Red Orchestra

Red Orchestra

(Frogster)

geschrieben von Axel Kleps

 

Schon wieder ein WW2-Shooter?

Wem ist die deutsche Vergangenheit nicht geläufig und wer erinnert sich nicht an die Gräueltaten, die damals von den Nazis verübt worden sind? Gerade im östlichen Verlauf der Kriegsfront sind in den Jahren 1941-1945 jedes Jahr ca. eine Million deutsche Soldaten ums Leben gekommen oder verschwunden, und auch die sowjetische Seite hatte in den Kriegsjahren Verluste in Höhe von 25 Millionen Soldaten und Zivilisten hinzunehmen. Enorme Materialschlachten spielten sich damals in einem Maße ab, das man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann, denn Masse statt Klasse war damals die Devise. So standen etwa 20.000 russische Panzer als sechsfache Übermacht den Deutschen gegenüber, allerdings waren die Fahrzeuge so veraltet und kaum betriebsbereit, dass die Nazis kaum Mühe hatten, gegen ein solches Kontingent anzutreten. Zwei Fehler beging die Staatsführung allerdings: Ein Zweifrontenkrieg und der russische Winter wurden unterschätzt. Durch diesen Angriff begann der Untergang des "Tausendjährigen Reiches" und 1945 war der Krieg schließlich beendet und das Deutsche Reich war geschlagen.

"Red Orchestra" ist ein 3D-Shooter, der sich mit dem Krieg an der Ostfront in den Jahren 1941-45 befasst. WW2-Shooter sieht man wie Sand am Meer und meistens spielt auch der amerikanische Heroismus eine tragende Rolle, was bei diesem Titel aber unwichtig ist, denn Realismus steht an erster Stelle und somit sind einige Features wie fehlendes Zielfernkreuz, fehlerhafte Waffen oder gar Verletzungen, die sich auf die Spieldynamik auswirken, eingebaut, um ein möglichst intensives Spielgefühl aufkommen zu lassen.

Eine Offenbarung im 3D-Shooter-Segment?

Frogster schlägt mit dem neuesten Spross einen anderen Weg ein und bietet "Red Orchestra" via Steam an, um einigen Kunden die Laufwege zu etwaigen Geschäften zu ersparen. Durchaus nachvollziehbar, aber man sollte sich im Klaren darüber sein, dass bei der Installation eine recht große Zeitspanne eingerechnet werden muss, denn es werden per Internet noch einige Megabyte benötigt, bis das Ballervergnügen losgehen kann. Ist der Download erst einmal geschafft, kann nach der Einstellung der Steuerung und Grafik ein Übungskampf mit Bots oder sofort eine Mehrspielerpartie gestartet werden. Spieler, die bereits Erfahrung mit der Battlefield-Reihe gesammelt haben, werden sich nach kurzer Eingewöhnungszeit heimisch fühlen, die anderen sollten sich besser mit Übungskämpfen die spielerischen Fähigkeiten aneignen, da in den Onlinegefechten bereits einige Profis den Leuten das Leben schwer machen. Im Prinzip geht es eigentlich nur um die Eroberung feindlicher Objekte oder Territorien und um das Halten derselben. Die Schlachtfelder befinden sich ausschließlich im Ostblock und beinhalten neben bekannten Namen wie Stalingrad und Odessa auch Schlachten, die in Basovka, Arad oder Rakowice ausgefochten wurden. Fast alle Panzer, gepanzerten Fahrzeuge, Jeeps, Haubitzen und Waffen aus der damaligen Zeit sind enthalten und teilweise sehr simulationsartig zu steuern. Panzer bewegen sich recht träge und Haubitzen sind schwer zu bedienen, denn auch dort kommt der hohe Grad an Realismus zum Tragen. Neben dem Wind und den physikalischen Gesetzen der Schwerkraft, die auf einen Schuss einwirken, sind die Geschosse auch per Entfernungsmesser durch die Zielvorrichtung des Schützen zu tarieren. Anfangs ist es gar nicht so leicht, einen feindlichen Panzer auf große Distanz zu treffen. Ebenso verhält es sich mit den Handfeuerwaffen. Ein nicht vorhandenes Zielfernkreuz macht einen Treffer "mal eben aus der Hüfte" so gut wie unmöglich. Also zielt man mit Kimme und Korn, begibt sich von einer Deckung zur nächsten, nimmt Gebäude ein oder postiert sich gut getarnt als Sniper irgendwo auf einem hoch gelegenen Dach, um dem Gegner Saures zu geben. Dies hört sich jedoch einfacher an, als es tatsächlich ist, denn die Waffen haben neben den bereits erwähnten Gimmicks auch die Angewohnheit, beim Schuss einen Rückstoß zu entwickeln und sich der Gesetzmäßigkeit der Streuung hinzugeben. Deshalb wird man viel Übung benötigen, um all diese Reaktionen mit einzubeziehen, wenn man nicht laufend den Kürzeren ziehen will. Was dem Ganzen noch die Krone aufsetzt, ist die Wirklichkeitstreue bei der Art und Schwere der Verwundungen. Eine Beinverletzung sorgt für weniger Eleganz beim Laufen, eine Handverletzung kann sogar soweit führen, dass die Benutzung von Waffen ausgeschlossen ist und man praktisch wehrlos durch die Schlacht irrt und bei einer Kopfverletzung ist die Runde meist gelaufen, da sie in der Regel sofort tödlich ist. Auch ist es möglich (ganz im Gegensatz zum Branchenprimus Battlefield 2), Türen zu öffnen und sich dahinter in Deckung zu begeben oder die Gebäude nach geeigneten Stellungen zu durchforsten.

Tastenchaos?

"Wenn man einen Shooter gesehen hat, hat man alle gesehen". Dieses Credo gilt auch für Red Orchestra", denn die Steuerung bietet nichts Neues, allerdings wurde dabei aber das Beste aus anderen Produkten übernommen und mitunter verfeinert. Neben der "WASD"-Steuerung sind Mitteilungen an die Kameraden oder Verhöhnung des Gegners durch zwei Betätigungen der entsprechenden Taste zu managen; die Waffen werden per Mausrad ausgesucht und mit den Nagertasten ausgelöst. Schön ist auch die Implementierung des Voice-over-IP-Systems, mit dem man ähnlich wie bei Battlecom mit anderen Spielern kommunizieren kann. Allerdings sind Clans davon wohl nicht betroffen, denn die bedienen sich eh anderer Lösungen (wie zum Beispiel Teamspeak). Dennoch sind alle Funktionen schnell und einfach zu erlernen, ohne sich wie ein Zirkusartist mit schwersten Fingerübungen auseinander setzen zu müssen.

Na? Wie sieht`s aus?

Wie immer zieht der Spruch, dass die Grafikqualität immer von der Ausrüstung des Rechenknechts abhängig ist. Da macht Red Orchestra auch keine Ausnahme und so wird mal wieder das Spielerauge mit liebevoll gestalteten Innenräumen, exakt aussehenden Fahrzeugen und Waffen, originalgetreu designten Uniformen und einem Himmel über dem Schlachtfeld verwöhnt, bei dem man sofort einen Picknickkorb auspacken, die Decke ausbreiten und den Kameraden beim Schlachtfest zuschauen möchte, während man sich den Magen voll schlägt. Die Landschaft ist sehr schick geworden und bietet nebst saftigen Kornfeldern die Weiten der Tundra, den eiskalten Wind in den Ruinen Stalingrads oder den Regen im Kaukasus. Es ist wirklich beklemmend, durch enge Öffnungen und weit einsehbare Ruinen zu stapfen, während ringsum die Gegner nichts anderes im Kopf haben, als das Alter Ego in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Sehr schön sind auch Explosionen anzusehen, die nicht wie in Actionfilmen Feuer und Flamme und Gott weiß was noch in die Luft jagen, sondern einfach nur tonnenweise Dreck, der sich in alle Himmelsrichtungen verteilt. Gehen die Detonationen in der Nähe des Spielers vonstatten, so bebt das Bild und wird undeutlich, wie man es aus anderen Shootern wie "Call of Duty 2" kennt. Die Fahrzeuge sind kaum besser darzustellen, da alle relevanten, aber auch fast alle irrelevanten Einzelheiten zu sehen sind und sich somit ein nahezu perfekter Detaillierungsgrad ergibt. Die Animationen der Fußsoldaten sind gelungen, alle Bewegungsabläufe sind durchaus realistisch, nur sieht es etwas seltsam aus, wenn zehn Soldaten (meist die Bots) wie auf einer Perlenkette aufgereiht hintereinander dem Ziel entgegentrotten. Da kommen einem Assoziationen wie "Lemminge" in den Sinn, denn irgendwie sieht das genauso aus. Realistisch sind auch die Tötungsszenen geworden, woraus sich schließen lässt, das RO wohl kaum Kindern zugänglich gemacht werden sollte, sondern sich erst der Klientel eröffnet, die das sechzehnte Lebensjahr bereits vollendet hat.

Man hört sich …

Einige Male sind der hohe Detaillierungsgrad und der Realismus von RO angesprochen worden, und das setzt sich auch in Sachen Sound fort. Alles, was in irgendeiner Art und Weise Geräusche macht, klingt genial realistisch: Zwischendurch sind einige Schreie und Befehle der Soldaten zu hören, Wind und Wetter tun ihr Übriges und zwischen den Levels und im Menu ist das genretypische, orchestrale Streicherstück zu hören. Durchaus hörenswert, aber es erreicht nicht den legendären Militärsound des damaligen Spitzen-Shooters "Medal of Honor: Allied Assault", der verdientermaßen den Orden für die beste Spielmusik bekommen hat. Dennoch ist musikalisch und soundtechnisch alles da, wo es hingehört, aber Innovationen kann niemand erwarten, diese sind bei einem Titel wie RO allerdings auch nicht nötig.

Heute schon geballert?

Red Orchestra bietet kaum Angriffspunkte für ernste Kritik. Ein gravierender Fehler ist dennoch aufgetreten und dieser betrifft das Verhalten der Bots auf einfacher Schwierigkeitsstufe. Sie finden höchstens zu Fuß den Weg zum Ziel, in Fahrzeugen sind sie hoffnungslos überfordert und fahren laufend gegen Wände, in eigene Fahrzeuge oder überrollen Teamkameraden ohne ersichtlichen Grund. Zwischendurch tauchen noch kleinere Fehler bei der Grafik auf (nach dem Ableben steht der Spieler des Öfteren auf dem Kopf und kommt nicht aus Gebäuden heraus), aber das sind Dinge, mit denen man leben kann und die den Spielspaß nicht weiter trüben. Gegen "Battlefield 2" wird RO sicherlich keine Chance haben, obwohl Red Orchestra in einigen Belangen technisch überlegen ist (vor allem im Servermanagement, das bei BF2 immer noch nicht ausgereift und spielerfreundlich programmiert wurde). Erfreulich sind die bereits eröffneten Gameserver, auf denen sich bis zu 32 Spieler tummeln und wo so gut wie nie absichtliche Teamkills oder Flaming stattfinden. Die Spielerszene von Red Orchestra scheint erwachsener zu sein als die von Counterstrike, BF2 oder anderen vergleichbaren Spielsystemen. Viel Licht, ein wenig Schatten und ein großes Maß an Spielvergnügen verdienen von mir eine dringende Kaufempfehlung für alle, die sich mal so richtig in einen Krieg begeben möchten, ohne sich dabei weh zu tun …

(28.07.2006)

- Windows 2000/XP

- Intel Pentium 3 oder Athlon mit 1,2 GHz

- 512 MB RAM

- DirectX 8.1 kompatible Grafikkarte mit 64 MB

- Soundkarte

- 2 GB unkomprimierter Festplattenspeicher

Entwickler: Tripwire Interactive
Publisher: Frogster Interactive Pictures
Genre: Action
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Red Orchestra
Preis: ab 26,95,- €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

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