Red Orchestra – Gold Edition

Red Orchestra – Gold Edition

(Frogster Interactive)

geschrieben von Jan-Tobias Kitzel

 

 
Entwickler: Tripwire
Publisher: Frogster Interactive Pictures
Genre: Multiplayer-Shooter (Realism)
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Red Orchestra
Preis: 19,99 € (Enhanced Edition); 29,99 € (Gold Edition)
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

Hedgehog, Arad, Basovka, Bondarevo. Ausländische Automarken? Nein, Schauplätze des WW2-Multiplayershooters "Red Orchestra", der von seinem Publisher Frogster angepriesen wird als "Realismus pur". Realismus und Zweiter Weltkrieg? Kann das im Spielspaßsinne gut gehen? Den Verkaufszahlen nach zu urteilen auf jeden Fall, denn "Red Orchestra" wurde dermaßen gut über Valves Distributionsplattform Steam abgesetzt, dass nun eine "Enhanced" und eine "Gold Edition" im Handel erhältlich sind. Im Unterschied zu den bisherigen Versionen sind auf diesen Silberlingen gleich alle Updates enthalten, und bei der "Gold Edition" finden sich zusätzlich noch einige Extras, doch dazu später mehr.

Gameplay oder: "Wer schießt denn da?"

"Red Orchestra" kommt zwar auf Silberlingen daher, Steam ist aber dennoch notwendig, will man das Spiel zum Starten überreden. Glücklicherweise nur noch ein kleines Ärgernis, wird Steam zu Recht mittlerweile nicht mehr landauf, landab als Herr des bösen Downloadcontents gescholten. Vielmehr werden inzwischen die Vorzüge wie erstklassige Updateverteilung, schnelle Downloadgeschwindigkeiten und seltene Downtimes deutlicher gesehen als früher.

Nachdem man also zwei Gigabyte auf die Festplatte geschaufelt hat, findet man sich ohne großes Brimborium gleich mitten im Geschehen wieder: "Red Orchestra" bietet einen Übungsmodus gegen eher mittelmäßige Computergegner ("Bots") oder eben Multiplayerschlachten im Online-Modus, dem Kernstück des Spiels. Auf 15 Karten geht es den Pixelbrüdern an den Kragen. Doch was ist das? Warum zittert mein Fadenkreuz so? Warum laufe ich nach einem Beintreffer auf einmal so langsam? Wo sind die Sanis, die mich sofort wieder auf "Strahleheld" bringen? Nicht da! Denn "Red Orchestra" sieht sich selbst als Shooter, der eine Mischung aus Action und Realismussimulation versucht, allerdings mit Betonung auf Letzterem. Daher ist Schießen aus der Hüfte in "Red Orchestra" keine wirklich gute Idee, deshalb schwankt meine Waffe, wenn ich zu lange über Kimme und Korn ziele, und natürlich sucht man auch ein Fadenkreuz auf dem Bildschirm vergeblich, solange man keine Waffe mit Zielfernrohr sein Eigen nennt. Und wer jetzt noch glaubt, eines der unzähligen Fahrzeuge würde sich "mal eben so" steuern lassen, dem ist nun wirklich nicht mehr zu helfen.

Vielmehr erfordert "Red Orchestra", dass die Kämpfe zwischen Russen und Deutschen zum Thema hat, eine ordentliche Eingewöhnungszeit, entschädigt dafür aber mit spannungsgeladenen Gefechten, oft auf hohem taktischen Niveau. Denn die "Red Orchestra"-Server werden nur in homöopathischen Dosen von den üblichen "Aber ich bin Rambo, gebt mir ein MG"-Spielern heimgesucht, für die Taktik eine Eissorte und Teamwork eine ansteckende Krankheit ist. Also eine erholsame Abwechslung gegenüber einigen anderen Multiplayerspielen. Somit kommt es auf "Red Orchestra"-Servern vergleichsweise häufig zu gutem Taktikspiel, unterstützt von der VoIP-Funktion des Spiels lassen sich Zangenangriffe, Belagerungsringe und ähnliche Manöver zelebrieren. Die lange Eingewöhnungszeit sollte allerdings nicht unter den Tisch fallen: Bis man sich mit dem – im Vergleich zu anderen Spielen – tierischen Rückstoß der Waffen angefreundet hat und gar nicht mehr auf die Idee kommt, einen Panzer mit nur einem Spieler bemannen zu wollen, vergehen durchaus einige Spielabende. Dann aber bietet "Red Orchestra" eine realitätsangenäherte Gefechtssimulation auf actionreichen Kampffeldern.

Dabei wartet "Red Orchestra" mit stark unterschiedlichen Karten auf: Von (fast) reinen Panzerkampf-Maps wie Arad über gemischte Vehikel-Infanterie-Gefechte bis hin zu Straßenkämpfen reinster Natur, bei denen nur Fußsoldaten anzutreffen sind, ist alles dabei. Der geneigte Spieler darf dabei seinem Pixelego eine große Auswahl an Waffen in die Hand drücken, die im WW2 aufseiten der Deutschen und Russen zu finden waren, natürlich historisch korrekt nach jeweiligem Kriegsfortschritt. Ein StG44 beispielsweise (der Vorläufer der heutigen Sturmgewehre) taucht erst auf den Karten auf, die im späten Kriegsverlauf spielen sollen. Für den Vehikelfan ist von Truppentransportern über gepanzerte Kleinstautos (dem BA-64 der Russen) bis hin zu den Kampfpanzern beider Seiten auch einiges dabei.

Bonusinhalt oder "Wo ist denn hier der Platz für die Briefmarke?"

"Red Orchestra" ist in zwei neuen Versionen in den Handel gekommen: Zum einen als "Enhanced Edition" und zum anderen mit dem Zusatz "Gold Edition". Während Erstere für 19,99 Euro nur das bereits auf aktuellste Version hochgepatchte Hauptspiel beinhaltet, wartet die "Gold Edition" mit einigen Extras auf: Alle 15 Maps des Spiels wurden auf postkartengroßer Pappe abgedruckt und zu 16 Fahrzeugen liegen – wieder in Postkartenformat – Trefferzonenübersichten bei. Während bei Letzteren die geringen Druckmaße in Ordnung gehen, bieten die Kartendrucke keinen wirklichen Mehrwert. Eine detailliertere Übersicht wäre hier schöner und vor allem hilfreicher gewesen, denn aufgrund der geringen Formatgröße erfährt man nicht mehr über die Kampfschauplätze, als man im Spiel nach wenigen Sekunden selbst sehen kann. Über die der "Gold Edition" ebenfalls beiliegende Bonus-DVD breiten wir lieber schnell den Mantel des Vergessens: Einfach nur alle beiliegenden Materialien noch mal als PDFs auf einen Silberling zu brennen und es Bonus-DVD zu nennen, ist schon ziemlich dreist.

Grafik oder: "Schießt erst, wenn ihr das Weiße in den Augen des Feindes seht!"

"Red Orchestra" setzt auf eine überarbeitete Unreal-Engine und entlockt diesem durchaus betagtem Unterbau eine ansehnliche Grafik. Zwar kann "Red Orchestra" nicht mit den 3D-Glanzlichtern des Genres wie "F.E.A.R" und Konsorten mithalten, aber zum oberen Mittelfeld zählt es sicherlich. Erwähnenswert ist bei der Grafik insbesondere, dass es die Designer verstanden haben, eine dichte Atmosphäre zu schaffen: Brennende Panzerwracks stehen auf dem Schlachtfeld Spalier, dichte Nebelschwaden wabern aus Rauchgranaten über die Schützengräben, und Artillerieschläge schleudern Erdebrocken durch die Gegend. Eindrucksvoll. Gemeinsam mit dem Realismusansatz des Gameplays ist man in "Red Orchestra" dem Krieg so nahe, wie man es gerade noch vor der eigenen Person rechtfertigen kann, ohne selbst eine wirkliche Waffe im Kampf in die Hand zu nehmen. Ein schönes Gefühl, sich dann auch wieder ausloggen zu dürfen.

Sound oder: "Kopf runter!"

So dicht, dass man sie mit dem Bajonett schneiden kann, ist die Stimmung, die "Red Orchestra" auf dem Sound-Schlachtfeld erzeugt. Artillerieeinschläge ertönen dumpf in der Ferne, Querschläger jaulen durch die Gegend, und natürlich kann man nach einiger Zeit jede Waffe schon am Geräusch unterscheiden, das den realen Vorbildern selbstverständlich so nah wie möglich nachempfunden ist. "Red Orchestra" vollbringt klangtechnisch ein Meisterwerk, das insbesondere auf 5.1-Soundsystemen seinesgleichen sucht.

"Red Orchestra" ist eine derart willkommene Abwechslung zum Shooter-Einerlei, dass man Tripwire auf Knien dafür danken möchte. Durch die hervorragende Idee, eben mal nicht die klassischen WW2-Schauplätze wie die mittlerweile spieltechnisch ausgenudelte Normandie zu wählen, sondern die deutsch-russischen Feldzüge, hebt sich "Red Orchestra" dann noch weiter von seinen Konkurrenten ab. Wer bereit ist, etwas Zeit in das Einspielen zu stecken, erhält mit "Red Orchestra" einen Multiplayershooter, der in seinem Segment konkurrenzlos ist: Dichteste Atmosphäre, realistisches Waffenverhalten, tolle Community und schlichtweg geniale Karten. Ob es die "Enhanced" oder die "Gold Edition" sein soll, muss jeder mit sich und seinem Geldbeutel ausmachen, einen wirklichen Mehrwert bietet die "Gold Edition" nicht. Aber eines ist klar: Wer als Shooter-Fan mit gehobenen Ansprüchen an Taktik und Kampfsimulation "Red Orchestra" keine Chance gibt, ist selbst schuld und verpasst ein "Must-have".

(21.02.2007)

 


Fazit

"Sie werden eingezogen, Reservist!"

"Red Orchestra" ist eine derart willkommene Abwechslung zum Shooter-Einerlei, dass man Tripwire auf Knien dafür danken möchte. Durch die hervorragende Idee, eben mal nicht die klassischen WW2-Schauplätze wie die mittlerweile spieltechnisch ausgenudelte Normandie zu wählen, sondern die deutsch-russischen Feldzüge, hebt sich "Red Orchestra" dann noch weiter von seinen Konkurrenten ab. Wer bereit ist, etwas Zeit in das Einspielen zu stecken, erhält mit "Red Orchestra" einen Multiplayershooter, der in seinem Segment konkurrenzlos ist: Dichteste Atmosphäre, realistisches Waffenverhalten, tolle Community und schlichtweg geniale Karten. Ob es die "Enhanced" oder die "Gold Edition" sein soll, muss jeder mit sich und seinem Geldbeutel ausmachen, einen wirklichen Mehrwert bietet die "Gold Edition" nicht. Aber eines ist klar: Wer als Shooter-Fan mit gehobenen Ansprüchen an Taktik und Kampfsimulation "Red Orchestra" keine Chance gibt, ist selbst schuld und verpasst ein "Must-have".


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