieler wirklich lange mit diesem enttäuschenden Fenster beschäftigen.

Spielerisch fackelt "Torchlight 2" nicht lange, stattdessen erweist sich der flotte Spielablauf als ultimativer Stresstest für Computermäuse. Gegen allerlei Widersacher der Gattungen Wüstenspringmäuse, Pilze, Insekten, Gürteltiere, Hyänen und Spinnen, aber auch mechanische Feinde oder Hexen, Skelette, Zombies und Werwölfe hilft einzig und allein Dauerklicken. Stellenweise wird der Eindruck erweckt, dass irgendwo ein Nest sein muss, nur um einige Schritte später diese Vermutung als Tatsache zu erkennen. Um die unzähligen Gegenstände aufzuheben, sollten zudem Umschalt- und Alt-Taste mit Klebestreifen befestigt werden. Laut abrufbarer Statistik mussten am Ende beinahe 13.000 Monster den goldenen Löffel oder gar wertvollere Objekte abgeben, die dann erst einmal im viel zu kleinen, per Knopfdruck automatisch sortierbaren Inventar eingesackt werden. Jenes unterteilt sich in drei Sparten: als erstes in jene für solches Equipment, Waffen, Kleidungsstücke, Rüstungen oder Schilde zusammengefasst sei. An zweiter Stelle stehen Tränke und Schriftrollen, schlussendlich noch Magie. Selbst wenn wir den zusätzlichen Platz des tierischen Begleiters dazurechnen, bleibt nur ständiges Verkaufen beim Händler oder Ablegen in einer Lagerkiste übrig.

Was sich nun etwas negativ liest, offenbart die größte Stärke von "Torchlight 2". Regelmäßig winken neue, motivierende Belohnungen in Form von durchschlagskräftigeren Waffen, schützenden Rüstungsteilen, Tränken für Lebensenergie und Mana usw. Durch Verzauberungen gewinnen diese wiederum an Eigenschaften hinzu, so dass dank dem ausgeklügelten Fähigkeitensystem und dem stetigen Gewinn an Erfahrungs- und Ruhmpunkten der spielbare Charakter und sein Begleiter erstarken. Attributpunkte werden dementsprechend auf Stärke, Geschick, Magie sowie Rüstung aufgeteilt und durch ausgerüstete Gegenstände noch weiter aufgewertet. Dabei zeigen übersichtliche, unaufdringliche Anzeigen, wie es gerade um Lebenssaft und Magie oder den aktuellen Erfahrungsfortschritt steht. Segnet der Held doch einmal das Zeitliche, gibt es drei Wiederbelebungsmöglichkeiten: Zurück zum Stadteingang kostet überhaupt nichts, an Ort und Stelle des Ablebens etwas mehr und zum Gebietsbeginn etwas weniger Gold.

Neider dürften auch auf die gelungene Spielwelt von "Torchlight 2" blicken. Riesige Areale laden zum Erkunden ein und das wird oft mit geheimen Räumen, Portalen, hartnäckigen Zwischenbossen und besonderen Items belohnt. Abseits hunderter Aufträge lohnt sich das Verlassen des vorgegebenen Pfades eigentlich immer. Die abwechslungsreich gestaltete Oberwelt nimmt etwa die Hälfte der Fläche ein, der Rest spielt sich in verwinkelten Höhlen ab. Verlaufen kann sich der Spieler nicht, denn ein optional eingeblendeter Kartenausschnitt zeigt aktuelle Ziele hilfreich an. Die große Weltkarte wird trotzdem vermisst, insbesondere wenn unsichtbare Barrieren wie aus heiterem Himmel und völlig unverhofft die Spielwelt begrenzen.

Dafür entschädigen immer wieder spielerische Glanzpunkte wie der auf fünf Ebenen aufgebaute Turm des Drachen Vyrax, der einen besonders knackigen und epischen Kampf liefert. Die Steuerung funktioniert auch ohne lange Einarbeitung tadellos und erklärt sich quasi von allein. Verbesserungspotenzial ist aber auch hier gegeben: Eine noch weitere Zoomstufe für etwas mehr Überblick inklusive drehbarer Kamera sollten beim nächsten Teil machbar sein. Gerade letzterem Umstand ist es geschuldet, dass Freund und Feind in kleineren und verwinkelten Korridoren unschön nur als blaue bzw. rote Schemen durch verdeckende Wände hindurchschimmern. Den Entwicklern schien das Problem also durchaus bewusst zu sein, die Lösung indes ist jedenfalls eher suboptimal ausgefallen. Während der ersten beiden Schwierigkeitsstufen schaut Gevatter Tod relativ selten vorbei, daher richten sie sich jene ohne großartige Frustgefahr an Neueinsteiger sowie Anfänger. Im Hardcore-Modus dagegen bedeutet das erste Zusammentreffen mit dem Sensenmann gleichzeitig den letzten Tod, so dass das Spiel neu gestartet werden muss. Egal, für welchen Schwierigkeitsgrad man sich entscheidet: Es kann nicht mehr als ein einziger Speicherstand angelegt werden.

Von allem sehr viel mehr

Trotz seines günstigen Verkaufspreises zum Veröffentlichungszeitpunkt ist "Torchlight 2" weitaus umfangreicher als sein Vorgänger ausgefallen und muss sich vor hochkarätigen Konkurrenztiteln nicht verstecken. Ganz im Gegenteil, wie nicht nur meine gefühlten Eindrücke, sondern vielmehr nachvollziehbaren Fakten belegen sollen. Während sich der Vorgänger-Schauplatz noch wie ein einziger überschaubarer Dungeon anfühlte, bietet "Torchlight 2" mit seiner riesigen Oberwelt und seinen verwinkelten Höhlen deutlich abwechslungsreichere Schauplätze. Dazu gehören beispielsweise Wüste, Schiffsfriedhöfe, Sümpfe und Wälder. Von Entwicklerseite war bereits im Vorfeld der Veröffentlichung von fünfmal so vielen Gebieten mit der vierfachen Anzahl an Monstervarianten zu lesen. 27 anstatt 9 Bossgegner sind ganz beiläufig fast schon logische Konsequenz. Ähnlich eindrucksvolle Steigerungen konnten auch in den Punkten Kleidungsstücke, Waffen, Fähigkeiten und Items erzielt werden. Entwickler "Runic Games" hat sich jedenfalls nicht auf den Lorbeeren des Überraschungshits ausgeruht, sondern ein sehr umfangreiches Hack&Slay-Rollenspiel mit enormem Wiederspielwert geschaffen, welches durch den Spielmodus „New Game Plus“ noch verlängert werden kann. An dieser Stelle nehmen erfolgreiche Spieler nämlich ihre kompletten Fortschritte inklusive Ausrüstungen mit, um das Abenteuer gegen angepasste Gegnerhorden erneut anzugehen.

Updates, Mehrspielermodus und Modifikationen

Die größte und wichtigste Neuerung in "Torchlight 2" ist der nunmehr spielbare Mehrspielermodus. Trotz gewisser Übersichtlichkeitsprobleme – den grafischen Effektorgien geschuldet – gehören kooperative Online- sowie Netzwerkpartien per LAN für bis zu sechs Spieler gleichzeitig nun auch zum „Torchlight“-Universum. Der Wechsel zwischen Einzelspieler- und Mehrspielerscharmützeln gestaltet sich fließend, jederzeit kann zwischen den Modi geschaltet werden. Als nicht ganz unwichtig erweist sich: Im Multiplayer-Modus behält jeder Beteiligte seine eigene Beute, nervige Diebe schauen demnach völlig zu Recht in die Röhre. Ohnehin hat Entwickler "Runic Games" Kritik an aktuellen Genre-Konkurrenten gut analysiert und kundenfreundlich umgesetzt. Einmalige Aktivierung per Internet, unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis, keine permanente Online-Verpflichtung und ein fehlendes Echtgeld-Auktionshaus gehören unbestritten zu den starken Kaufargumenten des Titels. Die deutsche Ladenversion verzichtet sogar auf Steam-Anbindung und den gefürchteten DRM-Kopierschutz. Neben bereits erschienenen Verbesserungen, welche sich automatisch durch das Startprogramm installieren, soll in absehbarer Zeit nach der Veröffentlichung ein kostenloser Editor bereitgestellt werden. Was man mit einem solchen Tool alles erschaffen und verändern kann, dürfte wohl auf bzw. in der Hand der fleißigen Anhängerschaft liegen: neue Klassen, Spielfiguren, Gebiete, Aufträge, usw. Doch schon jetzt sind sinnvolle Modifikationen verfügbar, dazu zählt u. a. die „Camera“-Mod mit frei drehbaren Kameraperspektiven.

Buntes Treiben

Mit Ausnahme des düsteren Schlussaktes zeichnet sich ein buntes, comichaftes und effektvolles Spektakel mit jederzeit sichtbarer Detailverliebtheit auf dem Bildschirm ab, obwohl stellenweise Levelstrukturen wegen Wiederholungen mit lediglich ausgetauschten Texturen etwas einfallslos wirken. Der Gesamteindruck bleibt trotz niedriger Texturauflösung sehr stimmig, dank Raffinessen, wie fließendem Tag-Nachtwechsel, dynamischem Wetter, herrlichen Kampfeffekten und gelungenem Licht- sowie Schattenspiel, werden solche technischen Defizite geschickt kaschiert. Optische Höhepunkte überwiegen deutlich, Architektur und Gegnerdesign strotzen nur so mit augenscheinlichen Leckerbissen. Ein gutes Beispiel repräsentiert die staubige Wüstenlandschaft: Dort ziehen gierige Geier ihre Kreise, wunderschön vermittelt durch Schattierungen auf dem sandigen Geläuf. Üble Clipping-Fehler an Gegnern oder Objekten gehören jedoch auch hier zum traurigen Alltag und stören den optischen Eindruck bei gelungenen Animationenphasen einfacher Aktionen wie Kisten öffnen sowie Kämpfen mit vielen Gegnern gleichzeitig etwas zu oft.

Denglisch für Reingefallene

Aufgrund der deutschen Übersetzung erscheint die Handelsversion einige Wochen nach der englischsprachigen Download-Variante. Auf dem Datenträger befinden sich beide Sprachfassungen, bedauerlicherweise nicht fehlerfrei. Dass bei genauerer Betrachtung einzig Zwischensequenzen nebst Hauptmissions-Dialogen komplett vertont wurden, ist noch einigermaßen verkraftbar, denn die Textmengen halten sich in Grenzen. Mit fortschreitender Spieldauer vermischen sich aber immer wieder englische mit deutschen Texten, was hoffentlich noch per Update verbessert wird. Etwas motivierter hätten die deutschen Sprecher dennoch zu Werke gehen können, allzu lasch werden die ohnehin schon langweiligen Passagen vorgetragen. Diese Mängel stehen im Kontrast zur Gesamtakustik, sei es nun Goldklimpern, Aufheben und Anlegen von Equipment oder den passenden Kampfgeräuschen. Unterstrichen werden die Szenerien von den niemals aufdringlichen Musikkompositionen eines alten Bekannten: Matt Uelmens Soundtrack ist eine konsequente Weiterentwicklung seiner Beiträge zu "Diablo" und "Diablo 2" sowie "Torchlight". Der kostenlose Download des Soundtracks ist daher mehr als empfehlenswert.

Die schlechte Nachricht vorweg: "Torchlight 2" ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger kein Überraschungshit mehr. Nun die gute: Das Entwicklerstudio schafft es mit sinnvollen Verbesserungen und einer schieren Umfangsexplosion völlig verdient an die Hack&Slay-Genre-Spitze, wo diese schlagkräftige Perle dank ungeheurer Langzeitmotivation auch noch einige Zeit verweilen wird. Zum absoluten Triumph fehlen abseits erschreckender Einfallslosigkeiten bei Story und Quests eigentlich nur noch Kleinigkeiten sowie die Klärung von Geschmacksfragen bezüglich der grafischen Darstellung. Sollte dies gelingen, ist auch auf meiner Festplatte kein Platz mehr für Blizzards Teufelswerk. In Sachen Spielerfreundlichkeit hat "Torchlight 2" zweifelsfrei jetzt schon die Nase weit vorne.

(30.11.12)

 

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