Anstoss 2007

Anstoss 2007

(TREND-Verlag)

geschrieben von Sebastian E.R. Hör

 

Viele Jahre sind vergangen, seit sich Ascaron mit "Anstoss 3" letztmals die Krone des Genrekönigs der Fußballmanager aufsetzen konnte. Was danach passierte, ist bekannt und den Fans der Serie nach wie vor in schmerzlicher Erinnerung: Mastermind Gerald Köhler verließ die Firma und heuerte bei Electronic Arts an, um dort den bis dato notorisch mangelhaften "Fussball Manager" salonfähig zu machen. Währenddessen mühte man sich bei Ascaron redlich, an den Glanz vergangener Tage anzuknüpfen, jedoch leider erfolglos. Die Nachfolgespiele "Anstoss 4" und "Anstoss 4 Edition 03/04" floppten und es wurde lange Zeit still um die legendäre Reihe. Nun jedoch fordert Ascaron mit "Anstoss 2007" erneut den großen Konkurrenten aus dem Hause EA heraus und man darf gespannt sein, ob sich die beiden Rivalen mittlerweile auf Augenhöhe begegnen.

"Vier Tore für ein Halleluja"

Am Anfang eines jeden guten Fußballmanagers stehen natürlich die Auswahl des Vereins, des Schwierigkeitsgrades, der zu simulierenden Ligen und vieles mehr. So auch bei "Anstoss 2007". Hier hat man zunächst die Auswahl zwischen den drei Schwierigkeitsgraden Einfach, Realistisch und Core-Modus. Letzterer ist besonders interessant für diejenigen, die das harte Managergeschäft so realitätsgetreu wie irgend möglich nachvollziehen möchten. Denn im Core-Modus darf man keine eigenen Spielstände mehr anlegen; lediglich ein ständig aktualisierter Autosave als Rückversicherung gegen Programm- und Rechnerabstürze steht zur Verfügung. Die Karrieremöglichkeiten sind altbekannt: Man kann sich für freie Vereinswahl, Angebote von Vereinen der ersten und zweiten Liga oder für Offerten aus der untersten Liga entscheiden. Dann muss noch festgelegt werden, ob man neben den Hauptligen Deutschland, England, Italien und Spanien in weiteren Ligen als Trainer tätig sein möchte, und schon kann man sich über den ersten Ladebildschirm im Spiel freuen. Im zweiten Schritt gibt man dann wie gehabt seine persönlichen Daten an und kommt schnurstracks ins Eigenschaftsmenü. Hier kann man, wie ebenfalls aus den Vorgängern bekannt, Managerpunkte auf bestimmte Fähigkeiten wie Verhandlungsgeschick, Trainingsgestaltung usw. verteilen. Neu - und überaus spannend - sind hingegen die Auswahl des bevorzugten Spielsystems sowie der Fußballphilosophie. So erhält man beispielsweise Boni, wenn man im Verein sein bevorzugtes System spielen lässt, und die Fußballphilosophie bringt ebenfalls Boni in bestimmten Feldern mit sich. So bewirkt eine offensive Interpretation beispielsweise eine Steigerung der Mannschaftsfähigkeiten Pressing und Technik, während eine zerstörerische Boni auf Zweikampf und Abseitsfalle bringt. Schließlich wählt man - je nach Karrierebeginn - noch den Verein bzw. aus verschiedenen Angeboten aus und findet sich alsdann im Managerbüro wieder.

Hier bekommt man zur Saisoneröffnung als Erstes eine Übersicht über die zu erreichenden Ziele, kann die Rückennummern ändern, Eintrittspreise anpassen und sich einen Überblick über auslaufende Verträge sowie Zu- und Abgänge verschaffen. Als Nächstes geht es dann an die Budgetverhandlung mit dem Vorstand. Hier bekommt man in sechs Bereichen (Gehalts-, Transfer-, Angestellten-, Jugend-, Bau- und PR-Budget) die Vorstellungen seines Chefs präsentiert und darf dann mittels dreier Schaltflächen ("In Ordnung", "Bin skeptisch …", "So geht das nicht!") seine Meinung über das Volumen des jeweiligen Budgets äußern. Je nach Antwort steigt oder sinkt das Vorstandsvertrauen - doch man sollte niemals, und sei die Situation auch noch so prekär, einfach blind den Vorgaben zustimmen, denn überschreitet man sie, wird man mit massivem Liebesentzug seitens des Vorstandes bestraft. Im nächsten Bildschirm ist es möglich, Gelder zwischen einzelnen Budgets hin- und herzuschieben. Gerade beim zumeist viel zu niedrigen Transferbudget ist das auch bitter nötig, denn das lässt in den seltensten Fällen große Sprünge auf dem Markt zu (außer, man hat sich für einen Topklub entschieden). Hat man auch diese Hürde genommen, wird man endlich ins oben erwähnte, je nach Größe des Clubs mehr oder weniger gemütliche Managerbüro entlassen und kann von dort aus schalten und walten. Das Zentrum des Büros nimmt natürlich der Computer ein, auf dem eingehende Nachrichten über die Mannschaft, Transfers und ähnliches in Form von E-Mails eintreffen. An der Wand hängt ein Pin-up-Kalender mit monatlich wechselnden Pixelschönheiten, an denen man sich zwischen den Spieltagen ergötzen kann. Ein Blick aus dem Fenster gibt Aufschluss über das momentan herrschende Wetter; ein dickes Notizbuch enthält den Kalender und eine Zeitung kündet von Neuigkeiten aus der Welt des Fußballs. Doch ohne die Maus an den unteren Bildschirmrand zu bewegen, kommt man nicht weiter, denn dort befinden sich, übersichtlich gegliedert, die einzelnen Teilbereiche, um die man sich als Manager zu kümmern hat.

An erster Stelle steht natürlich das Team; hier kann man sein bevorzugtes Spielsystem wählen und seine Mannschaft aufstellen. Das gestaltet sich jedoch zu Anfang schwieriger, als es sich anhört. Per Drag-and-Drop versucht man, Spieler von der Ersatzbank in die Startaufstellung zu ziehen oder Spieler von der Tribüne auf die Ersatzbank. Die Betonung liegt auf "versucht man". Denn ein Klick auf den Namen des Spielers bringt hier keinen Erfolg - das Icon links vom Namen muss auf die gewünschte Position gezogen werden, andernfalls tut sich gar nichts. Das ist ein wenig fummelig und gewöhnungsbedürftig, geht aber nach ein paar Spieltagen von gelegentlichen Fehlgriffen abgesehen ganz gut von der Hand. Rechts vom Spielfeld sind die Teamwerte angegeben, die sehr aufschlussreich den momentanen Zustand der Mannschaft zeigen. Pfeile geben den aktuellen Stand der Entwicklung in den Bereichen an; so erklärt sich ein waagrechter Pfeil im Bereich Teammotivation durch vier verschiedene Faktoren, die gemeinsam auf die Motivation einwirken: Trainerabnutzung, der Respekt vor dem Gegner, die Stimmung in der Mannschaft und die Stimmung des Publikums. Mit einem Rechtsklick auf einen Spieler kommt man in dessen Karteikarte; dort findet man allerlei Informationen von den Vertragsdaten über sein Verhältnis zum Trainer bis hin zu seinen Stärken in bestimmten Gebieten wie Technik, Flanken usw. Die Fülle an Einzelheiten, die in diese Karteikarten gepackt wurde, ist jedoch ein wenig zu hoch und so benötigt man einige Eingewöhnungszeit, bevor man zwischen vergleichsweise relevanten und irrelevanten Daten unterscheiden kann. Ferner erreicht man im Menü Team noch die Einstellungen zu Taktik, der Spielerentwicklung, dem nächsten Gegner, dem medizinischen Bereich (hier kann man übrigens auch interne Dopingkontrollen anordnen, um bei einer offiziellen Kontrolle nicht böse überrascht zu werden), dem Saisonverlauf und zum nächsten Spiel.

Im Menü Training kann man, wie der Name schon sagt, die altgewohnten Einstellungen wie Gruppentraining, die nächste Trainingswoche, das langfristige Training sowie Trainingslager vornehmen. Genauso wenig überraschend auch das Transfermenü: Hier kann man gezielt Spieler suchen, eine Kandidatenliste zusammenstellen, Spieler scouten, die Transferliste selbst betrachten und Vereine auskundschaften. Das alles ist zwar, wie gesagt, nicht neu, aber doch ein wenig komfortabler gestaltet als beim "Fussball Manager 06". Etwas spektakulärer ist dann schon das Vereinsmenü. Hier kann man sich - deutlich detaillierter, als man das vom "FM" gewohnt ist - über seine Vorgesetzten informieren, das Fanaufkommen betrachten, die Fähigkeiten der Angestellten durchleuchten (die weitaus differenzierter und vielfältiger sind als die ihrer Brüder im "FM") und - was eine sehr interessante Option ist - das Renommee des eigenen Clubs mit dem anderer Vereine vergleichen. Schön ist außerdem ein Feature, das es im "FM" ebenfalls nicht gibt, bei "Anstoss" aber seit dem dritten Teil mit von der Partie ist: Das Präsidium verfügt über eine Opposition, die - mehr oder weniger einflussreich - bei der nächsten Jahreshauptversammlung auch die Führung übernehmen kann. Dann muss man sich als Manager für eine der Parteien entscheiden oder sich zurückhalten und abwarten, was passiert. Im Managementbereich kann man sich um die Bilanz kümmern, einzelne Budgets einsehen, mit Sponsoren verhandeln und Spielerverträge verlängern.

Der nächste Punkt - seit jeher einer der bei den Fans beliebtesten - ist der obligatorische Stadionausbau. Er darf in keinem guten Fußballmanager fehlen und ist natürlich auch in "Anstoss 2007" vorhanden. Zudem darf man, ebenfalls mittlerweile fast selbstverständlich, die Stadionperipherie gestalten, also Hotels bauen, größere Trainingsplätze anlegen etc. Hier offenbart sich allerdings auch eine der größten Schwächen des Spiels: Der Tribünenausbau wirkt kastriert; es fehlt die 3D-Ansicht des Stadions, wie man sie aus dem "FM" kennt; außerdem darf man keine Reihenanzahl oder ähnliches festlegen, sondern entscheidet nur über die Anzahl der Ebenen - und daraus ergibt sich dann die Größe des jeweiligen Zuschauerblocks. Einstellbar sind daneben nur noch die Überdachung und der Neigungswinkel - schwach! Auch der Ausbau der Peripherie im "Sim City"-Modus lässt sehr zu wünschen übrig. Zwar kann man durch Zoomen wenigstens ins Innere des Stadions blicken, aber die grobkörnige 3D-Grafik und das triste Drumherum animieren nicht gerade zum Verweilen. Über ein Menü an der rechten Bildschirmseite wählt man das Bauobjekt seiner Begierde aus und platziert es mit einem Linksklick im Gelände. Das war es auch schon.

Im Nachwuchsbereich hat man die Standardwahlmöglichkeiten, Spieler aus der Jugend in die erste Mannschaft zu berufen, das Spielsystem festzulegen, Jugendcamps zu bauen und die zweite Mannschaft zu begutachten - mehr aber auch nicht. Dafür ist das Statistikmenü in gewohnter "Anstoss"-Qualität sehr umfangreich und gibt Aufschluss über zahlreiche interessante Rekorde, Punktestände und Titelgewinne - da kann sich der "FM" wirklich noch eine große Scheibe abschneiden. Ach, und zum Thema "eine Scheibe abschneiden" - das kann sich der "FM" auch im Bereich Persönliches. Das Trainerleben in "Anstoss 2007" ist das mit Abstand detaillierteste, was es bisher in Fußballmanagern gegeben hat. Steigerungen der Managerfähigkeiten werden über Fortbildungsmaßnahmen realisiert, die Trainerreputation wird detailliert aufgeschlüsselt und im privaten Bereich kann man nicht nur sein sauer verdientes Geld dem Verein zurückgeben, wie aus dem "FM" gewohnt, sondern es auch in Statussymbole wie eine Reise zum Mond investieren oder eine Stiftung gründen, was das Ansehen natürlich merklich steigert.

Über die Schaltfläche "Go" beginnt dann endlich, wenn man alle gewünschten Einstellungen vorgenommen hat, der Wochenablauf, den man ärgerlicherweise nicht unterbrechen kann. Im Laufe der Woche eintrudelnde Meldungen erscheinen entweder als E-Mails auf dem Rechner oder liegen im danebenstehenden Faxgerät zur Ansicht bereit. Steht ein Spiel an, wird der Zeitablauf unterbrochen und man landet nach einem erneuten Klick auf "Go" im Ankündigungsmenü. Hier kann man sich noch über sein Gegenüber und die Mannschaftsaufstellung sowie Ausfälle informieren, im Falle eines Heimspiels ein Halbzeitprogramm (z.B. Feuerwerk) festlegen sowie eine Sondersiegprämie locker machen, bevor es dann mit Klick auf OK zur Ansprache vor dem Spiel geht. Dabei hat man, wie gewohnt, ein paar Marschrichtungen, die man der Mannschaft vorgeben kann - aber Vorsicht: Teilweise unterscheiden sich die Ansichten der Mannschaft erheblich von den Ihren. Hat man seine Jungs entsprechend eingestellt, geht es in den Textmodus. Und hier lauert das größte Problem von "Anstoss 2007" - die Szenen im Textmodus sind bisweilen nicht nur unrealistisch lang (wieso sollte ein Stürmer kurz vor dem Tor den Ball zur Mittellinie zurückschlagen?), sondern laufen auch entweder viel zu schnell (bei Texttempo mittel) beziehungsweise viel zu langsam (bei Texttempo langsam) ab. Außerdem zeigt die Anzeigetafel oben bereits vor dem Ende des Spielzugs im Textmodus an, ob daraus ein Tor entsteht oder nicht - ärgerlich, nimmt es dem Spielgeschehen doch jede Spannung. Man kann sich außerdem aussuchen, ob man in der Halbzeit erneut eine Ansprache an die Mannschaft, einen Spieler oder einen Mannschaftsteil richtet, oder das Spiel einfach weiterlaufen lässt. Am Ende des Spiels besteht erneut die Möglichkeit, seinen Jungs noch mal die Meinung zu geigen, dann gelangt man ins Spielanalysemenü, in dem man die Noten seiner Spieler sowie alle relevanten Fakten betrachten kann. Danach sieht man noch die Tabelle und es geht zurück ins Managerbüro.

Bengalische Feuer

Als Augenschmaus kann man "Anstoss 2007" nun wirklich nicht bezeichnen. Natürlich ist die grafische Aufmachung ganz ordentlich, kann aber keine neuen Akzente setzen. Die Grafik im Peripherie-Modus wirkt trist und leer und dem Spiel haftet trotz der Auflösung von 1024x768 und der ein wenig erwachsener wirkenden Menüs eine - gewollte - Comichaftigkeit an, die sicherlich nicht jedermanns Sache ist, aber irgendwo auch zum gemütlichen "Anstoss"-Flair beiträgt.

"Anstoss"-Radio

Der Sound hingegen vermag durchaus zu überraschen. Ist man es vom großen Genrekonkurrenten gewohnt, langweilige Elektromusik aus den Boxen dudeln zu hören, glänzt "Anstoss" mit teilweise sehr schön klingenden Rockstücken, die zwar auf den ersten Blick so gar nicht zu einem Fußballmanager passen wollen, aber in ihrer Weise dennoch zur Atmosphäre beitragen. Außerdem amüsant: Die gelegentliche Einstreuung von "Anstoss Radio", in dem zwei Moderatoren spannende Fragen aus der Welt des Fußballs in ein Gewinnspiel einbetten und Zuschauer im Studio anrufen, um die Fragen zu beantworten. Einfach herrlich!

 

Entwickler: Ascaron
Publisher: TREND-Verlag
Genre: Fußballmanager
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Anstoss 2007
Preis: 35,90 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

Fazit

   Um dem großen Konkurrenten auf Augenhöhe begegnen zu können, fehlt doch noch ein gutes Stück, aber "Anstoss 2007" macht vieles besser als seine Vorgänger und lässt hoffen, dass es in absehbarer Zeit wieder eine Alternative zu EAs alljährlichem "Fussball Manager"-Update gibt. Einige der Features, wie beispielsweise das umfangreiche Statistikmenü oder das sehr aufschlussreiche Managermenü sind wesentlich besser gelungen als bei der Konkurrenz; andere, wie beispielsweise der noch verbugte Textmodus (Nachschuss im Elfmeterschießen? Frankreich hätte sich gefreut im WM-Finale!) oder der dröge Stadionausbau sind noch verbesserungsbedürftig. Alles in allem macht "Anstoss 2007" vielleicht nicht ganz so süchtig wie das in Ehren ergraute "Anstoss 3", aber es ist auf einem guten Weg. (12.09.2006)


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